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Zwei Schritte vor und einen zurück

Rika Rausch, Redakteurin der DAZ

Im März ist es so weit: Cannabis als Medizin wird keine Ausnahme mehr sein und in der Regel erstattet werden. Das im Mai 2016 auf den Weg gebrachte „Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ hat mittlerweile alle relevanten Instanzen passiert und wartet nur noch auf die Unterschrift des Bundespräsidenten (mehr dazu ab S. 48).

Bis heute haben über 1000 Patienten eine Ausnahmegenehmigung zur medizinischen Anwendung von Cannabis beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erwirkt. Viele von ihnen konnten sich die Therapie bei einem Preis von etwa 18 Euro pro Gramm Blüten aber schlichtweg nicht leisten. Als Betroffene auf Eigenanbau klagten, wurde das Thema dringlich – noch dringlicher, nachdem das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig im April 2016 erstmals einem Patienten diesen Wunsch gewährte. Damit in Deutschlands Badewannen keine Hanfpflanzen wuchern, war schleunigst ein neues Gesetz nötig, das den Umgang mit Cannabis zurechtstutzt. Die Ausnahme­regelung wurde gekippt und der Weg frei gemacht für eine Verlegenheitslösung.

Das Bundesministerium für Gesundheit fasst die Neuerungen zu Cannabis als Medizin knackig zusammen: für schwer Erkrankte, auf ärztliche Verschreibung, in kontrollierter Qualität, aus Apotheken, mit Erstattungsmöglichkeit. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, die das nun beschlossene Gesetz vor zwei Jahren angekündigt hatte, sieht in der Möglichkeit, Medizinalcannabis in der ärztlichen Praxis einsetzen zu können, einen großen Schritt und ein Beispiel für eine moderne Gesundheitspolitik. Im Sinne der Arzneimitteltherapie ist es wohl eher eine Entwicklung zurück zu den Wurzeln bzw. Blüten ...

Erstmals wird in Deutschland ohne die Sicherheit einer arzneimittelrechtlichen Zulassung die Erstattungsfähigkeit hergestellt. Die Verordnung von Cannabis-Blüten hält gleich mehrere Stolpersteine bereit. Zunächst einmal sprechen wir hier von einer Arzneipflanze, deren Gehalt an wirksamen Inhaltsstoffen zwar durch die Kultivierung gesteuert, aber nicht hundertprozentig definiert werden kann. Das ist aber mit Blick auf das BtM-Rezept wohl auch vorerst nicht nötig: Hier ist allein das Gewicht der Blüten für die Höchstmenge ausschlaggebend, nicht aber der THC-Gehalt. Raum für Spekulationen bietet auch die Anwendung der Blüten. Das Rauchen eines Joints oder das Backen eines Kekses scheint nach Einschalten unseres pharmazeutischen Sachverstandes jedenfalls keine Option zu sein. Tee ist auch keine Lösung, weil Cannabinoide nicht wasserlöslich sind. Mit einem Schuss Sahne sollte es jedoch klappen. Da bekommt „Cannabis-Rezept“ eine ganz neue Bedeutung. Die Hoffnungen ruhen nun auf den Ideen der Kommission Deutscher Arzneimittel­codex/Neues Rezepturformularium (DAC/NRF), die Rezepturvorschriften zur pharmazeutisch korrekten Anwendung und Dosierung von Cannabis-Blüten und -Extrakten angekündigt hat, uns dazu bis Redak­tionsschluss aber nichts verraten wollte.

Kein Geheimnis dagegen ist, dass im Gesetz ausdrücklich auf die Angabe von Indikationen für Cannabis-Blüten verzichtet wurde – anders als bei den beiden in Deutschland zugelassenen Fertigarzneimitteln: Droht bei deren Off-label-Use Ärger mit der Krankenkasse? Das wäre schon ein starkes Stück, wenn man einem Ausgangsstoff den Vorzug vor einem Arzneimittel nach bestehenden arzneimittelrechtlichen Standards geben würde.

Für den Augenblick bleibt festzuhalten: Mit dem Gesetz werden zwei Schritte nach vorn gemacht, indem schwerkranken Patienten eine weitere Therapieoption zur Linderung ihrer Leiden zur Verfügung steht. Im Sinne der Arzneimitteltherapiesicherheit geht es allerdings einen Schritt zurück. So treten wir im Pilgerschritt einen Lernprozess an, Arzneimittelfachleute sollten darin die Führung übernehmen.

Rika Rausch

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