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Unterstützung für Rx-Versandverbot

SPD-Fraktion im NRW-Landtag für Gröhes Pläne – EU-Kommissar: Verbot ist rechtlich möglich

BERLIN (ks/bro) | Die SPD-Bundestagsfraktion leistet weiterhin Widerstand gegen den von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vorgelegten Gesetzentwurf für das Rx-Versandverbot. Dennoch gibt es keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. So unterstützen die Sozialdemokraten im bevölkerungsreichsten Bundesland – Nordrhein-Westfalen – Gröhes Pläne. Und rechtliche Rückendeckung gibt es vom EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis.
Foto: Imago
EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis sieht keine europarechtlichen Gründe, die gegen ein Versandverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel sprechen.

Die Strippen der Gesundheitspolitik werden im Wesentlichen im Bund gezogen. Dennoch machen sich auch Landespolitiker Gedanken über gesundheitspolitische Fragen. Vor allem, wenn es um die direkt spürbare Versorgung der Menschen vor Ort geht. Schon kurz nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Preisbindung im grenzüberschreitenden Arzneimittelversandhandel meldeten sich Stimmen zu Wort, die Gefahren für die deutschen Vor-Ort-Apotheken sahen: Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) war eine der ersten, die das Rx-Versandverbot forderten. Barbara Steffens (Grüne), Gesundheitsministerin in NRW, unterstützte die von Huml angestoßene Bundesrats­initiative ebenso wie ihre niedersächsische Kollegin Cornelia Rundt (SPD).

Nun erklärte auch der sozialpolitische Sprecher der NRW-SPD-Landtagsfraktion, Michael Scheffler, im Interview mit DAZ.online: „Wir unterstützen die Bemühungen des Bundesgesundheitsministeriums, nach dem EuGH-Urteil die Apotheke vor Ort zu schützen und den Rx-Versandhandel zu verbieten“. Für ihn sprechen zwei wichtige Punkte gegen den Rx-Versand: Zum einen sei die Arzneimittelberatung bei Rx-Arzneien noch wichtiger als im OTC-Bereich. „Im Versandhandel ist diese Beratung aus unserer Sicht schlichtweg nicht gewährleistet.“ Zum anderen sei jede Apotheke vor Ort ein wichtiger Bestandteil der Infrastruktur. Scheffler: „Apotheker bieten Notdienste an, liefern Medikamente auch nach Ladenschluss im Notfall per Botendienst aus. Eine solche Präsenz kann der Versandhandel niemals zeigen.“

Das Argument der Versandapotheken, der Rx-Versand bestehe nun schon 13 Jahre, ohne dass es Versorgungsprobleme gebe, wies Scheffler zurück. Durch das EuGH-Urteil habe sich die Marktlage schließlich verändert. Dass die Versandapotheken das Verbot nicht begrüßen, sei klar. Doch der Versandhandelsmarkt sei auf einige wenige Anbieter verteilt – von diesen könne man erwarten, dass sie sich dann andere Umsatzfelder erschließen.

Dass in der SPD-Bundestagsfraktion (noch) eine andere Auffassung vorherrscht, sieht Scheffler gelassen. Karl Lauterbach habe inzwischen Wege aufgezeigt, wie das Verbot trotzdem auf den Weg gebracht werden könne. „Ich glaube, da ist jetzt Bewegung drin. Wir stehen im regen Meinungsaustausch mit unseren Kollegen in Berlin“. Schon bald kämen wieder alle SPD-Gesundheitspolitiker zu einer Tagung zusammen, so der Landespolitiker. „Wir werden unsere Position zum Versandhandel dann klar vertreten.“

EU-Kommissar: Mitgliedstaaten dürfen Rx-Versand verbieten

Während innenpolitisch weiter um das Versandverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel gerungen wird, machte EU-Gesundheitskommissar Andriukaitis im Interview mit DAZ.online klar, dass europarechtlich grundsätzlich nichts dagegen spricht. Erst kürzlich war der aus Litauen stammende Kommissar in Berlin. Er war Gast im Gesundheitsausschuss des Bundes­tages und traf sich mit Minister Gröhe. Schon im Bundestag hatte Andriukaitis das Thema Rx-Versandverbot kurz angerissen und gesagt, es sei legitim, bei Problemen über eine solche Lösung nachzudenken.

Gegenüber DAZ.online wurde der EU-Kommissar nun etwas deutlicher: „Die europäische Gesetzgebung sieht es ausdrücklich vor, dass jeder Mitgliedstaat das Recht hat, den Online-Verkauf von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Online-Apotheken zu verbieten.“ Er fügte aber hinzu: „Allerdings sollte ein solches Verbot (mit Blick auf die Europäischen Verträge) dadurch gerechtfertigt sein, dass damit Menschenleben geschützt werden. Außerdem muss es mit der Rechtsprechung des EuGH übereinstimmen.“ Diese Botschaft ist im Bundesgesundheitsministerium bereits angekommen. Hier hat man schon die Begründung des Gesetzentwurfs nachgebessert und dabei ausdrücklich auf den Schutz der Gesundheit abgehoben.

Mehr auf DAZ.online

Das vollständige Interview mit Michael Scheffler finden Sie auf DAZ.online durch Eingabe des Webcodes W8JD8 in die Suchmaske. Das Interview mit EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis finden Sie über den Webcode G4SN6.

Versandverbot und EuGH-Urteil separat betrachten

Andriukaitis unterstrich gegenüber DAZ.online ferner, dass das Rx-Versandverbot nichts mit dem EuGH-Verfahren zur Rx-Preisbindung zu tun habe und „separat“ betrachtet werden müsse.

Angesprochen auf das EU-Notifizierungsverfahren, das zu durchlaufen ist, wenn sich die Große Koalition auf einen Gesetzentwurf einigen sollte, sagte der Kommissar, dass das Verfahren eine präventive Maßnahme sei, um das ungehinderte Funktionieren des Binnenmarktes sicherzustellen. Nicht äußern wollte sich der EU-Kommissar zu der Frage, wie sich die EU-Kommission im Falle eines Notifizierungsverfahrens verhalten würde. Sie kann zu dem von Deutschland vorgelegten Gesetzentwurf Stellung nehmen – ebenso die anderen Mitgliedstaaten. Ebenso wenig wollte er kommentieren, ob er anderen EU-Staaten empfehlen würde, gegen das Rx-Versandverbot zu protestieren. |

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