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Aus den Ländern
„Wir wollen pharmazeutisch beraten“
Parlamentarischer Abend der baden-württembergischen Apotheker in Berlin
Kammer und Verband der baden-württembergischen Apotheker hatten am 20. März zu ihrem traditionellen parlamentarischen Abend in die Berliner Landesvertretung Baden-Württembergs geladen. Eine ganze Reihe Bundestagsabgeordneter aus dem Ländle erschien – darunter auch wichtige Gesundheitspolitiker wie die neue gesundheitspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion Karin Maag, ihr Kollege Michael Hennrich sowie Hilde Mattheis von der SPD.
LAV-Präsident Fritz Becker stellte seinen Gästen zunächst die Entwicklung der Apotheken in Baden-Württemberg im vergangen Jahr vor. 2017, sagte er, sei ein „ganz normales Jahr“ gewesen. Allerdings: „Wir werden weniger.“ Die Zahl der Apotheken im Bundesland sank um 41 auf 2506 Betriebsstätten.
Zudem warf Becker einen Blick auf die Finanzentwicklung der Gesetzlichen Krankenversicherung – nach wie vor überwiegen hier die Einnahmen die Ausgaben. Die Finanzreserve habe sich Ende vergangenen Jahres auf insgesamt rund 28 Milliarden Euro belaufen. „Da müsste doch eine Honorierung unserer Dienstleistungen drin sein“, meint der LAV-Präsident. Mehrfach machte er deutlich, dass der „Herzenswunsch“ der Apotheker nach einer gesetzlichen Grundlage für die Vergütung ihrer Dienstleistungen auch in der neuen Wahlperiode fortbesteht.
Drei Themenfelder zum „Andocken“
Doch Becker griff auch die drei großen Themen auf, um die sich der neue Bundesgesundheitsminister in dieser Wahlperiode besonders kümmern will. Das sind die flächendeckende Versorgung, die Pflege und die Digitalisierung, wie Spahn bei seinem Amtsantritt erklärt hatte. Beim Stichwort „flächendeckende Versorgung“ verwies Becker auf das Rx-Versandverbot, das sich die Große Koalition in ihren Koalitionsvertrag geschrieben hat, sowie auf das jüngst im Auftrag des LAV erstellte Gutachten zu diesem Thema von Rechtsanwalt Dr. Heinz-Uwe Dettling. Er riet den Abgeordneten die Lektüre: „Sie werden sehen, dass das Rx-Versandverbot eine super Sache ist.“ Zudem sorgen die Apotheken mit Rezeptsammelstellen für eine flächendeckende Arzneimittelversorgung. Und mit dem Pilotprojekt zur digitalen Rezeptsammelstelle in Neidlingen gibt es bereits eine Schnittstelle zum Themenfeld „Digitalisierung“. In diesem sind die Apotheker auch anderweitig unterwegs: Der Heilberufsausweis und die Arbeit im eigenen sicheren Netz stehen bevor, man denke an securPharm und den anstehenden elektronischen Medikationsplan. Die Apotheker könnten aber auch einen Beitrag zur Stärkung der ambulanten Pflege leisten. Etwa mit dem Medikationsplan und einem Medikationsmanagement, mit dem sie das Pflegepersonal unterstützen könnten. Ab einem bestimmten Pflegegrad könne die Apotheke die Arzneimittelversorgung übernehmen – samt Botendienst. Becker verwies zudem auf ein Pilotprojekt im Ländle, „aktiv.care“. Rund 20 Apotheken seien hier bereits in die Pflege eingebunden.
Handelsbeschränkungen bei Engpässen?
Der LAV-Präsident sprach überdies aus seiner Sicht weitere wichtige gesundheitspolitischen Baustellen an, z. B. Lieferengpässe: Er verwies auf Frankreich, wo bei „echten Engpässen“ ein Exportverbot verhängt werden kann. „Vielleicht sollten wir uns auch überlegen, ob eine zeitweilige Handelsbeschränkung möglich ist.“ Bei der Zytostatikaversorgung gibt es laut Becker nach wie vor Probleme – die Ausschreibungen der Kassen auf Herstellerebene haken noch. Und die Verhandlungen zwischen Deutschem Apothekerverband und GKV-Spitzenverband über die Hilfstaxe sind bekanntlich auch zu keinem Ergebnis gekommen, das den Pharmazeuten gefällt. Becker würde Preisschlachten und Rabattverhandlungen ohnehin lieber ganz den Kassen und Herstellern überlassen. „Wir wollen pharmazeutisch beraten und dafür honoriert werden.“ Last not least sprach der LAV-Chef die Apothekenpflicht an: Diese müsse unantastbar bleiben – denn sie sei aktiver Patientenschutz.
Wirtschaftliche Situation der Apotheke trifft auch Angestellte
Nach Becker wandte sich Silke Laubscher, Vizepräsidentin der Landesapothekerkammer, an die Abgeordneten. Ihre Botschaft: Die Politiker sollen bei all ihren Entscheidungen, die Apotheken betreffen, nicht nur die Inhaber, sondern auch die Angestellten im Auge behalten. Laubscher ist selbst angestellte Apothekerin und weiß, wovon sie spricht. Fast drei Viertel der Menschen, die in den Apotheken vor Ort arbeiten, sind Angestellte, betonte sie. Über 21.000 qualifizierte Mitarbeiter gebe es allein in baden-württembergischen Apotheken – nicht nur Approbierte, sondern auch PTA und PKA. Apotheken böten überdies familienfreundliche Teilzeitarbeitsplätze. Sie selbst habe nach der Geburt ihrer Tochter zunächst mit einer Vier-Stunden-Woche wieder in der Apotheke zu arbeiten begonnen. In welchem anderen akademischen Beruf sei dies möglich? Laubscher verwies überdies auf den hohen Frauenanteil in der Branche – auch unter den Apothekenleitern haben Frauen hier die Oberhand.
Mit Textstellen aus den Parteiprogrammen verdeutlichte die Vizepräsidentin, dass die Apotheken vor Ort genau das bieten, was die Politik fordert. Neben dem hohen Frauenanteil in Führungspositionen und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf leisteten sie einen Beitrag zu stabilen Gemeindefinanzen sowie vielen Ausbildungsplätzen – auch im ländlichen Raum. Apotheken seien eine Bereicherung der Infrastruktur vor Ort. „Welche Versandapotheke kann das schon bieten?“, so Laubscher.
Doch es gibt auch Schattenseiten für die Apothekenmitarbeiter. Die Angestellten, die in inhabergeführten Apotheken zwar frei und unabhängig beraten können, müssen leider vielfach eine Verwalterposition übernehmen. So müssen sie z. B. Rabattverträge oder Zuzahlungen erklären. „Wir würden gerne mehr pharmazeutisch und heilberuflich arbeiten“, betonte die Vizepräsidentin – auch im Bereich der Prävention und der Medikationsanalyse. Daher setze auch sie sich dafür ein, dass wichtige Dienstleistungen künftig von den Krankenkassen honoriert werden können. Denn die wirtschaftliche Situation der Apotheken treffe auch die Angestellten – wenn sie sich nicht bessere, verbessere sich auch nicht die der Mitarbeiter. Und Laubscher gibt zu bedenken: Die Tarifgehälter der Apothekenangestellten sind im Vergleich zu ähnlich hoch qualifizierten Berufen niedrig. |
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