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Zulassung

Die „Rosa Creme“ und die Überwachung

Warum kann ein Medizinprodukt, das eigentlich ein Arzneimittel ist, so lange auf dem Markt bleiben?

Die Abgrenzung von Arzneimitteln zu anderen Produktkategorien wie Medizinprodukten oder auch Nahrungsergänzungsmitteln bereitet immer wieder Probleme. Die Regeln hierfür sind umfangreich und komplex. Trotzdem muss eine Zuordnung getroffen werden, die dann auch rechtlich Bestand hat und im Markt durchgesetzt wird. Das klappt aber offenbar nicht immer. Warum das so ist, soll hier am Beispiel der Mavena B12 Salbe erläutert werden. Die DAZ hatte hierüber immer wieder berichtet. Kann es wirklich sein, dass ein Produkt ohne die erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung jahrelang in Verkehr ist, ohne dass die Behörden eingreifen? | Von Helga Blasius

Anlass für diesen Beitrag ist das juristische „Gerangel um die MavenaB12 Salbe (vormals Regividerm, Regeneratio Pharma AG bzw. Regeneratio Pharma GmbH, Remscheid bzw. Köln) zur Behandlung von Neurodermitis und Psoriasis, die (heute) durch die Mavena International AG mit Sitz in der Schweiz vertrieben wird. Der Hersteller des Produktes ist laut Angaben in der Produktinformation in Italien angesiedelt. Bereits vor acht Jahren hatte die damals für das Produkt zuständige Bezirksregierung Düsseldorf Zweifel an der angeblich „rein physikalischen Wirkung“ des Präparates angemeldet und zunächst beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) um Zuordnung der Vitamin-B12-Salbe nach § 13 Abs. 3 MPG gebeten. Das BfArM kam zu dem Schluss, dass es sich bei der Vitamin-B12-Salbe um ein Arzneimittel handelt.

2010 als Arzneimittel eingestuft

Vor einer abschließenden Entscheidung im Hinblick auf das Inverkehrbringen der Salbe als Medizinprodukt wurde die Firma zu dem Sachverhalt angehört. Außerdem stellte die zuständige Landesbehörde beim BfArM einen neuen Antrag nach § 21 Abs. 4 AMG, um damit eine Entscheidung über die Zulassungspflicht als Arzneimittel zu erwirken. Anfang August 2010 teilte das BfArM der Bezirksregierung mit, Vit­amin-B12-haltige Salben zur Behandlung von Neurodermitis und Psoriasis seien zulassungspflichtige Arzneimittel. Der damalige Inverkehrbringer Regeneratio Pharma GmbH Remscheid erhielt einen entsprechenden Feststellungsbescheid, gegen den die Firma aber Widerspruch beim BfArM einlegte, mit aufschiebender Wirkung. Die Bezirksregierung Düsseldorf betonte daraufhin, dass sie derzeit weder das Inverkehrbringen der Salbe als Medizinprodukt noch das Inverkehrbringen als nicht zugelassenes Arzneimittel untersagen könne, da das abschließende Produktmerkmal noch nicht rechtskräftig festgestellt sei.

2017 Widerspruch zurückgewiesen

Danach dauerte es rund sieben Jahre, bis das BfArM den Widerspruch des Unternehmens schließlich nach der DAZ vorliegenden Informationen am 28. Juni 2017 zurückwies. Die Einstufung als Arzneimittel wurde damit laut BfArM bestandskräftig und die zuständige Aufsichtsbehörde wäre eigentlich wieder am Zug gewesen. Dies war allerdings nun nicht mehr die Bezirksregierung Düsseldorf. Dafür rückte das Regierungspräsidium Darmstadt in den Fokus, denn das Unternehmen hatte seinen Sitz nach Gründung der Mavena Deutschland GmbH nach Neu-Isenburg/Frankfurt verlegt.

