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GKV-Spitzenverband: Keine Sanktionen gegen DocMorris und EAV
Stackelberg: Rahmenvertragliche Regeln sind nach EuGH-Urteil europarechtskonform auszulegen
Der Rahmenvertrag nach § 129 SGB V bestimmt unter anderem, dass ausländische Versandapotheken, die dem Vertrag beigetreten sind, in Deutschland in der Lauer-Taxe als preisgebunden ausgewiesene Fertigarzneimittel zulasten der Kassen abrechnen können und dafür „die Preisvorschriften nach § 78 Arzneimittelgesetz sowie § 7 Heilmittelwerbegesetz (sog. Rabattverbot)“ gelten. Der erwähnte § 78 AMG ist die Grundlage für die Arzneimittelpreisverordnung. Er stellt zudem klar, dass die deutschen Preisregelungen auch für ausländische Versender gelten, wenn sie Arzneimittel nach Deutschland liefern. Diese letzte Regelung hat der EuGH jedoch bekanntlich als nicht gerechtfertigten Eingriff in den freien Warenverkehr befunden. Doch was ist mit der vertraglichen Regelung, zu der sich beigetretene EU-Versender bekannt haben? Experten auf Apothekerseite sind nun der Meinung, dass die ausländischen Versender nicht mehr am Rahmenvertrag teilhaben dürften, weil sie gegen genau diesen Passus verstoßen. Um DocMorris und die EAV aus dem Vertrag auszuschließen, müssten aber beide Vertragspartner zustimmen – DAV und GKV-Spitzenverband. Mehrere Apotheker haben den Kassenverband bereits aufgefordert einen Ausschluss zu veranlassen. Doch dazu ist der Spitzenverband nicht bereit. Gegenüber DAZ.online sagte der stellvertretende Vorsitzende Johann-Magnus von Stackelberg: „Der GKV-Spitzenverband wird ausländische Versandapotheken, die Boni an ihre Kunden ausschütten, nicht sanktionieren. Gerade weil der EuGH Boni als nahezu einziges Instrument für ausländische Versandapotheken einstuft, um im Wettbewerb mit Präsenzapotheken in Deutschland bestehen zu können, sehen wir keine Basis für Sanktionen. Im Gegenteil – ein solcher Schritt würde dem Ziel der EuGH-Richter für Wettbewerb zwischen Versand- und Präsenzapotheken zu sorgen, geradezu entgegenstehen.“
Ball liegt beim Gesetzgeber
Vielmehr sehen die Kassen den Ball nun im Feld des Gesetzgebers. Von Stackelberg zufolge sollte zunächst gesetzlich geklärt werden, wie man mit dem EuGH-Urteil umgeht, um dann Auswirkungen auf den Rahmenvertrag zu diskutieren. Von Stackelberg wörtlich: „Der Gesetzgeber wird zeitnah entscheiden müssen, welche Leitplanken er nach dem EuGH-Urteil im Sozialgesetzbuch setzen will. Danach wird sich zeigen, ob und wenn ja wie der Rahmenvertrag zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Apothekerschaft anzupassen ist. Für uns bleibt es bei der Aussage: Den Versandhandel im digitalen Zeitalter komplett verbieten zu wollen, geht an den Verbraucherbedürfnissen vorbei.“
In einem Schreiben an die Apotheker, das der DAZ vorliegt, erklärt von Stackelberg die rechtliche Position seines Verbandes genauer: „Unseres Erachtens verstößt die Bonusgewährung der beiden EU-Versandhandelsapotheken nicht gegen den Rahmenvertrag. Zwar bestimmt dieser, dass die Gewährung von Boni bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel nicht zulässig ist. Allerdings hat der EuGH erkannt, dass das Verbot der Gewährung von Boni nicht mit dem Europarecht im Einklang steht (Warenverkehrsfreiheit).“ Man wolle nichts verbieten, was der EuGH zuvor ausdrücklich erlaubt habe, heißt es weiter. Daher sei der Rahmenvertrag für die Krankenkassen nach dem EuGH-Urteil europarechtskonform auszulegen. Das heißt für den Verband: Rx-Boni verstoßen nicht gegen den Vertrag und Sanktionen sind damit nicht möglich.
Herstellerabschlagspflicht besteht fort
Auch an die Adresse der Hersteller, die bezweifeln, dass sie jetzt noch Herstellerabschläge an DocMorris und die EAV zu begleichen haben, hat Stackelberg eine klare Botschaft: „Die Herstellerabschlagspflicht der pharmazeutischen Unternehmer besteht auch im grenzüberschreitenden Versandhandel hiervon unberührt fort.“ Kohlpharma hatte kürzlich Klage gegen die beiden großen EU-Versandapotheken eingelegt, weil das Unternehmen dies anders sieht. Doch von Stackelberg erklärt, entscheidend sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass die europäischen Versandapotheken „durch die Ausgestaltung ihres Vertriebs für die Anwendbarkeit des deutschen Preisrechts und damit auch für das Eingreifen der Bestimmungen über den Herstellerrabatt sorgen“. Das machten beide EU-Versandapotheken bereits seit ihrem Beitritt zum Rahmenvertrag im Jahr 2010. Und daran hielten sie – mit Ausnahme der Gewährung von Boni – auch nach dem Urteil des EuGH fest. „Sie rechnen unserer Kenntnis nach gegenüber den Krankenkassen auf Basis der AMPreisV ab“.
Allerdings räumt der GKV-Spitzenverband ein, dass eine gesetzliche Klarstellung, dass der Herstellerabschlag auch für im grenzüberschreitenden Versandhandel vertriebene verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt, „nach wie vor hohe Priorität“ habe. Der Anspruch der Krankenkassen auf den Abschlag und die Pflicht der Hersteller zur Zahlung des Abschlags könne nicht davon abhängen, ob die Packung zufällig über eine deutsche Apotheke oder eine Apotheke mit Sitz im Ausland ihren Weg zum Patienten in Deutschland finde.
Nun heißt es weiter abwarten. Denn alle Argumente des GKV-Spitzenverbands würden hinfällig, kann sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe mit seinem Plan durchsetzen, den Versand verschreibungspflichtiger Arzneimittel ganz zu verbieten. |
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