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Beratung
Haarige Aussichten
Frühzeitiger Therapiebeginn und gute Adhärenz retten Haarfollikel
Die androgenetische Alopezie ist eine nicht vernarbende, kontinuierlich fortschreitende Miniaturisierung der Haarfollikel bei Männern und Frauen mit typischem Haarausfallmuster. Ab dem 70. Lebensjahr leiden 80% aller Männer und 42% aller Frauen unter dieser Erkrankung. Erste Krankheitsanzeichen zeigen sich bei Männern ab der Pubertät, bei Frauen mit dem Beginn der Prämenopause. Häufigkeit und Schwere nehmen mit dem Alter zu.
Gesundes Haarwachstum
Haare sind Hornfäden, deren nach außen sichtbarer Anteil als Haarschaft bezeichnet wird. Nicht sichtbar ist die Haarwurzel. Sie steckt in tubulären Einstülpungen der Basalschicht, der epithelialen Wurzelscheide. Die konzentrischen Hüllen unterscheiden sich in innere und äußere Wurzelscheide. Die äußere Scheide besteht aus mehreren Lagen nicht verhornter Zellen der Epidermis. Im Bereich des Isthmus, des Abschnitts zwischen der Einmündung der Talgdrüsen und der Ansatzstelle des Haarbalgmuskels, zeigt sich eine Wulst, die epitheliale Stammzellregion. Adulte Stammzellen gewährleisten die Regeneration von Haarfollikeln und das Haarwachstum. Die innere Scheide existiert nur in der Wachstumsphase. Ihre Zellen sind bereits vor der Keratinisierung des Haarschafts verhornt. Sie bilden eine Art Trichter für distal wachsende und terminal differenzierende Matrix-Zellen. Die innere Wurzelscheide ist unterteilt in die äußere Henle-Schicht, die mittige Huxley-Schicht und die innere Scheidencuticula, welche die Haarwurzel direkt umfasst. Äußere und innere Wurzelscheide bilden zusammen den Haarfollikel (Abb. 1).
Die Zellen der Haarwurzel sind nicht verhornt. Mark, Rinde und Cuticula differenzieren terminal in der keratogenen Zone zum Haarschaft. Basal bildet die Haarwurzel einen kugelförmigen Bulbus. Er stellt den epithelialen Anfang des Haares am Follikelboden dar. Zentrale Matrixzellen mit hoher mitotischer Aktivität bilden von hier aus das Haar. Periphere Matrixzellen formen die innere Wurzelscheide. Zwischen den Matrixzellen produzieren Melanozyten Melanosomen. Sie bestimmen die Haarfarbe.
In den Bulbus ragt die aus zellreichem Bindegewebe bestehende Haarpapille. Sie ist reich vaskularisiert und steuert über spezifische Fibroblasten das Teilungsverhalten der Matrixzellen nach einem bestimmten Zeitplan, denn das Wachstum der Haare verläuft in charakteristischen Schüben. Am Kapillitium durchlaufen etwa 100.000 bis 150.000 Haarfollikel den asynchronen Haarzyklus (Abb. 2). Dabei herrscht ein Gleichgewicht zwischen ausfallenden und nachwachsenden Haaren. Ziel ist ein gleichmäßiger Haarbestand. Folgende Phasen werden unterschieden:
Anagen-Phase: Die aktive Haarbildungsphase ist charakterisiert durch eine hohe mitotische Aktivität der Keratinozyten sowie follikulärer Melagenese. Durchschnittlich wächst das Haar 1 cm pro Monat. 80 bis 90% der Kopfhaare befinden sich im Anagen. Haare wachsen kontinuierlich über zwei bis acht Jahre.
Katagen-Phase: Die ein bis zwei Wochen andauernde Übergangsphase vom Anagen zum Telogen ist gekennzeichnet durch follikuläre Dekonstruktion mit Apoptose der Keratinozyten. Die Papille löst sich auf, der Follikel verkürzt sich bis zur Stammzell-Wulst. 1 bis 2% der Haare sind katagen.