Weiterhin im Handel

Mavena hat nach wie vor keine Absicht bekundet, für das Produkt eine arzneimittelrechtliche Zulassung zu beantragen. Zwar wurden kürzlich zwei neue Studien von einer Forschergruppe aus Italien präsentiert, deren Aussagekraft jedoch als insuffizient beurteilt wurde (s. DAZ 2018, Nr. 2, S. 34). Die Studien sollten ja auch nicht für die rechtliche Zuordnung für das Inverkehrbringen dieses Produktes herhalten, sondern als Postmarketing-Studien für ein bereits registriertes Medizinprodukt, sagt das Unternehmen. De facto hat die verbindliche Einstufung von Vitamin-B12-haltigen Salben als Arzneimittel also noch keine Folgen für die Mavena-B12-Salbe gehabt. Das Präparat wird weiterhin als Medizinprodukt vertrieben. Wie kann das sein?

Neue Werbekampagne

Die Einstufung von Mavena B12 als Arzneimittel soll laut BfArM auch für die inzwischen in unterschiedlichen Formulierungen als Medizinprodukte vertriebenen Mavena-Präparate gelten. Denn die Einstufung erfolgte sowohl als Funktionsarzneimittel aufgrund der Wirkweise des Wirkstoffs Vitamin B12 als auch als Präsentationsarzneimittel. Auch die damalige Präsentation hat die Indikation atopische Dermatitis (Neurodermitis) beinhaltet, die jetzt wieder Gegenstand der aktuellen Werbekampagne von Mavena ist.

[Quelle: Anzeige aus Pharm. Ztg. 2018; Nr. 12, S. 49]

Wer ist für die Abgrenzung zuständig?

Die primäre Zuständigkeit für Abgrenzungsfragen liegt bei den Landesbehörden. Sie entscheiden jedoch nur für ihren eigenen Zuständigkeitsbereich. Außerdem sind die Entscheidungen nur für die Beteiligten und zunächst nur für das jeweilige Produkt, um das es geht, bindend. Eine Übertragung auf andere Produkte mit vergleichbarer Zusammensetzung und/oder Aufmachung ist aber möglich. Trotzdem kann es in ähnlich gelagerten Fällen durchaus zu abweichenden Einstufungen kommen, eine sowohl aus Behörden- als auch Industriesicht außerordentlich unbefriedigende Situation, die in der Vergangenheit immer wieder beklagt wurde.

Klassifizierung und Abgrenzung bei Medizinprodukten

Bei Medizinprodukten entscheidet das BfArM über die Klassifizierung/Abgrenzung, sofern eine Überwachungsbehörde, wie hier im Fall der Mavena B12 Salbe, oder auch eine Benannte Stelle oder ein Hersteller einen entsprechenden Antrag stellt (§ 13 Abs. 3 MPG i. V. m. § 32 Ab. 1 Nr. 4 MPG).Wichtig für die Abgrenzung zum Arzneimittel ist dabei die „hauptsächliche Wirkungsweise“ eines Erzeugnisses (§ 2 Abs. 5 Nr. 1 MPG). Ein etwaiger Vermerk auf einem Produkt: „Dies ist ein Medizinprodukt“, mit dem Hersteller versuchen könnten, in strittigen Fällen eine Einstufung als Arzneimittel zu umgehen, ist für die Einordnung völlig bedeutungslos, wenn ansonsten in der Kennzeichnung, der Gebrauchsanweisung oder den Werbematerialien Angaben gemacht werden, nach denen das Produkt ein Arzneimittel ist.

BfArM kann entscheiden

Abgesehen davon, dass das BfArM bei jedem Zulassungsantrag für ein Produkt entscheiden muss, ob es sich tatsächlich um ein Arzneimittel handelt oder nicht (§ 2 Abs. 4 Satz 2 AMG), kann bzw. muss die Bundesoberbehörde auf Antrag der Bundesländer über die Zulassungspflicht von konkreten Produkten entscheiden (§ 21 Abs. 4 AMG), so wie auch im Fall der Mavena B12 Salbe geschehen. Bei der Entscheidung ist zunächst zu prüfen, ob es sich nach der Funktion/Präsentation des Produktes um ein Arzneimittel handelt und des Weiteren, ob wegen der Eigenschaft als Fertigarzneimittel eine Zulassungspflicht besteht (§ 4 Abs. 1, § 21 AMG). Entscheidungen zur Einstufung sind Produkt-bezogen, aber bundeseinheitlich verbindlich.

