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Arzneimittel und Therapie
Jedes Antidepressivum besser als Placebo
Metaanalyse vergleicht Wirksamkeit und Verträglichkeit verschiedener Wirkstoffe
Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Weltweit sind Schätzungen zufolge 350 Millionen Menschen betroffen. Zur Behandlung steht eine Vielzahl von Wirkstoffen zur Verfügung, deren Sicherheit und Wirksamkeit jedoch immer wieder diskutiert werden. Dies liegt auch daran, dass Antidepressiva kurzfristig meist einen geringen Effekt zeigen und Langzeitstudien oft fehlen.
Ansprechen und Abbruchrate nach acht Wochen ermittelt
Amerikanische Forscher haben in einer großen Metaanalyse 21 Wirkstoffe hinsichtlich ihrer Effektivität und Verträglichkeit in der Akutbehandlung analysiert. Sie schlossen alle Antidepressiva der zweiten Generation ein, die in den USA, Europa oder Japan zugelassen sind: Agomelatin, Bupropion, Citalopram, Desvenlafaxin, Duloxetin, Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Levomilnacipran, Milnacipran, Mirtazapin, Paroxetin, Reboxetin, Sertralin, Venlafaxin, Vilazodon und Vortioxetin. Zusätzlich wurden die älteren Wirkstoffe Amitriptylin, Clomipramin, Nefazodon und Trazodon betrachtet. Eine umfassende Literaturrecherche ergab 522 doppelblinde randomisierte Studien, in denen diese Wirkstoffe untereinander oder mit Placebo verglichen wurden. Insgesamt schlossen diese 116.477 Patientinnen und Patienten mit überwiegend mittelschweren bis schweren Depressionen ein. Als Therapieerfolg wurde eine mindestens 50%ige Reduktion der Punktzahl auf einer anerkannten standardisierten Depressionsskala nach achtwöchiger Behandlung definiert. Die Verträglichkeit wurde über die Zahl der Studienabbrecher im selben Zeitraum ermittelt.
Unipolare Depression
Eine Depression ist durch gedrückte Stimmung, Interesselosigkeit und Antriebsminderung über einen längeren Zeitraum gekennzeichnet. Das Lebenszeitrisiko für eine diagnostizierte Depression liegt bei 11,6%. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.
Stärker wirksam, aber mehr Nebenwirkungen als Placebo
Im Ergebnis waren alle betrachteten Wirkstoffe effektiver als Placebo mit einer Odds Ratio (OR) zwischen 2,13 (Amitriptylin) und 1,37 (Reboxetin). Unter Agomelatin (OR: 0,94) und Fluoxetin (OR: 0,88) brachen weniger Patienten ihre Studienteilnahme ab als unter Placebo, unter Clomipramin dagegen mehr (OR: 1,30). Analysiert man jedoch nur die Studienabbrüche aufgrund von Nebenwirkungen, waren alle Wirkstoffe bis auf Agomelatin schlechter verträglich als Placebo.
Unterschiede bei Wirksamkeit und Verträglichkeit
Die effektivsten Wirkstoffe im Vergleich untereinander waren Agomelatin, Amitriptylin, Escitalopram, Mirtazapin, Paroxetin, Venlafaxin und Vortioxetin. Dagegen waren Fluoxetin, Fluvoxamin, Reboxetin und Trazodon am wenigsten wirksam. Am besten verträglich waren Agomelatin, Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Sertralin und Vortioxetin. Dagegen waren Amitriptylin, Clomipramin, Duloxetin, Fluvoxamin, Reboxetin, Trazodon und Venlafaxin mit den höchsten Abbruchraten assoziiert. Insgesamt betrachtet scheinen Escitalopram, Mirtazapin, Paroxetin, Agomelatin und Sertralin das günstigste Profil bezüglich Effektivität und Verträglichkeit zu haben. Reboxetin, Trazodon und Fluvoxamin bilden hingegen das Schlusslicht.
Keine Aussage über beste Therapie im Einzelfall möglich
Die vorgestellten Ergebnisse beziehen sich nur auf Erwachsene. Bei Kindern und Jugendlichen ist Fluoxetin bisher wahrscheinlich der einzige Wirkstoff, der depressive Symptome lindern könnte. Zudem können aufgrund der vorliegenden Metaanalyse keine Aussagen für das Ansprechen einzelner Patienten gemacht werden. Es ist daher schwer möglich vorherzusagen, welche Patientengruppen von welchen Wirkstoffen am meisten profitieren. Trotz dieser Einschränkungen sind diese Resultate sehr interessant und sollten bei der Therapieentscheidung berücksichtigt werden. |
Quelle
Cipriani A et al. Comparative efficacy and acceptability of 21 antidepressant drugs for the acute treatment of adults with major depressive disorder: a systematic review and network meta-analysis. Lancet 2018;doi:10.1016/S0140-6736(17)32802-7
Parikh SV, Kennedy SH. More data, more answers: picking the optimal antidepressant. Lancet 2018;doi:10.1016/S0140-6736(18)30421-5
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