Telogen-Phase: In der Ruhephase des Haarzyklus findet kein Wachstum statt. Die äußere Wurzelscheide umschließt das Haar, sogenannte Kolben-Haare entstehen. Diese können schmerzfrei gezogen werden. Das Telogen dauert drei bis vier Monate. Gegen Ende der Ruhephase wandert der Follikel erneut in die Tiefe. Idealerweise befinden sich unter 20% der Haare im Telogen. Ein Haarverlust von 50 bis 100 Haaren pro Tag gilt als normal. Am Kapillitium bewirken Thyroxin, Prolaktin und Androgene eine Induktion, Estrogene, Glucocorticoide und das Corticotropin ACTH (adrenocorticotropes Hormon) eine Inhibition der Übergangsphase. Die häufigsten Haartypen bei Erwachsenen sind
- Terminal-Haare: Diese Kopfhaare sind lang, dick, markhaltig und meist pigmentiert.
- Vellus-Haare: Sie sind maximal 2 cm lang, dünn, ohne Mark und Pigment. In der Pubertät entwickeln sich aus Vellus-Haaren unter Hormoneinfluss Terminal-Haare.
Dihydrotestosteron als Effektor der androgenetischen Alopezie
Die androgenetische Alopezie ist eine genetisch bedingte Hypersensibilität der Haarfollikel gegenüber Dihydrotestosteron (DHT) bei Vorliegen normaler Androgen-Spiegel bei Männern bzw. relativer Zunahme von Androgenen bei Frauen mit nachfolgender Verkürzung der follikulären Anagen-Phase. Mehrere pathogenetische Mechanismen sind an der Krankheitsentstehung beteiligt:
Haarfollikel besitzen die Fähigkeit zur Steroid-Genese. Hauptausgangsstoff der Synthese in der dermalen Papille ist nach Hydrolyse das Prohormon Dehydroepiandrosteron (DHEA). DHEA wird durch das Enzym 3β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase (3β-HSD) zu Androstendion umgewandelt. Die 3β-HSD-Aktivität ist in den frontalen Haarfollikeln der Kopfhaut erhöht. 17β-HSD3 und 17β-HSD5 setzen Androstendion zu Testosteron um. Direkte enzymatische Gegenspieler sind die Enzyme 17β-HSD2 und 17β-HSD4. Sie werden in der äußeren und inneren Wurzelscheide des Anagen-Haars gebildet. In androgen-sensitiven Haaren ist die Anagen-Zeit verkürzt. Ein langer Verbleib in der Telogen-Phase vermindert die Enzymspiegel von 17β-HSD2 und 17β-HSD4, ein Übergewicht an Testosteron-bildenden Enzymen entsteht. Testosteron wird schließlich in der Haarpapille durch die 5α-Reduktase II zum potenten Dihydrotestosteron. Die Aktivität der 5α-Reduktase II ist bei Androgen-bedingtem Haarausfall deutlich erhöht. Zusätzlich ist vor allem bei Frauen die Aromatase-Aktivität reduziert. Eine verminderte Estrogen-Bildung trägt zur Verkürzung der Anagen-Phase bei.
Die Zahl der Androgen-Rezeptoren ist erhöht. Der Androgen-Rezeptor wird ubiquitär exprimiert. Auf der behaarten Kopfhaut (Kapillitium) ergibt sich bei androgenetischer Alopezie eine geschlechterspezifische Verteilung Androgen-sensitiver Follikel in bestimmten Arealen. Männer exprimieren 30% mehr Androgen-Rezeptoren frontal als okzipital. Frauen haben im direkten Vergleich zu Männern 40% weniger frontale Androgen-Rezeptoren. Die erhöhte Anzahl an Androgen-Rezeptoren begünstigt die Bindung von lokal gebildetem Dihydrotestosteron.
Androgen-Rezeptor-Koregulatoren haben ein verändertes Expressionsmuster. Der Androgen-Rezeptor wird durch über 200 Koregulatoren beeinflusst. Die Koregulatoren treten gewebespezifisch auf und können inhibitorische und exzitatorische Effekte ausüben. ARA70b/ELE1b, ein Protein der dermalen Papille und Haarwurzel, ist verantwortlich für die Zellproliferation. Die veränderte Expression sorgt für eine Miniaturisierung des Haarfollikels. Hic-5/ARA55 ist der Modulator der Androgen-Sensibilität. In androgen-sensitiven Regionen ist seine Expression in der Haarpapille erhöht. Eine Korrelation mit der Anzahl der Androgen-Rezeptoren wird vermutet.
