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Vertrauen oder Kontrolle?

Was wirkt besser in der Beziehung zwischen Inhaber und Filialleiter?

Von Christian Knobloch und Hendrik Schröder | Tun Filialleiter nur, was ihnen der Inhaber gesagt hat, er kontrolliert und vergütet? Was ist, wenn sich Mitarbeiter gar nicht ­egoistisch verhalten oder sie allein deshalb zufrieden sind, weil sie die ihnen übertragenen Aufgaben vollständig erfüllen? Was ist, wenn ihr Verhalten auch von nicht-monetären Motiven beeinflusst wird, z. B. vom Wunsch nach sozialer Anerkennung oder von intrinsischer Freude, die durch die Arbeit an interessanten Aufgaben hervorgerufen wird?

Lässt sich mit dem Wunsch nach sozialer Anerkennung oder intrinsischer Freude erklären, dass ­Mitarbeiter freiwillig bereit sind, auch ohne zusätzliche Bezahlung bzw. ohne die Aussicht auf eine Beförderung oder Gehaltserhöhung Arbeitsvorgaben zu erfüllen und noch mehr? Und erhalten wir damit eine Erklärung, warum nur bei einem geringen Teil der Mitarbeiter leistungsabhängige Vergütungssysteme zur Anwendung kommen? Also Vergütungssys­teme, die neben den ­monetären An­reizen auch immer eine Kontrolle beinhalten (müssen)?

Prämien und Kontrollen – positiv oder negativ?

Leistungsabhängige Vergütungen und Kontrollen der Vorgesetzten nehmen Mitarbeiter als von außen kommende Einflussnahme wahr. Als Folge sinkt ihre Wahrnehmung der eigenen Kompetenz und Selbstbestimmung und ihre intrinsische Motivation wird verdrängt. Bei leistungsabhängigen Vergütungen kommt es zu einem Preis­effekt, der als extrinsische Motivation positiv auf den Arbeitseinsatz des Mitarbeiters wirkt. Kontrollen führen zu einem positiven Disziplinierungs­effekt. Leistungsabhängige Vergütungen können schwierige und unattraktive Aufgaben signalisieren, so dass die intrinsische Motivation für diese Aufgaben sinkt. Ein gutes Beispiel hierfür ist Tom Sawyer aus dem Roman von Mark Twain, der Geld von seinen Freunden fordert, damit sie die – an sich mühsame – Arbeit des Streichens eines Zauns für ihn übernehmen. Eine negative Vergütung (Gebühr) signalisiert den Freunden die besondere Attraktivität der Aufgabe.

Außerdem können Mitarbeiter, die Wert darauf legen, nach außen als ­sozial zu erscheinen, weniger Anreiz haben, sich für eine vergütete Aufgabe zu engagieren.

Kontrollmaßnahmen können die Arbeitszufriedenheit des Mitarbeiters senken, was wiederum seine Leistungsbereitschaft verringert, woraufhin die Kontrollmaßnahmen noch weiter verstärkt werden. Umgekehrt steigert dagegen eine Verringerung der Kontrollmaßnahmen – beispielsweise aufgrund von Vertrauen – die intrinsische Motivation, was wiederum zu ­höherer Leistungsbereitschaft führt, woraufhin die Kontrollmaßnahmen weiter verringert werden können.

Darüber hinaus kann ein Mitarbeiter das Vertrauen seines Vorgesetzten als Signal für eine bestimmte vorherrschende soziale Norm deuten: Damit signalisiert ihm der Vorgesetzte seine Annahme, dass er, der Mitarbeiter, sein Vertrauen nicht durch Minderleistung missbrauchen werde. Ein konformistischer Mitarbeiter wird sich dann entsprechend der von ihm unterstellten sozialen Norm verhalten und auf Minderleistung verzichten.

