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Zankapfel Grippeimpfstoffe
Niedersachsen: Open-House- statt Exklusiv-Verträge – Nordost-Vertrag verärgert Kinderärzte
Da Impfstoffe in der Herstellung komplex sind und die Zahl der Hersteller überschaubar ist, sind Lieferengpässe besonderes problematisch. Im vergangen Jahr hat der Gesetzgeber nicht zuletzt deshalb die Rechtsgrundlage für die Ausschreibung von Impfstoffen gestrichen. Doch noch bestehen in einigen Regionen Rabattverträge für trivalente Grippeimpfstoffe – die Kassen hatten sie von vornherein für mehrere Jahre abgeschlossen. So etwa in Niedersachsen, wo die Verträge bis zur Saison 2019/2020 laufen sollten. Doch davon nehmen die Kassen nun Abstand. Unter der Federführung der AOK Niedersachsen haben sie Rabattverträge für quadrivalente saisonale Grippeimpfstoffe für die Saison 2018/2019 im Open-House-Verfahren ausgeschrieben. Das heißt: Zu einem von den Kassen vorgegebenen Preis können alle interessierten Unternehmen eine Rabattvereinbarung abschließen. Die Verträge sind nicht exklusiv. Ärzte können also zwischen den verschiedenen Impfstoffen der teilnehmenden Unternehmen wählen. Laut AOK Niedersachsen werden Ärzte und Apotheken im Mai umfassend informiert. Bis dahin gebe es keinen Handlungsbedarf bei den Apotheken. Ob der Open-House-Vertrag bei mehr als einem Hersteller Zuspruch findet, bleibt abzuwarten.
Im Nordosten der Republik setzen die Kassen hingegen schon seit 2011 auf eine Festpreisvereinbarung mit Apotheken statt auf Ausschreibungen. Diese sorgt jedoch in ihrer neuen Form für den Vierfach-Impfstoff für Unmut – insbesondere in der Industrie. Die für die Kassen federführend von der AOK Nordost abgeschlossene Vereinbarung sieht für die Apotheken eine Vergütung von 10,95 Euro pro Impfdosis vor – vorausgesetzt, der Arzt verordnet generisch. Er kann aber auch jeden anderen tetravalenten Impfstoff namentlich verordnen. Nur ist dann, wie bei anderem Sprechstundenbedarf, eine Genehmigung der Kasse einzuholen.
Keine Impfstoffe ohne Eier
Nicht nur Ostern ist ohne Eier undenkbar. Auch für Grippeimpfstoffe sind sie bislang unerlässlich. „Mehr als 90 Prozent des Grippeimpfstoffs weltweit wird mithilfe von Eiern produziert. Aus einem Ei lässt sich meist eine Impfdosis, manchmal etwas mehr, herstellen“, sagt Martin Friede, Leiter der Abteilung Impfforschung bei der WHO. Im Jahr würden zwischen 450 und 500 Millionen Hühnereier für die Impfstoffproduktion benötigt. Allerdings nicht die Bauernhof-Variante. Vielmehr seien dafür Exemplare nötig, die von Hühnern in speziellen Farmen unter kontrollierten Bedingungen gewonnen werden. „Das ist teurer als die Produktion von Eiern für das Omelette“, sagt Friede. Wegen der enormen Zahl der nötigen Eier wird seit Langem an Alternativen geforscht. So gibt es bereits erste Impfstoffe, die auf Zellkulturen entwickelt werden, die aus dem Nierentumor eines Hundes gewonnen wurden. Bei einem anderen Verfahren wachsen die Viren auf Insektenzellen. „Dies sind hochkomplexe Prozesse, die bislang bei Weitem nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind“, sagt Friede. „Eier werden in den nächsten 20 Jahren sicherlich weiter die entscheidende Rolle bei der Herstellung von Grippeimpfstoff spielen.“
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) hat die Vereinbarung massiv kritisiert. Denn de facto werde es wegen einer zusätzlichen Rahmenvereinbarung zwischen einer Tochterfirma des Berliner Apotheker-Vereins und Mylan wieder nur einen Anbieter geben, der die Versorgung übernimmt. Andere Hersteller von Vierfach-Vakzinen wollten sich nicht auf die Bedingungen dieses Vertrags einlassen. Durch diese Konstruktion, so der BPI, werde bestehendes Recht umgangen. Zudem: Der Mylan-Impfstoff Influvac Tetra, der in der kommenden Saison erstmals auf den deutschen Markt kommt, kann erst ab dem 18. Lebensjahr verwendet werden.
Nun übt auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte Kritik: „Wir finden es unglaublich, dass die Kassen und Apothekerverbände das Gesetz ignorieren und sich damit herausreden, Ärzte könnten weiterhin Grippeimpfstoffe aller am Markt befindlichen Hersteller verordnen“, heißt es in einer Pressemitteilung. „Solche Verordnungen müssen bei den Kassen eigens beantragt werden – ein nicht zu bewältigender Aufwand, wenn das Wartezimmer voller kranker Patienten sitzt“.
Die Aufsicht der AOK Nordost – das Brandenburger Sozialministerium – hat offenbar kein Problem mit der Vereinbarung. Hier hieß es auf Nachfrage, dass für (Grippe-)Impfstoffe, die von Apotheken unmittelbar an Ärzte abgegeben werden, die Arzneimittelpreisbindung nicht gilt. Deshalb müssten die Preise bei der Abgabe von Impfstoffen zwingend mit den Apothekern verhandelt werden. „Dies ist keine Besonderheit für Grippeimpfstoffe in der Region Nordost, sondern der Regelfall. Eine Umgehung bestehenden Rechts ist darin nicht zu sehen.“ |
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