Eine Dysregulation von Wachstumsfaktoren der Haarpapille hemmt die Proliferation und Differenzierung von Haarfollikeln. Die Haarpapille reguliert über spezialisierte Fibroblasten das Haarwachstum. Die Sekretion verschiedener Wachstumsmodulatoren hält die epithelial-dermale Kommunikation aufrecht. Androgene beeinflussen folgende Botenstoffe:
- Die Induktion des Zytokins transforming growth factor (TGF-β2) fördert eine Wachstumshemmung.
- Mit Beginn der Katagen-Phase kommt es zur Abschaltung des Wachstumsfaktors Insulin-like growth factor 1 (IGF-1).
- Das Interleukin 6 (IL-6) hemmt die Proliferation von Matrixzellen und das Haarwachstum.
- Der Inhibitor des Wnt-Signalwegs Dickkopf 1 (DKK-1) wird nach Androgen-Rezeptor-Interaktion exprimiert. Der Wnt-Signalweg ist wichtig für verschiedene Zellaktivitäten wie z. B. Lebensdauer und Proliferation der Matrixzellen sowie Genexpression. Eine Upregulation von DKK-1 bewirkt eine Downregulation von Wnt, besonders Wnt10b. Das Haarwachstum kommt zum Erliegen.
Geheimratsecken und Vollglatze
Die verkürzte Anagen-Phase bewirkt ein telogenes Effluvium mit verlängerter Latenzzeit zwischen dem Ende der Telogen-Phase und dem Neubeginn des Anagens. Der Haarfollikel miniaturisiert. Es kommt zur Bildung von kurzen, dünnen Vellushaaren aus langen, dicken Terminalhaaren. Der übersteigerte Haarzyklus sorgt bei langer Erkrankungszeit für eine Atrophie der Haarfollikel mit irreversiblem Haarverlust. Es ergibt sich ein bestimmtes klinisches Bild:
- männliches Muster nach Hamilton-Norwood (male pattern alopecia): Die Stirn-Haar-Linie weicht zurück. Die typischen Geheimratsecken entstehen. Später folgt eine Ausdünnung bzw. ein Haarverlust in der Scheitelregion mit markanter M-Form-Bildung.
Das Hamilton-Norwood-Schema tritt bei 10% der Frauen mit androgenetischer Alopezie auf.
- weibliches Muster (female pattern hair loss): Ist die Ausdünnung diffus und auf die Scheitelregion begrenzt, so bezeichnet man das als Ludwig-Schema. Dabei bleibt die frontale Haarlinie unverändert. Gelegentlich tritt das Ludwig-Schema auch bei Männern auf. Dünnt – ähnlich dem Ludwig-Schema – die Scheitelregion aus, aber die Stirn-Haar-Linie wird unterbrochen, so spricht man vom „Christmas tree“.
Volles Haarwachstum ist ein gesellschaftliches Zeichen für Schönheit, Jugendlichkeit und Erfolg. Haarverlust stellt oft eine enorme Beeinträchtigung der Lebensqualität und psychische Belastung mit Verlust des Selbstbewusstseins für den Betroffenen dar.
Diagnostik
Auch wenn das klinische Bild der androgenetischen Alopezie vor allem bei Männern sehr eindeutig ist, empfiehlt die S1-Leitlinie zur Diagnostik der androgenetischen Alopezie bei Männern, Frauen und Jugendlichen eine ausführliche Anamnese mit Untersuchung von Kopfhaut, Körper- und Kopfhaaren sowie Nägeln.
Wichtig ist vor allem der Ausschluss von Entzündungen, Seborrhö und Vernarbungen, die Zeichen für das Vorliegen einer vernarbenden Alopezie (Alopecia cicatricalis) sind.
Der Haarzugtest bietet eine erste diagnostische Einschätzung. 50 bis 60 Haare werden dem Patienten sanft aus verschiedenen Kopfhautbereichen gezogen. Sind mehr als 10% der Haare herausziehbar, ist der Test positiv. Der Haarzugtest ist aber von vielen äußeren Faktoren abhängig. Die Erstellung eines Trichogramms ist zur Diagnosestellung zwingend. Die mikroskopische Haarwurzeluntersuchung zeigt beim Auftreten einer androgenetischen Alopezie 30 bis 50% der Haare in der Telogen-Phase. Höhere Werte (etwa 80%) deuten dagegen auf eine Alopecia areata hin. Eine Abgrenzung des diffusen Haarausfalls ist besonders bei Frauen wichtig, da das klinische Bild einer androgenetischen Alopezie dem telogenen Effluvium der Alopecia diffusa ähnelt.
