Selbstmedikation

„Switches stärken die Apotheke vor Ort!“

Ein Gespräch über die Konsequenzen, die aus der Switchstudie gezogen werden können

du | Die erste deutschlandweite Studie zur Frage, für welche Arzneimittel sich die Apothekerschaft die Entlassung aus der Verschreibungspflicht und damit die Bereitstellung für die Selbstmedikation wünscht, wurde vom Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) finanziert. Der BAH sieht sich nicht nur als Partner der OTC-Hersteller, sondern auch der Apotheken vor Ort, die hier täglich einen wichtigen Beitrag für die niederschwellige kompetente Versorgung der Patienten leisten. Wir haben mit Dr. Elmar Kroth, dem Geschäftsführer Wissenschaft des BAH und Mitautor der Studie, sowie mit Prof. Dr. Niels Eckstein von der Hochschule Kaiserslautern, der verantwortlich für die Durchführung und Auswertung der Studie ist, über Intention und Ergebnisse gesprochen.

DAZ: Herr Dr. Kroth, zunächst eine Frage für den Hintergrund: Die Umfrage wurde vom Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller, kurz BAH, finanziert. Können Sie für unsere Leser noch einmal kurz erläutern, warum sich der BAH dieser Fragestellung angenommen hat und welche Aufgaben er im Rahmen der Switches übernimmt bzw. in der Vergangenheit übernommen hat?

Kroth: Aus unserer Sicht sind Switches für alle Beteiligte wichtig, denn sie ermöglichen eine niederschwellige Versorgung mit wirksamen und sicheren Arzneimitteln und bringen so Innovationen in die Selbstmedikation und an den Patienten. Wenn Wirkstoffe aus der Verschreibungspflicht entlassen oder der Verschreibungspflicht unterstellt werden sollen, dann wird der BAH beratend tätig und sucht den Kontakt zwischen den Beteiligten. Er hat zwar einen Sitz im Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht, ist allerdings nicht stimmberechtigt. Mit dieser Umfrage wollten wir Produkt-unspezifisch nur anhand von Wirkstoffnamen erfahren, wo sich Apotheker eine Entlassung aus der Verschreibungspflicht wünschen – und wo eher nicht.

DAZ: Was war für Sie das überraschendste Ergebnis der Befragung?

Kroth: Besonders erfreulich war, wie positiv Switches gesehen werden. Eine überwältigende Mehrheit von 93% sieht einen eventuellen Mehraufwand als leistbar an. 85% befürworten weitere OTC-Switches.

„Wir werden jetzt noch einmal ganz genau die Ergebnisse analysieren und schauen, wo ein Switch Sinn macht. Dann werden wir versuchen, mit allen Marktbeteiligten ins Gespräch zu kommen und für den oder die Switches zu ermutigen.“

Dr. Elmar Kroth

DAZ: Befürwortet wurden vor allem weitere Switches für Wirkstoffe aus Gruppen, in denen schon OTC-Switches vorgenommen worden sind, beispielsweise für die PPI Lansoprazol oder Rabeprazol. Ist die Apothekerschaft nicht bereit, sich neue Felder zu erschließen?

Kroth: So negativ möchte ich das nicht sehen. Bei bekannten Indikationsgebieten hat man schon Erfahrungen sammeln können und fühlt sich sicherer. Bei ganz neuen Indikationen ist das Maß an Unsicherheit verständlicherweise größer. Ein Beispiel ist der OTC-Switch der „Pille danach“.

DAZ: Nun stieß ja die Entlassung der „Pille danach“ aus der Rezeptpflicht nicht nur auf Begeisterung in der Apothekerschaft. Immer wieder hört man hier auch Kritik vonseiten der Ärzte. Trotzdem sprechen Sie in dem Artikel von einer Erfolgsgeschichte der OTC-Switches in Deutschland.

Kroth: Dieser Switch ist in der Tat eine Erfolgsgeschichte und zeigt, wie durch intensive Aufklärung und mit Unterstützung der Bundesapothekerkammer Unsicherheiten überwunden werden können und nicht nur die Betroffenen von dem niederschwelligen Zugang profitieren. Auch die Apotheken profitieren von diesem Kompetenz­zuwachs.

DAZ: Ungeachtet dessen scheint der Wunsch der Apothekerschaft nach einem Switch für Sildenafil und Co. den Umfrageergebnissen zufolge gering zu sein. Ebenso für orale Kontrazeptiva. Wie soll mit dem Ergebnis umgegangen werden?