In strittigen Fällen kommt die sogenannte „Zweifelsfallregelung“ zum Zug (§ 2 Abs. 3a AMG), die auch die für die Verkehrsgenehmigung und Überwachung von Medizinprodukten zuständigen Stellen berücksichtigen müssen. Diese besagt, dass Erzeugnisse, die die Kriterien eines Arzneimittels (Funktion/Präsentation) erfüllen und gleichzeitig unter eine andere Produktkategorie wie etwa Medizinprodukte fallen können, Arzneimittel sind.

Manual zur Einstufung bei Medizinprodukten

Auf europäischer Ebene werden Medizinprodukte in strittigen Fällen von einer speziellen Expertengruppe (Medical Devices Expert Group on Borderline and Classification) unter Beteiligung der Behörden und der Stakeholder eingestuft. Die Entscheidungen werden in dem Manual on Borderline and Classification in the Community regulatory framework for medical Devices zusammengefasst. Bislang (Stand 12/2017) gibt es 21 Einstufungen zur Abgrenzung von Medizinprodukten und Arzneimitteln, z. B. zu Capsaicin-Pflastern zur Behandlung von Muskel-, rheumatischen und neuralgischen Schmerzen oder auch zu Gold-Implantaten zur Behandlung von Osteoporose.

EU-Entscheidung über Cranberry-Extrakte

Ein Beispiel dafür, dass auf EU-Ebene auch verbindliche Entscheidungen über die Einstufung getroffen werden können, sind Produkte mit Cranberry-Extrakten. Diese wurden/werden in vielen Ländern der Europäischen Union als Medizinprodukte gegen Harnwegsinfekte und Blasenentzündungen vermarktet, mit der Begründung, die enthaltenen Proanthocyanidine (PAC) wirkten durch eine sterische Hinderung auf E. coli-Bakterien. Im Jahr 2014 hatte Frankreich eine verbindliche Einstufung angeregt und hierzu ein Verfahren nach Art. 13 der EU-Richtlinie über Medizinprodukte (93/42/EWG) angestoßen. Der Entwurf der Durch­führungsverordnung (Implementing Decision), den die EU-Kommission 2015 veröffentlichte, ordnete die Wirkung von Cranberry beruhend auf den Proanthocyanidinen jedoch als pharmakologisch ein. Im Rahmen der Anhörung zu dem Entwurf der Durchführungsverordnung hatte der Europä­ische Dachverband der Selbstmedikationsindustrie AESGP geltend gemacht, dass eine pauschale Einordnung der Produkte nicht möglich sei. Vielmehr sollten diese von Fall zu Fall unter Berücksichtigung aller ihrer Charakteristika beurteilt werden. Trotzdem haben die Mitgliedstaaten den Entwurf der Durchführungsverordnung am 19. Mai 2017 mit einer qualifizierten Mehrheit befürwortet. Der Durchführungsbeschluss der EU-Kommission wurde am 10. August 2017 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Danach müssen EU-Mitgliedstaaten gegebenenfalls die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um diesen umzusetzen.

Zuständige Bundesoberbehörden und Benannte Stellen

Die Zuständigkeiten für den Vollzug des Arzneimittelgesetzes und des Medizinproduktegesetzes sind in Deutschland klar geregelt, aber die Verhältnisse sind komplex. Das Arzneimittelgesetz unterscheidet ebenso wie das Medizinproduktegesetz (MPG) zwischen „zuständigen Bundesoberbehörden“ und „zuständigen Behörden“. Der Schwerpunkt der Bundesoberbehörden (§ 77 AMG) wie dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) liegt auf der präventiven Marktkontrolle, das heißt bei Arzneimitteln der Erteilung von Zulassungen/Registrierungen und der Pharmakovigilanz. Im Bereich Medizinprodukte sind die Zuständigkeiten des BfArM sehr eingeschränkt (§ 32 Abs. 1 MPG).