Im Beratungsgespräch sind folgende Einflüsse abzuklären:
- Hormonschwankungen, z. B. nach der Geburt, in der Stillzeit, Prämenopause
- Schilddrüsenfunktionsstörungen
- chronische Erkrankungen, z. B. Diabetes mellitus
- Eisen-Mangel
- Stress
- Nährstoffmangel, z. B. bei Diäten, Anorexie
- Haarkosmetik
- unerwünschte Arzneimittelwirkungen, z. B. Heparine, Warfarin, Phenprocoumon, NSAR, Thyreostatika, β-Rezeptorenblocker, Chemotherapeutika, Androgene, orale Kontrazeptiva, Allopurinol
Klagt ein Patient über Haarausfall, kann die Apotheke zur weiteren Klärung an einen Dermatologen verweisen.
Goldstandard Minoxidil
Ziele der Therapie bei androgenetischer Alopezie sind eine klinische Verbesserung des Erscheinungsbildes bzw. Erscheinungsfreiheit und eine Verbesserung der Lebensqualität der betroffenen Patienten. Ein wichtiger Hinweis in der Beratung ist, dass die evidenzbasierten Therapieoptionen lediglich rein symptomatisch wirken. Eine Komplettheilung ist nicht möglich. Frühzeitiger Therapiebeginn und eine gute Adhärenz sind daher besonders wichtig, um erneutes Haarwachstum in miniaturisierten Follikeln zu erreichen.
Mit höchster Evidenz steht nach der aktuellen S3-Leitlinie zur Behandlung der androgenetischen Alopezie bei Männern und Frauen in der Selbstmedikation lediglich Minoxidil zur Verfügung (siehe Tab. 1).
Therapie |
Evidenzniveau |
wirksame Prävention der Progression |
wirksame Besserung |
Sicherheit |
---|---|---|---|---|
männliche Patienten | ||||
Finasterid (Rx) |
1 |
+++ |
++ |
+++ |
Minoxidil 5% |
1 |
+++ |
++ |
++++ |
operative Behandlung |
4 |
– |
+++ |
++ |
weibliche Patienten | ||||
Minoxidil 2% |
1 |
+++ |
++ |
++++ |
orale Hormone bei Hyperandrogenismus |
3 |
+ |
+ |
+ |
bei normalen Hormon-Spiegeln |
+/- |
+/- |
+ |
|
operative Behandlung |
4 |
– |
++ |
++ |
Verschiedenes (z. B. Aloe vera, Aminexil, Ginkgo, Nahrungsergänzungsmittel) |
keine ausreichende Evidenz |
keine ausreichende klinische Studienlage |
+/- |
unbekannt |
Minoxidil ist ein Antihypertonikum, das durch Erhöhung der Öffnungswahrscheinlichkeit ATP-abhängiger Kalium-Kanäle mit Verringerung des Calcium-Einstroms und folgender Vasodilatation der Arteriolen den systolischen und diastolischen Blutdruck senkt. Eine sehr häufig beobachtbare Nebenwirkung der Minoxidil-Anwendung ist eine Hypertrichose, eine Verlängerung, Verdichtung und verstärkte Pigmentierung von Körperhaaren. Sie tritt drei bis sechs Wochen nach Therapiebeginn auf und bildet sich nach Beendigung der Therapie innerhalb von ein bis sechs Monaten zurück. Der genaue topische Wirkmechanismus ist unklar. Minoxidil wird zu seinem aktiven Metaboliten Minoxidilsulfat umgewandelt. Die zuständige Sulfo-Transferase sitzt in der äußeren Wurzelscheide. Folgende Abläufe werden vermutet:
- verstärkte Expression des Endothelwachstumsfaktors VEGF in der dermalen Papille und Förderung der Angiogenese,
- Aktivierung der Prostaglandin-Synthethase-1 mit Stimulation des Haarwachstums und Zellprotektion,
- erhöhte Expression des Hepatozyten-Wachstumsfaktors (HGF) mit Förderung der Haarmorphogenese.
Weiter wird eine Immunsuppression von T-Lymphozyten diskutiert. In der Folge kommt es zur Umwandlung von Vellus-Haaren miniaturisierter Follikel zu Terminal-Haaren. Der Haarzyklus normalisiert sich.
McDonalds® Pommes gegen Haarausfall?
