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Management
Auf Los geht’s los!
Zurück nach längerer Abwesenheit
Seit 2004 sind Arbeitgeber verpflichtet, erkrankten Beschäftigten ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (kurz: BEM) anzubieten. Das gilt ab sechs Wochen Krankheit in den vergangenen zwölf Monaten. Der Apothekenleiter klärt dabei, „wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann“ (§ 167, SGB IX). Nähere Informationen bieten die Broschüre „Schritt für Schritt zurück in den Job“, die auf der Website des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales abgerufen werden kann (bams.de, Titel der Broschüre in Suchmaske eingeben), sowie die Deutsche Rentenversicherung (deutsche-rentenversicherung.de → Infos für Experten → Firmenservice → BEM).
Den Neuanfang kann man, was die Arbeitszeit angeht, sehr variabel gestalten: entweder mit reduzierter Arbeitszeit oder mit derselben wie zuvor – alles am besten in gegenseitiger Abstimmung. Dabei zahlt der Apothekenleiter nur die Stundenzahl, die tatsächlich gearbeitet wird, die betroffene Kollegin bekommt Krankengeld, falls sie noch nicht fähig ist, ihre normale Arbeitszeit abzuleisten. So sieht es das Sozialgesetzbuch vor. Für die Arbeitnehmerin ist dies freiwillig, wenn sie lieber sofort ganz einsteigen will, ist das in Ordnung. Zudem gilt: Unabhängig davon, ob es sich um eine psychische oder körperliche, chronische oder akute Krankheit handelt, ist sie nicht zur Auskunft über Einzelheiten verpflichtet.
Vor dem Neustart
Nach sechs Wochen Abwesenheit kann die Apothekenleiterin die betroffene Mitarbeiterin zu gegebener Zeit einladen, um die Rückkehr an den Arbeitsplatz im Rahmen des BEM vorzubereiten. Dabei geht es um Grundsätzliches, ein Erfassen der Lage. Da die Angestellte zu diesem Zeitpunkt noch krankgeschrieben ist, muss sie der Einladung nicht folgen.
Häufig werden im BEM folgende Maßnahmen angeregt oder umgesetzt:
- stufenweise Wiedereingliederung,
- Erstellen eines Fähigkeitsprofils des Beschäftigten,
- Reduzierung der Arbeitsbelastung,
- Anpassung der Arbeitsaufgaben,
- Verringerung der Arbeitszeit,
- Organisieren eines Arbeitsversuchs,
- Verbesserung der technischen Ausstattung des Arbeitsplatzes.
Speziell in der Apotheke könnte man beispielsweise ein „Notdiensttandem“ einrichten: Dabei schaut die Rückkehrerin für ein paar Stunden bei geringem Kundenaufkommen in Ruhe mit, welche Änderungen es computertechnisch gibt und ob irgendetwas umstrukturiert oder umgeräumt wurde.
Zu unterscheiden ist zwischen dem Krankenrückkehrgespräch nach Gesundung und Arbeitsbeginn, bei dem die Teilnahme verpflichtend ist, und dem oben genannten BEM. Da wir meist kleinere Betriebe sind, findet leider oft nur eine gegenseitige Absprache ohne BEM-Maßnahmen statt. Ein schlichtes Wiederanfangen wie gehabt führt allerdings unter Umständen zu den gleichen (krankmachenden) Belastungen. Zeit-, Geld- und Personalverlust sind die Folgen.
Tipps für die Chefs
Doch was kann man darüber hinaus als Chef tun, um die Wiedereingliederung zu erleichtern? Die Psychologin Anne Katrin Matyssek empfiehlt, jede Möglichkeit zum Kontakt während der Krankheit zu nutzen: Glückwünsche zum Geburtstag, Grußpostkarten für eine gute Genesung, Blumen oder andere kleine Aufmerksamkeiten machen deutlich, dass Sie sich auf die Rückkehr freuen und die Kollegin schätzen.