Medizinprodukte dürfen nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie eine CE-Kennzeichnung tragen (§ 9 MPG). Das CE-Zeichen darf nur angebracht werden, wenn das Produkt die jeweils vorgeschriebenen „Grundlegenden Anforderungen“ (§ 7 MPG) erfüllt. Dies wird im Rahmen eines „Konformitätsbewertungsverfahrens“ geprüft (§ 6 MPG). Neben der technischen Sicherheit müssen die Hersteller anhand von klinischen Daten die klinische Leistungsfähigkeit und die Annehmbarkeit des Nutzen-/Risiko-Verhältnisses ihrer Produkte belegen können. Je nach Risikogruppe muss an dem Konformitätsbewertungsverfahren eine unabhängige Prüf- und Zertifizierungsstelle (Benannte Stelle) beteiligt werden. Nur bei der niedrigsten Risikoklasse I kann der Hersteller das Verfahren eigenverantwortlich durchführen. Mit der CE-Kennzeichnung versehene Medizinprodukte sind im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum grundsätzlich frei verkehrsfähig.

Überwachung liegt bei den Bundesländern

Mit dem Begriff „zuständige Behörden“ sind die Länderbehörden gemeint. Die Zuständigkeiten sind in den Bundesländern je nach Landesrecht unterschiedlich geregelt. Im Wesentlichen sind dies die Regierungspräsidien und Landesämter mit Zuständigkeiten für den Gesundheitsschutz, usw. Welche Behörde in welchem Bundesland welche Aufgaben wahrnimmt, ist den „Verzeichnissen der für den Vollzug des Arzneimittelgesetzes zuständigen Behörden, Stellen und Sachverständigen“ auf der Webseite des Bundesgesundheitsministeriums zu entnehmen. Die zuständigen Bundesoberbehörden und Landesbehörden für Medizinprodukte finden sich auf der Webseite des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI). Der Schwerpunkt der zuständigen (Länder-) Behörden beim Vollzug des AMG bzw. des MPG liegt auf der sogenannten „Nachmarktkontrolle“. Hiermit sind vor allem die Überwachung inklusive Inspektionen gemeint (§§ 64, 65 AMG, §§ 26, 29 MPG) sowie die Maßnahmen und Sanktionen bei Verstößen (§ 69 AMG, §§ 27, 28 MPG).

So werden alle vergleichbar behandelt

Die maßgeblichen Vorschriften, nach denen die Behörden vorgehen, sind neben denen des AMG und MPG die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Arzneimittelgesetzes (AMGVwV) und die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Medizinproduktegesetzes (MPGVwV). Weitere Einzelheiten sind in zahlreichen Dokumenten zur Qualitätssicherung niedergelegt. Eine wichtige Koordinierungsfunktion bei der Durchführung der Länder­überwachung hat die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG) mit Sitz in Bonn (www.zlg.de). Neben anderen wichtigen Aufgaben kümmert sie sich im Auftrag der Bundesländer um die Einheitlichkeit der Überwachung und dient als nationale Kontaktstelle für den Informationsaustausch mit europä­ischen und internationalen Überwachungseinrichtungen.

Maßnahmen der Länderbehörden bei Verstößen

Gemäß § 69 AMG können die Länderbehörden das Inverkehrbringen von Arzneimitteln untersagen, deren Rückruf anordnen und diese sicherstellen, wenn die erforderliche Zulassung oder Registrierung für das Arzneimittel nicht vorliegt. Konkrete Fristen sind hierfür nicht vorgesehen. Diese richten sich nach der Einschätzung der Dringlichkeit. Ähnliches gilt auch im Medizinproduktebereich. Wenn eine Überwachungsbehörde feststellt, dass ein Produkt unzulässigerweise die CE-Kennzeichnung als Medizinprodukt trägt, so muss sie den Verantwortlichen für das Inverkehrbringen anweisen, die Voraussetzungen dafür zu erfüllen. Tut er das nicht, so muss die Behörde das Inverkehrbringen dieses Medizinproduktes einschränken, von der Einhaltung bestimmter Auflagen abhängig machen, untersagen oder veranlassen, dass es vom Markt genommen wird (§ 27 MPG).