Im Februar berichtete ein japanisches Forscherteam über eine spontane Haarfollikel-Keimbildung in Stückzahlen bis zu 5000 Stück. Der Clou: Zur Anzucht verwendeten sie das Sauerstoff-durchlässige Silikon Dimethylpolysiloxan, eingebettet in eine Matrix.
Unter der Bezeichnung E 900 wird Dimethylpolysiloxan in der Lebensmittelindustrie verwendet. So setzt McDonalds® E 900 unter anderem beim Frittieren seiner Pommes ein. Oral eingenommen schützt es allerdings nicht vor Haarausfall.
Quelle
Spontaneous hair follicle germ (HFG) formation in vitro, enabling the large-scale production of HFGs for regenerative medicine. Biomaterials. 2018 Feb;154:291-300, doi: 10.1016/j.biomaterials.2017.10.056, Epub 6. November 2017
Minoxidil ist als 2%ige Lösung oder als 5%iger Schaum zur Behandlung der androgenetischen Alopezie für Männer und Frauen zugelassen (Tab. 2). Der Arzneistoff ist gut wirksam bei Androgen-bedingtem Haarausfall. In allen Studien zur Wirksamkeit erhöhte die regelmäßige Anwendung einer 2%igen Lösung bei Männern signifikant das Haarwachstum. Eine 5%ige Lösung ist einer 2%igen Lösung bei zweimal täglicher Anwendung überlegen.
Wirkstoff |
Präparate (Beispiele) |
Indikation |
Kontraindikation |
Anwendung |
Wirkeintritt |
---|---|---|---|---|---|
Minoxidil 20 mg/ml |
Regaine® Frauen Lösung, Minoxidil Bio-H-tin® Pharma Spray |
androgenetische Alopezie bei Frauen |
Schwangerschaft, Stillzeit |
zweimal täglich 1 ml Lösung auf die betroffenen Stellen der Kopfhaut auftragen |
drei bis vier Monate |
Minoxidil 50 mg/ml |
Regaine® Frauen Schaum |
1 g (entsprechend dem Volumen einer halben Schutzkappe) Schaum sollte einmal täglich mit den Fingerspitzen auf die betroffene Kopfhautfläche aufgetragen werden |
|||
Minoxidil 50 mg/dl |
Regaine® Männer Lösung |
androgenetische Alopezie bei Männern im Alter von 18 bis 49 Jahren |
plötzlich auftretende oder ungleichmäßige Alopezie |
zweimal täglich 1 ml Lösung |
acht Wochen |
Regaine® Männer Schaum |
androgenetische Alopezie bei Männern im Alter von 21 bis 49 Jahren |
plötzlich auftretende oder ungleichmäßige Alopezie |
1 g (Volumen einer halben Schutzkappe) zweimal täglich |
Bei 80 bis 90% der Frauen verringert die Anwendung von Minoxidil ebenso Haarausfall. Eine 5%ige Lösung ist einer 2%igen Formulierung nicht überlegen, sie fördert lediglich durch die einmal tägliche Anwendung die Adhärenz.
Eine häufige Nebenwirkung ist auch bei topischer Anwendung eine Hypertrichose. Meist tritt sie bei der Anwendung von 5%igen Darreichungsformen auf oder aufgrund von Fehlanwendungen.
Für eine erfolgreiche Behandlung mit Minoxidil sind folgende Anwendungshinweise wichtig:
- ein- bis zweimal täglich anwenden
- auf trockenes Haar und auf die Kopfhaut auftragen
- Einwirkzeit von mindestens vier Stunden beachten
- nach der Applikation Hände mit warmem Wasser waschen
- Beurteilung der Therapie nach frühestens sechs Monaten
- Dauertherapie, solange Haarwachstum gewünscht wird
- nach Therapiebeendigung innerhalb von drei bis vier Monaten erneutes telogenes Effluvium,
- „Sheeding“, verstärktes Effluvium durch Wiederbeginn des Haarzyklus, Normalisierung innerhalb weniger Wochen, Adhärenz unbedingt weiter notwendig,
- zur Vermeidung einer Kontamination des Kopfkissens und unspezifischem Haarwachstum zwei Stunden vor dem Schlafen auftragen
Reizungen durch Propylenglycol sind häufig. Juckreiz, Hautrötungen, Dermatitis und das Risiko für schwere allergische Reaktionen (z. B. Angioödem) sind beschrieben. Ein Wechsel auf Propylenglycol-freie Zubereitungen kann bei Unverträglichkeit angezeigt sein.