Kroth: Studien aus anderen Ländern zeigen, dass die Betroffenen von einem niederschwelligen Zugang profitieren können. Letztlich liegt es in der Entscheidung der Unternehmen, Switch-Anträge für die erwähnten Wirkstoffgrupppen zu stellen. Die Ergebnisse der Befragung der Apotheker bieten den Unternehmen wichtige Entscheidungshilfen. Das Beispiel „Pille-danach“ zeigt, dass Apotheker auch mit herausfordernden Switches umgehen können. Die von der Bundesapothekerkammer entwickelten Handlungsempfehlungen sind hier sehr hilfreich in der täglichen Beratungspraxis in der Apotheke.

DAZ: In Ihrem Beitrag verweisen Sie auf die steigende Belastung der Ärzteschaft und darauf, dass Apotheker eine Lücke zwischen Bedarf und Versorgung der Bevölkerung mit einer Ausweitung der Switches schließen können. Wie positioniert sich hier die Ärzteschaft? Und wie groß ist das Anliegen der Apotheker, Versorgungslücken zu schließen?

Kroth: Parallel zur Befragung der Apotheker haben wir auch in Zusammenarbeit mit der Ärzte-Zeitung eine entsprechende Studie mit den Ärzten durchgeführt. Sie wird derzeit ausgewertet. Was aber jetzt schon klar wird: Gut die Hälfte der befragten Ärzte steht generell OTC-Switches positiv gegenüber.

Eckstein: Wenn ich einen Blick zurückwerfe in die Apotheken vor 20 Jahren, dann hätte ich mir eine solche positive Resonanz der Apothekerschaft in Sachen Switches nicht vorstellen können. Hier hat sich viel verändert, das Selbstbild der Apotheker hat sich gewandelt, weg von dem reinen Arzneimittelversorger hin zu einem selbstbewussten Gesundheitsberater.

„Wenn ich einen Blick zurückwerfe in die Apotheken vor 20 Jahren, dann hätte ich mir eine solche positive Resonanz der Apothekerschaft in Sachen Switches nicht vorstellen können.“

Prof. Dr. Niels Eckstein

DAZ: Ihrer Umfrage zufolge sieht die Mehrheit nicht nur eine Stärkung der apothekerlichen Kompetenz, sondern auch eine wirtschaftliche Stärkung durch Switches. Wie ist das zu verstehen, gerade vor dem dann doch zu erwartenden Preisdruck, nicht zuletzt durch marktstarke Versandapotheken?

Eckstein: Die wirtschaftliche Stärkung durch OTC-Switches ist weniger vor dem Hintergrund einer finanziellen Stärkung zu sehen, sondern vielmehr vor dem Hintergrund der Kundenbindung. Dabei profitieren die Apotheken auch von den im Vergleich zu verschreibungspflichtigen Präparaten weniger restriktiven Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes, von denen die Unternehmen nach einem Switch beispielsweise in Form von Fernsehwerbung oder Werbung in der Laienpresse verstärkt Gebrauch machen. Sie betreiben damit nicht nur Werbung in eigener Sache, sondern auch ein ganz intensives Marketing für die Apotheke.

DAZ: Wie wird der BAH jetzt mit den Ergebnissen der Studie umgehen? Welche konkreten Maßnahmen, welche Aktivitäten werden folgen? Das Vorantreiben des Switches in den bekannten Indikationen?

Kroth: Wir werden jetzt noch einmal ganz genau die Ergebnisse analysieren und schauen, wo ein Switch Sinn macht. Dann werden wir versuchen, mit allen Marktbeteiligten ins Gespräch zu kommen und für den oder die Switches zu ermutigen. Dabei müssen wir uns immer klar machen, dass das keine Selbstläufer sind. Das Unternehmen, das einen Switch vorantreibt, macht damit auch immer Wirtschaftsförderung für die anderen, es hat hier in Deutschland keinen Wettbewerbsvorteil. Das ist in anderen Ländern anders, beispielsweise gibt es in Japan und den USA für diese Firmen eine Marktexklusivität für drei Jahre. Das wäre auch für Deutschland wünschenswert.

Eckstein: Ich möchte noch auf einen anderen Aspekt hinweisen, weshalb wir uns unbedingt für Switches stark machen sollten. Innovative Switches, die eine Beratung durch die Apotheke dringend erforderlich machen, sind ein extrem wirksames Instrument, die Apothekenpflicht in Deutschland abzusichern und die heilberufliche Rolle des Apothekers zu stärken.

DAZ: Herr Professor Eckstein, Herr Doktor Kroth, wir danken Ihnen für das Gespräch! |


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