Unterrichtungssysteme

Die zuständigen Behörden und Stellen des Bundes und der Länder müssen sich bei Verstößen und bei Verdacht auf Verstöße gegen Vorschriften des Arzneimittelrechts oder des Medizinprodukterechts unverzüglich gegenseitig unterrichten und sich bei der Ermittlungstätigkeit unterstützen (§ 68 Abs. 1 AMG, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 2, § 30 Abs. 2 MPG). Nähere Einzelheiten zu den genauen Informationswegen und zum Umfang des Informationsaustauschs sowie den Auskunftspflichten gegenüber zuständigen Behörden eines anderen EU-Mitgliedstaates und den internationalen Verpflichtungen des Bundesministeriums für Gesundheit usw. im Bereich der Nachmarktkontrolle sind im Arzneimittelgesetz bzw. im Medizinproduktegesetz niedergelegt (§ 68 AMG, § 27 MPG).

Das DIMDI unterhält ein datenbankgestütztes Informationssystem über Medizinprodukte, das den Behörden Einblick in solche Verfahren gewährt.

„Schwarzer Peter“ jetzt in der Schweiz? Oder wo?

Was ergibt sich nun aus diesen komplexen Vorgaben für den vorliegenden Fall, und was sagen die Beteiligten dazu?

  • Da das Produkt eine CE-Kennzeichnung trägt, wäre zu klären, welcher Risikoklasse es der Inverkehrbringer zuordnet. Hieraus leitet sich ab, ob an der Prüfung der Voraussetzungen für die Anbringung des CE-Zeichens eine Benannte Stelle zu beteiligen gewesen wäre.
  • Zudem stellt sich die Frage, welches die nach MPG und AMG rechtlich zuständige/verantwortliche Firma ist. Im vorliegenden Fall sind in der Gebrauchsanweisung zwei unterschiedliche Firmen und Anschriften als Hersteller und als Vertreiber in Italien bzw. in der Schweiz angegeben (Stand: Juni 2017).
  • Die Zuständigkeit für die Überwachung durch die Länderbehörden richtet sich zunächst danach, wo der pharmazeutische Unternehmer bzw. der Hersteller von Medizinprodukten seinen Sitz hat. Die Mavena International AG (Vertrieb) ist in Hünenberg in der Schweiz ansässig. Wie die DAZ vom Regierungspräsidium Darmstadt erfahren hat, wird die Schweiz beim Inverkehrbringen von Medizinprodukten wie ein EWR-Mitgliedstaat betrachtet. Ein Bevollmächtigter (Vertreter) im EWR sei daher nicht erforderlich. Möglicherweise sei die Mavena Deutschland GmbH in Neu-Isenburg als Händler beteiligt, einen Online-Shop finde man aber auf der Homepage nicht. Somit sei u. a. als Adressat einer Untersagung zum In­verkehrbringen kein Ansprechpartner/Inverkehrbringer in Deutschland vorhanden.
  • Die Zuständigkeit liege nicht beim Regierungspräsidium Darmstadt, heißt es weiter, dennoch werde man das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) bitten, die Schweizer Arzneimittelaufsichtsbehörde (Swissmedic) mit dem Hinweis zu kontaktieren, dass eine Schweizer Firma ein zulassungspflichtiges, nicht zugelassenes Arzneimittel als Medizinprodukt in Verkehr bringe.
  • Auf Nachfrage teilte das BMG der DAZ mit, dass es die Swissmedic bereits informiert habe. Wie das Ministerium weiter erläutert, sei, sofern sich der Sitz des Unternehmens im Ausland befinde, nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz (§ 3 Abs.1 Nr. 4 VwVfG) die Behörde zuständig, in deren Bezirk das Produkt in Deutschland in Verkehr gebracht werde. Seien danach mehrere Behörden zuständig, so entscheide grundsätzlich die Behörde, die zuerst mit der Sache befasst worden sei (§ 3 Absatz 2 VwVfG). Dies gelte auch dann, wenn der Hersteller im Ausland sitze und keinen Vertreter in Deutschland habe, sondern das Produkt wie hier über das Ausland in Verkehr bringe.
  • Das Regierungspräsidium Darmstadt führt außerdem ins Feld, dass sich der rechtmäßige Bescheid des BfArMs auf ein gleichnamiges Produkt eines anderen Unternehmens beziehe und dass eine 1:1-Übertragung auf die Salbe der Mavena International AG ohne eine eingehende Bewertung aller Informationen, insbesondere der Stellungnahme des Inverkehrbringers, insofern nicht ohne Weiteres möglich sei.
  • Was steckt dahinter? Nach Angaben in der aktuellen Werbung zu dem Produkt wurde offenbar zwischenzeitlich die „Formulierung“ geändert. Ist demnach die Entscheidung des BfArM aus dem Jahr 2010 obsolet, und müsste die Behörde die der aktuellen „Version“ hinsichtlich der Einstufung als Arzneimittel noch einmal neu unter die Lupe nehmen? Die DAZ hat hierzu – auch vor dem Hintergrund einer neuen Werbekampagne (s. Kasten) zum Mavena-B12-Einsatz bei atopischer Dermatitis – beim BfArM nachgefragt und folgende Antwort erhalten: „Das Produkt Mavena B12 (vormals Regividerm) war bereits Gegenstand einer Einstufung nach § 21 Abs. 4 AMG. Der Bescheid in Form des Widerspruchsbescheides ist bestandskräftig und Mavena B12 seitens des BfArM als zulassungspflichtiges Arzneimittel eingestuft. Die Einstufung erfolgte als Funktionsarzneimittel aufgrund der Wirkweise des Wirkstoffs Vitamin B12 und als Präsentationsarzneimittel. Auch die damalige Produktpräsentation beinhaltete bereits die Indikation atopische Dermatitis (Neurodermitis), sodass dies kein neuer Sachverhalt ist, sondern bei der damaligen Entscheidung berücksichtigt wurde.“

