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Rx-Boni landen erneut in Karlsruhe

Ein beerdigt geglaubter Streit lebt wieder auf – jetzt ist der Bundesgerichtshof gefragt

Elmar Mand | Der Streit um Boni und Gutscheine, die dem Apothekenkunden beim Kauf rezeptpflichtiger Arzneimittel mitgegeben werden, geht weiter. Erneut vertreten Oberlandesgerichte unterschied­liche Rechtsauffassungen.
Urteil des Kammergerichts Berlin vom 13. März 2018, Az.: 5 U 97/15.

Das Kammergericht Berlin entschied aktuell, dass geringwertige Werbegaben in Form von Ein-Euro-Gutscheinen, die Verbraucher beim Kauf preisgebundener Arzneimittel erhalten und für einen Kauf aus dem Randsortiment der Apotheke einlösen können, zwar gegen den einheitlichen Apothekenabgabepreis verstoßen. Dieser Verstoß könne aber lauterkeitsrechtlich nicht geahndet werden, weil die Auswirkungen ­eines solchen Nebenleistungswettbewerbs praktisch nicht spürbar seien. Ob der Preisrechtsverstoß berufs- oder aufsichtsrechtliche Sanktionen auslösen kann, ließ das Gericht offen.

Erheblich oder nicht? Eine Frage ganz praktischer Relevanz

Mit dieser Entscheidung belebt das Kammergericht einen für beerdigt ­geglaubten Streit neu: Ist das Arzneimittelpreisrecht über den Rechtsbruchtatbestand des Lauterkeitsrechts (§ 3a UWG) rigoros durchsetzbar oder besteht eine Erheblichkeitsschwelle, unterhalb derer gegen Rechtsverstöße zumindest lauterkeitsrechtlich nicht vorgegangen werden kann? Die Frage ist praktisch äußerst relevant. Denn in Deutschland wird die Einhaltung des einheitlichen Apothekenabgabepreises ganz überwiegend über Unterlassungsklagen von Wettbewerbern bzw. klagebefugten Verbänden gemäß § 3a UWG sichergestellt. Ein ebenfalls mögliches berufs- oder aufsichtsrechtliches Einschreiten gegen Preisrechtsverstöße steht dagegen im Ermessen der zuständigen Kammern bzw. Aufsichtsbehörden und spielt in der Praxis bisher nur eine ganz untergeordnete Rolle. Setzte sich das Kammergericht mit seiner ­Ansicht durch, könnte dies folglich zu einer schleichenden Aushöhlung des geltenden Preisrechts führen.

Die aktuelle Entscheidung kommt sehr überraschend. Immerhin hat der Gesetzgeber auf ähnliche letztinstanzliche Urteile des Bundesgerichtshofs hin das Heilmittelwerberecht bereits zum 13. August 2013 geändert. Seither ist die Wertreklame mit Gutscheinen und anderen Zugaben generell, d. h. selbst bei Geringwertigkeit, heilmittelwerberechtlich verboten, wenn sie gegen das Preisrecht verstößt. Ziel dieser Änderungen war es, eine strikte Durchsetzbarkeit des Arzneimittelpreisrechts bei geldäquivalenten Zuwendungen auch und gerade über das Lauterkeitsrecht sicherzustellen. Dementsprechend schlussfolgerten bisher zahlreiche Obergerichte (u.a. OLG Frankfurt, WRP 2014, 1225; OLG Hamm, Urt. v. 11.06.2015 – 4 U 12/15; OLG München, GRUR 2017, 451; vgl. auch OVG Lüneburg, PharmR 2017, 459), dass das Preisrecht nunmehr rigoros durchzusetzen ist. Aus dieser Riege schert das Kammergericht jetzt aus.

Überzeugende Gründe, Verstöße gegen das Preisrecht lauterkeitsrechtlich erst ab einer Schwelle von einem Euro zu ahnden, sind entgegen der Ansicht des Kammergerichts jedoch nicht (mehr) erkennbar. Mit der Änderung des Heilmittelwerberechts hat sich der deutsche Gesetzgeber unzweideutig auf eine strikte Fassung und Durchsetzung des einheitlichen Apothekenabgabepreises festgelegt. Die arzneimittelrechtlichen Vorschriften zur Preisbindung verstoßen – wie das Kammergericht zutreffend erkennt – auch weder gegen Verfassungsrecht noch sind sie mit dem Unionsrecht unvereinbar. Die Warenverkehrsfreiheit, mit der der Europäische Gerichtshof die fehlende Bindung ausländischer Versandapotheken an das deutsche Arzneimittelpreisrecht begründet hat, findet auf den innerdeutschen Verkauf von Arzneimitteln keine Anwendung. Und die hieraus resultierende „Inländerdiskriminierung“ deutscher Apotheken kann rechtlich nicht angegriffen werden. Damit hätte das Gericht das geltende Recht an sich schlicht anwenden müssen.

„Maßvoller Konkurrenzkampf“

Stattdessen finden sich in den Urteilsgründen lange Passagen, die erkennen lassen, worum es den Richtern tatsächlich ging: Trotz des gesetzlich verbotenen Preiswettbewerbs einen „maßvollen Konkurrenzkampf“ unter Apotheken zu ermöglichen und einen „klug handelnden“ Apotheker „marktwirtschaftlich zu belohnen“. Dass ein Gericht derart unverhohlen seine eigene rechtspolitische Überzeugung an die Stelle des vom demokratisch legitimierten deutschen Gesetzgeber geschaffenen Rechts setzt, ist befremdlich. Das KG hat immerhin die Revision zugelassen und die im Rechtsstreit unterlegene Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. beabsichtigt dem Vernehmen nach, von diesem Rechtsmittel Gebrauch zu machen. Ob der BGH die Entscheidung des KG kassiert bleibt angesichts der zuletzt schwankenden Judikatur des höchsten deutschen Zivilgerichts allerdings noch abzuwarten. |

Autor

Dr. jur. Elmar Mand,

LL.M., ist Leiter der Nachwuchsforschergruppe für Zivilrecht und Gesundheitsrecht sowie Mitglied der Forschungsstelle für Pharmarecht an der Philipps-Universität Marburg.

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