Eine topische Hormonbehandlung mit Alfatradiol 0,025% ist einer Minoxidil-Anwendung unterlegen. Alfatradiol (17α-Estradiol) hat eine geringe Affinität zum Estrogen-Rezeptor. In vitro beschleunigt es die Proliferation von humanen Matrixzellen und antagonisiert Testosteron und Dihydrotestosteron in Anagen-Follikeln. Klinisch kommt es zu einer Zunahme der Anagen-Haare im frontoparietalen Bereich bei Männern und Frauen. Laut Leitlinie sind aufgrund der ungenauen Studienlage weitere Untersuchungen wünschenswert.
Vielfältiges Potpourri
Gegen Haarausfall wird ein Allerlei aus nicht-apothekenpflichten und apothekenpflichtigen Arzneimitteln, Nahrungsergänzungsmitteln, Lebensmitteln sowie Kosmetika angeboten (Tab. 3). Die Studienlage ist meist dürftig, die Evidenz bei androgenetischem Haarausfall schlecht.
Tab. 3: Überblick über die vermuteten Wirkmechanismen verschiedener Therapien [nach Blumeyer A et al. 2011] | |
vermutete Wirkmechanismen |
Therapieoption |
---|---|
Förderung des Nachwachsens der Haare |
Aminosäuren,
Eisen-Supplementation bei Patienten ohne Eisen-Mangel,
Vitamin (Biotin, Nicotinsäure-Derivat),
Proanthocyanidine,
Hirse (Kieselsäure, Aminosäuren, Vitamine, Mineralien),
Meerestier-Extrakte und Silica-Komponenten,
chinesische Kräuter,
Ginkgo biloba, Aloe vera, Ginseng, Bergamotten, Hibiskus, Sophora-Extrakte,
Coffein, Melatonin,
Retinoide,
Ciclosporin,
elektromagnetische/-statische Felder, niederenergetische Laserbehandlung
|
Verbesserung der perifollikulären Vaskularisierung |
Prostaglandine (Viprostol, Latanoprost),
Aminexil,Glycerinoxyester und Silicium,
Mineralien,
Nicotinsäure-Derivate,
Mesotherapie
|
Dihydrotestosteron-Inhibition |
Sägepalmenextrakt,
β-Sitosterol,
Polysorbat 60,
grüner Tee,
Extrakte aus Cimicifuga racemosa
|
entzündungshemmende Wirkung |
Ketoconazol, Zinkpyrithion, Corticosteroide |
verbesserte Ernährung des Haares |
Vitamine (Biotin, Nicotinsäure-Derivat),
Spurenelemente (Zink, Kupfer)
|
sonstige |
Botulinumtoxin |
Die Einnahme eines Hirse-Extrakts mit L-Cystein und Calciumpantothenat über sechs Monate führte klinisch zu einer Erhöhung der Anzahl der Anagen-Haare. In vitro werden Keratinozyten angeregt sowie der Wachstumsfaktor IGF-1 stimuliert. Kupfer-, Zink- und Eisen-Supplementation bei Patienten ohne Eisen-Mangel ist ebenso wie die Gabe von Coffein und Vitaminen ohne Evidenz. |
Literatur
Blumeyer A, Tosti A, Messenger A, Reygagne P et al. Evidence-based (3) guideline for the treatment of androgenetic alopecia in women and in men. J Dtsch Dermatol Ges 2011;9(Suppl 6):1-57
Blume-Peytavi U, Blumeyer A, Tosti A et al. S1 guideline for diagnostic evaluation in androgenetic alopecia in men, women and adolescents, Br J Dermatol 2011;164(1):5-15, doi: 10.1111/j.1365-2133.2010.10011.x
Ceruti JM, Leirós GJ, Balañá ME. Androgens and androgen receptor action in skin and hair follicles. Mol Cell Endocrinol 2018;465:122-133, doi: 10.1016/j.mce.2017.09.009, Epub 12. September 2017
Raab W. Haarerkrankungen in der dermatologischen Praxis. Springer Verlag 2012
Lüllmann-Rauch R. Taschenlehrbuch Histologie. Thieme Verlag 2015
Trüeb RM. Haare - Praxisbuch der Trichologie. Springer Verlag 2003
Fritsch P. Dermatologie Venerologie – Grundlagen. Klinik. Atlas, Band 1, Springer Verlag 2003
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