Nach diesen Erwägungen und Erkenntnissen dürfte der Ball weiterhin bei den Überwachungsbehörden liegen – nur bei wem? Nach Massgabe der vom BMG angeführten Vorgaben des Verwaltungsverfahrensgesetzes sollte dies das Regierungspräsidium Düsseldorf sein, weil sich diese Behörde als erste mit dem Fall befasst hat. Allem Anschein nach dürfte der scheinbar „neverending story“ noch eine weitere Folge hinzu kommen. |

Literatur

Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2757)

Gesetz über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz - MPG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. August 2002 (BGBl. I S. 3146), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 18. Juli 2017. BGBl. I S. 2757

Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Arzneimittelgesetzes vom 29. März 2006. BAnz. S 2287

Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Medizinproduktegesetzes (Medizinprodukte-Durchführungsvorschrift – MPGVwV) vom 18. Mai 2012. BAnz AT 24.05.2012 B2.

MEDDEV 2.1/3 rev.3 (183 kB) Borderline products, drug-delivery products and medical devices incorporating,as integral part, an ancillary medicinal substance or an ancillary human blood derivative. December 2009. http://ec.europa.eu/DocsRoom/documents/26785/attachments/1/translations

Durchführungsbeschluss (EU) 2017/1445 der Kommission vom 8. August 2017 über die Produktgruppe, deren bestimmungsgemäße Hauptwirkung, die auf Proanthocyanidinen (PAC) aus Cranberries (Vaccinium macrocarpon) beruht, die Prävention und Behandlung von Zystitis ist. ABl. EU Nr. L 207, S. 28 vom 10.8.2017

Verzeichnisse der für den Vollzug des AMG zuständigen Behörden, Stellen und Sachverständigen. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/krankenversicherung/arzneimittelversorgung/arzneimittel/amg-zustaendige-stellen.html

Zuständige Behörden für Medizinprodukte. https://www.dimdi.de/static/de/mpg/adress/behoerden/index.htm

Autorin

Dr. Helga Blasius ist Fachapothekerin für Arzneimittelinformation, Dipl.-Übersetzerin (Japanisch, Koreanisch) und regelmäßige Autorin der DAZ.

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