In der positiven Wirkung von Vertrauen bzw. der negativen Wirkung von Misstrauen auf den Arbeitseinsatz des Mitarbeiters bzw. Filialleiters liegt die Attraktivität von unvollständigen Verträgen. Ein unvollständiger Vertrag verzichtet darauf, alle Möglichkeiten exakt festzulegen, und gibt damit Spielraum. Er signalisiert Vertrauen. In einem vollständigen Vertrag, der versucht, jede Leistung und Gegenleistung minutiös festzuhalten, um sie dann auf dieser Grundlage durchsetzen zu können, ist dagegen wenig Platz für Vertrauen. Unvollständige Verträge fördern daher die intrinsische Motivation von Mitarbeitern.

Ein Experiment

Je vollständiger ein Vertrag spezifiziert ist, desto eher kann dies in ­Arbeitsbeziehungen negative Konsequenzen haben. Dies zeigt anschaulich das folgende tatsächlich durchgeführte Experiment: Das häufige Zuspätkommen der Eltern beim Abholen ihrer Kinder von den Kindertagesstätten führte dazu, dass die Betreuer die Kinder über ihre reguläre Arbeitszeit hinaus beaufsichtigen mussten. Die Studienleiter führten nun in sechs Kindertagesstätten eine Geldstrafe ein, die dann fällig wurde, wenn Eltern ihr Kind mehr als zehn Minuten nach der offiziellen Schließung abholten. Weitere vier Kindertagesstätten bildeten die Kontrollgruppe, in der keine Strafen erhoben wurden. Das ­Ergebnis: In den Wochen nach Ein­führung der Strafe war ein deutlicher Anstieg (!) der verspäteten Abholungen in der Experimentalgruppe zu verzeichnen. Nach Aufhebung der Strafe verblieb die Anzahl der Verspätungen in der Experimentalgruppe über dem ­Niveau der Kontrollgruppe, während sie vor Einführung der Strafe in der Experimentalgruppe leicht unter dem Niveau der Kontrollgruppe gelegen hatte.

Eine mögliche Erklärung für dieses Ergebnis könnte in der Existenz von sozialen Normen liegen: Vor der Einführung der Strafzahlung sahen die Eltern im Beaufsichtigen der Kinder nach der Schließung der Kindertagesstätte eine freiwillige und freundliche Handlung der Erzieher. Die soziale Norm verlangte, dass sie sich für diese Freundlichkeit revanchierten, indem sie nicht (all)zu spät kamen. Durch die Einführung der Strafe wurde jedoch das zusätzliche Beaufsichtigen der Kinder nach Schließung der Kindertagesstätte als Dienstleistung begriffen, die gegen Zahlung der Strafe bei Bedarf in Anspruch genommen werden konnte. In der Wahrnehmung der Eltern hat sich der auf Freundlichkeit beruhende unvollständige Vertrag, der nicht alle Eventualitäten festlegte, in einen vollständigen Vertrag verwandelt, in dessen Rahmen sie ohne schlechtes Gewissen eine Leistung kaufen und in Anspruch nehmen können.

Was folgt für den Inhaber?

Leistungsabhängige Vergütungen oder Kontrollmaßnahmen können sich negativ auf die ­intrinsische Motivation von Filialleitern aus­wirken. Wie der Filialleiter darauf mit seinem Arbeitseinsatz reagiert, hängt davon ab, ob bei der leistungsabhängigen Vergütung der posi­tive Preiseffekt (oder bei der Kontrolle der positive Disziplinierungseffekt) dominiert oder der negative Verdrängungseffekt. Die Kenntnis ­dieses Zusammenhangs kann dem Apothekeninhaber helfen, Maßnahmen zu identifizieren und zu ergreifen, die bei seinem Filialleiter die gewünschte Wirkung erzielen. |

Autoren

Dipl.-Volksw. Christian Knobloch, Leiter der Forschungsstelle für Apothekenwirtschaft am Lehrstuhl für Marketing und Handel der Univer­sität Duisburg-Essen.



Univ.-Prof. Dr. Hendrik Schröder, Inhaber des Lehrstuhls für Marketing und Handel der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkt: Apothekenmarkt in Deutschland.

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