Besprechen Sie auch im Team, wie Sie das erkrankte Mitglied stützen, trösten und ermuntern können. Als Chefin können Sie beispielsweise per Mail den Kontakt halten und – bei Interesse der Erkrankten – die Übersendung von Fachzeitungen und Teamsitzungsprotokollen anbieten oder sie zu Teamevents einladen. So beziehen Sie sie ein und die Erkrankte „rutscht nicht vollkommen aus der Welt“.
Zeigen Sie dem Team aber auch, dass Sie erleichtert, dankbar und stolz darauf sind, dass es engagiert die Mehrarbeit auf sich nimmt. Achten Sie auf Überlastungssignale Ihrer Angestellten und sprechen Sie sie an: „Ich mache mir Sorgen, was brauchen Sie an Unterstützung?“ oder „Wenn etwas ist, melden Sie sich bitte!“.
Bereiten Sie Ihr Team auf die Rückkehr vor:
- Sagen Sie ggf., dass die Kollegin erst einmal nur zur Probe und stundenweise kommt.
- Sie sollte weder mit Samthandschuhen angefasst noch überfordert werden.
- Bei Bedarf gibt es für die erste Zeit eine Patin, die schrittweise Neuerungen erläutert.
- Vermutlich ist es für die Rückkehrerin etwas ungewohnt oder sie ist befangen, wenn sie nach so langer Zeit wieder kommt – dann ist sie froh über einen möglichst normalen Umgang.
Wie heißen Sie Ihre erkrankte Mitarbeiterin willkommen? Sie kennen sie und wissen, worüber sie sich freut und was ihr den Einstieg erleichtert. Bereits beim ersten Sehen ist es angenehm, wenn sie ein: „Schön, dass Sie wieder da sind!“ und Ähnliches hört. Wie lange war sie fort, Wochen oder Monate? Überprüfen Sie Ihre innere Einstellung: Erwarten Sie, dass Ihr altes Teammitglied ab sofort wieder arbeitet wie alle anderen? Vermutlich fehlen ihr dazu Informationen und die Kondition, sie hat vielleicht manches vergessen, was sie schon wusste und konnte. Geduld ist hier gefragt und Wohlwollen!
Das Krankenrückkehrgespräch zwischen Chefin und Angestellter findet nach dem Neustart statt. Hier sollte geklärt werden, ob die Mitarbeiterin sich den Anforderungen gewachsen fühlt oder wo noch Änderungen nötig sind.
Literatur
Anne Katrin Matyssek:
Jahresbegleiter 2018 – Gesunde Psyche – stark im Job.
BoD Verlag,
ISBN: 978-3-7412-8998-9
Antonio Damasio:
Im Anfang war das Gefühl – Der biologische Ursprung menschlicher Kultur.
Siedler Verlag,
ISBN: 978-3-8275-0045-8,
Anne Katrin Matyssek:
Jahresbegleiter 2018 – Gesund führen – Fehlzeiten senken.
BoD Verlag,
ISBN:978-3-7412-7352-0
Zu beziehen über: Deutscher Apotheker Verlag ⅼ Birkenwaldstr. 44 ⅼ 70191 Stuttgart ⅼ Tel. 0711 2582-341 ⅼ Fax 0711 2582-290 ⅼ service@deutscher-apotheker-verlag.de
Tipps für die Rückkehrerin
Der Neustart kann manchmal Überwindung kosten. Unsicherheit und innere Widerstände sind vollkommen normal. Begreifen Sie negative Gefühle bei der Wiedereinarbeitung nicht als etwas Schlechtes, sondern als wertvollen Hinweis qualitativer oder quantitativer Art, was Ihre Aufgaben und Ihr Tun angeht. Darauf macht der Neurowissenschaftler Antonio Damasio aufmerksam. Er beschreibt, wie Gefühle unsere besten Absichten unterstützen oder untergraben und wie und warum dabei das Gehirn mit dem Körper interagiert.
