Arzneimittel und Therapie

Sekundärprophylaxe bei KHK unzureichend

Nach Revaskularisation wird nicht immer leitliniengerecht therapiert

Bei der koronaren Herzkrankheit (KHK) ist eine medikamentöse Sekundärprophylaxe nach perkutaner Koronarintervention (PCI) oder einer Bypass-Operation unumstritten und der Nutzen in den Leit­linien dargelegt. Die Umsetzung in der Praxis lässt jedoch zu wünschen übrig.

Die Adhärenz in klinischen Studien gegenüber einer leitliniengerechten medikamentösen Therapie nach koronarer Revaskularisation wurde kürzlich in einer Metaanalyse analysiert. Fünf wegweisende Studien zum Vergleich von PCI (mit medikamentenfreisetzenden Stents) und Bypass-Opera­tion bei Patienten mit KHK gingen in die Auswertung ein. Als leitliniengerechte Therapie wurde eine Kombination von Thrombozytenaggregationshemmer (TAH), Betablocker und Statin mit oder ohne ACE-Hemmer/AT1-Rezeptorblocker (ARB) angesehen. Die Adhärenzrate ergab sich aus der Anzahl der Patienten mit einer entsprechenden Verordnung zu einem bestimmten Beobachtungszeitpunkt im Verhältnis zur Gesamtzahl der Patienten. Selbst im hochkontrollierten Umfeld randomisierter klinischer Studien wurde eine geringe Adhärenz in der Sekundärprophylaxe beobachtet, die sich mit der Zeit weiter verschlechterte: Im ersten Jahr nach koronarer Revaskularisation lag die Adhärenzrate bei 67% (TAH, Betablocker, Statin) bzw. 40% (TAH, Betablocker, Statin, ACE-Hemmer/ARB), nach fünf Jahren nur noch bei 53% bzw. 38%. In fast allen Studien waren die Raten nach einer Bypass-Operation niedriger als nach einer PCI. Erwartet worden war eine deutlich bessere Leitlinien­adhärenz aufgrund der strikten Vor­gaben der Studienprüfpläne.

Häufiger Einsatz von ASS und Statinen

Positiv ist hervorzuheben, dass die Leitlinienadhärenz gegenüber Acetylsalicylsäure (ASS) und Statinen im Allgemeinen hoch und über den Beobachtungszeitraum von fünf Jahren recht stabil war (Adhärenzraten von 75% bis 95%). Die Adhärenzrate gegenüber mindestens einem TAH war in den meisten Studien nahezu 100%. Während die Wirksamkeit von TAH und Statinen bei der Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse nach koronarer Revaskularisation schon seit vielen Jahren bekannt ist, sind die Vorteile der anderen Substanzklassen noch nicht so lange etabliert. Auch hängt ihr Einsatz von Begleiterkrankungen und Risikofaktoren ab (s. Tabelle). |

Tab.: Medikamente zur Kombinationstherapie der chronischen koronaren Herzkrankheit (auch nach operativem Eingriff). Nach Stentimplantation wird für mindestens vier Wochen bzw. mindestens sechs bis zwölf Monate (medikamentenfreisetzende Stents) eine duale Thrombozytenaggregationshemmung (TAH) mit ASS und einem P2Y12-Antagonisten wie z. B. Clopidogrel empfohlen. [Quelle: Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische KHK – Langfassung, 4. Auflage, Version 1, 2016]
Arzneimittelklasse
Bemerkungen
Thrombozytenaggregationshemmer (TAH)
Mittel der 1. Wahl Acetylsalicylsäure (ASS) 100 mg täglich (Ausnahme: Patienten nach Bypass-Operation mit oraler Antikoagulation)
Mittel der 2. Wahl Clopidogrel 75 mg (off-label) bei ASS-­Allergie bzw. ASS-Unverträglichkeit oder Kontraindikation
Prasugrel, Ticagrelor (off-label) nur in Kombination mit ASS
Orale Antikoagulanzien
Bei Indikation zur oralen Antikoagulation sind zusätzliche TAH meist nicht sinnvoll, bei bestimmten Patienten (z. B. Vorhofflimmern) kann jedoch eine Kombinationstherapie (ASS und/oder Clopidogrel + Antikoagulans) infrage kommen. Das erhöhte Blutungsrisiko ist zu beachten. Bei oraler Antikoagulation nach Bypass-Operation sollten TAH nicht zusätzlich eingesetzt werden.
Lipidsenker
Mittel der Wahl sind Statine; bei Unverträglichkeit: andere Lipidsenker (z. B. Fibrate)
Betablocker
Mittel der Wahl nach Herzinfarkt, bei Herzinsuffizienz oder Hypertonie; bei Unverträglichkeit/Kontraindikation: langwirksame Kalziumkanalblocker
ACE-Hemmer
Mittel der Wahl bei eingeschränkter systolischer links-ventrikulärer Funktion oder Hypertonie; bei Unverträglichkeit: AT1-Rezeptorblocker

Quelle

Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische KHK – Langfassung, 4. Auflage, Version 1, 2016

Smith SC et al. AHA/ACCF Secondary prevention and risk reduction therapy for patients with coronary and other atherosclerotic vascular disease: 2011 update: a guideline from the American Heart Association and American College of Cardiology Foundation. Circulation 2011;124(22):2458-2473

Pinho-Gomes AC et al. Compliance with guideline-directed medical therapy in contemporary revascularization trials. J Am Coll Cardiol 2018;71(6):591-602

Apothekerin Dr. Daniela Leopoldt

Das könnte Sie auch interessieren

Aktualisierte Leitlinie setzt auf Selbstmanagement

Neue Empfehlungen bei chronischer KHK

Von Ina Richling, Isabel Waltering, Thomas J. Hellmann und Hartmut Derendorf

Ein Patient mit koronarer Herzkrankheit

Kardiale Erkrankungen

Kardiale Erkrankungen

Medikationsanalyse als Aufgabe von Apothekern 

KHK-Patienten interdisziplinär versorgen

Leitlinienautoren sehen Medikationsanalyse als Aufgabe von Apothekern

KHK-Patienten interdisziplinär versorgen

Duale Plättchenhemmung kann nach einem Monat auf Monotherapie reduziert werden

Blutungsrisiko erniedrigt, gleicher Schutz

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.