Achten Sie gut auf sich und halten Sie Balance zwischen dem, was Sie sich zutrauen, und den Anforderungen am Arbeitsplatz. Sagen Sie von Anfang an deutlich, wenn es Ihnen zu viel wird, und „misstrauen“ Sie Ihrem guten Willen und schlechten Gewissen. Beide fordern von Ihnen vollen Einsatz, weil das Team sich während Ihrer Abwesenheit noch mehr ins Zeug legen musste als ohnehin. Sie können aber nichts für Ihre längere Krankheit, schließlich haben Sie sie nicht absichtlich verursacht.
Es kommt vor, dass bei einer psychischen Krankheit oder selbst bei einem komplizierten Beinbruch mit längerer Liegezeit innerlich Veränderungen geschehen. Manchmal wird uns klar, welche bisher unbeachteten Werte wir leben möchten oder dass Werte sich verändert haben. Dementsprechend passt das bisherige Handeln am Arbeitsplatz vielleicht nicht mehr so ganz. Ein Beispiel: Früher haben Sie die Kunden so schnell wie irgend möglich bedient, sogar eher abgefertigt, und sich auf keinerlei Gespräch eingelassen. Nun haben Sie manchmal das deutliche Empfinden, dass der Kunde zu kurz kommt, dass Sie nur unvollständig Ihrer Beratungsaufgabe nachkommen, Sie möchten mehr auf ihn eingehen. Nehmen Sie das wahr und handeln Sie danach – beobachten Sie, ob es dann besser passt.
Falls Ihre Arbeitgeberin nicht von sich aus eine betriebliche Wiedereingliederung mit den entsprechenden Hilfen des Gesetzgebers anbietet, sprechen Sie sie darauf an. Machen Sie den Mund auf, wenn Sie den Eindruck haben, dass Sie mit Kolleginnen in Schräglage geraten. Krank sein hat manchmal etwas Heilsames. Sie hatten Zeit zum Nachdenken – was ist Ihnen bezüglich Ihres Arbeitsplatzes oder Ihrer Tätigkeit klar geworden? Versuchen Sie, Ihre Erkenntnisse einzubringen, vielleicht können Sie sogar dafür sorgen, dass Ihre Apotheke zu einem gesünderen Ort für alle wird. Das fängt bei Sitzgelegenheiten und Unfallquellen an, geht über das Betriebsklima und endet bei der Führung.
Regen Sie an, fragen Sie nach, wie es andere empfinden, und greifen Sie bei Übereinstimmung tatkräftig zu, anstatt zu warten, dass die anderen sich kümmern. Matyssek ermuntert: „Krank-Sein, Gesund-Werden: Das ist normal. Vor allem ist es normal, dass sich die Psyche unter ungesunden Bedingungen schwer tut mit dem Gesund-Bleiben. Holen Sie das, was Sie krank macht, aus der Tabuzone, indem Sie darüber reden.“
Sinnvoll kann es sein, wenn die Kontaktaufnahme zur Arbeit schon vor dem Betreten der Apotheke am ersten Tag beginnt. Vielleicht gibt es interessante Fortbildungen – ein paar Stunden oder ein mehrtägiger Kongress. Oder der Bote bringt die Fachzeitungen vorbei, irgendwann sind alle Kolleginnen damit durch und es macht nichts, wenn sie außer Haus sind.
Ferne Zukunft?
Für uns noch etwas abstrus, in Amerika schon gängige Praxis: der „Mental Health Day“. Wer sich dem Stress nicht mehr gewachsen fühlt, meldet sich VOR dem absoluten Aus einen Tag zwischendurch krank. In psychisch schwierigen persönlichen Phasen, wenn man sowieso mit den Gedanken nicht bei der Arbeit ist, gestattet man sich eine Miniauszeit, um sich innerlich zu ordnen. Auch als Arbeitgeber sollten Sie von sich aus die Betroffene nach Hause schicken, wenn Sie wahrnehmen, dass es ihr gerade schlecht geht. |
Ute Jürgens ist Kommunikationstrainerin mit Spezialisierung auf die Heilberufler, Dipl. Erwachsenenpädagogin und PTA, www.kommed-coaching.de
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