Aus den Ländern

Sauberes Wissen und evidenzbasierte Informationen für Arzt und Patient

5. Kongress für Arzneimittelinformation in Köln

KÖLN (ck) | Zunehmende Multimedikation bei immer älter werdenden Patienten, eine Fülle an immer und überall zugänglichen Informationen, der steigende Kostendruck – all das zwingt dazu, gut informiert und evidenzbasiert zu entscheiden. Wie das möglich ist und wie Apotheker fit werden als Wissensmanager für Ärzte und Patienten war Thema auf dem Kongresses für Arzneimittelinformation.
Foto: DAZ/ck
Dr. Cornelia Vetter-Kerckhoff wünschte sich, dass jeder Teilnehmer vom Kongress für Arzneimittelinformation eine konkrete Idee mit nach Hause nimmt und diese umsetzt.

Dr. Cornelia Vetter-Kerckhoff, Mitglied im ADKA-Ausschuss für Arzneimittelinformation, wies in ihrer Eröffnung darauf hin, dass Arzneimittelinformation zu den zentralen klinisch-pharmazeutischen Dienstleistungen gehört. Orientiert man sich an der Leitlinie der ADKA „Arzneimittelinformation aus der Krankenhausapotheke“, so wird deutlich, dass Pharmazeuten das Handwerkszeug besitzen, zum bestmöglichen Nutzen der Arzneimitteltherapie für den Patienten beizutragen – und um einen pharmazeutischen Mehrwert zu erzeugen. Evidenz mit klinischen Aktivitäten so zu verknüpfen, so dass Patienten besser behandelt werden und sogar ein finanzieller Mehrwert generiert werden kann – das gelinge anderen Berufsgruppen nicht. Allerdings sei es zwingend notwendig, so Vetter-Kerckhoff, dass Pharmazeuten dem Arzt konkrete Empfehlungen geben, die im klinischen Alltag umgesetzt werden können. Ihr Wunsch an die Politik: Arzneimittelinformation als einen Qualitätsindikator anzuerkennen, der im Wettbewerb um Effizienz im Gesundheitssystem als ein Wettbewerbsvorteil für Krankenhäuser genutzt werden kann. Auch Dr. Anne Dwenger vom Bundesministerium für Gesundheit betonte in ihrem Grußwort, wie wichtig „Arzneimittelinformation“ ist. In dem Überfluss an Informationen, in dem Patienten und auch Heilberufler fast ertrinken, ist es umso wichtiger, dass es Fachleute gibt, die sich damit auseinandersetzen, sich auskennen und eine Expertise entwickeln, die sie teilen und interdisziplinär weitergeben.

Fotos: Andreas Lepach
Ob im Saal, in den Seminaren oder in der Posterausstellung – über 400 Apotheker aus Krankenhaus- und öffentlichen Apotheken waren im Maternushaus in Köln dabei und erlebten spannende Referenten.

Leitlinien zur Orientierung

Als Basis einer evidenzbasierten Medizin gelten Leitlinien, die unter der Federführung wissenschaftlicher medizinischer Fachgesellschaften erstellt werden. 175 dieser Fachgesellschaften sind in der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zusammengeschlossen, die Dr. med. Monika Nothacker vorstellte. Seit 2011 enthalten klinische Leitlinien laut Definition Handlungsempfehlungen, die dazu dienen, die Patientenversorgung zu verbessern. Diese werden auf der Basis eines systematischen Reviews der Evidenz und einer transparenten Abwägung von Nutzen und Schaden der vorhandenen Handlungsoptionen formuliert. Nothacker betonte ausdrücklich, wie sehr sie es begrüßen würde, wenn sich Apotheker mit ihrem Sachverstand und Wissen verstärkt in die Entwicklung von Leitlinien einbringen würden. Eine der ganz wenigen Leitlinien, an denen Apotheker beteiligt sind, ist die Nationale Versorgungsleitlinie Asthma.

Arzneimittelinformation weiterentwickeln

Dr. Dorothea Strobach, Apotheke des Klinikums der Universität München, Campus Großhadern, wies darauf hin, dass schon in der Ausbildung eine Befähigung zur evidenzbasierten Medizin thematisiert werden sollte. Die Studenten zum wissenschaftlichen Arbeiten zu befähigen, ist eine Hauptaufgabe der Universitäten: Wie formuliert man Fragen exakt, wie recherchiert man effektiv, wie analysiert und bewertet man kritisch wissenschaftliche Literatur, wie bearbeitet man strukturiert Fragen zur Arzneimittelinformation und wie wendet man vorhandene Informationen auf die klinische Situation an? Die Bedeutung von AMTS, Spezialisierungen und Pharmakoökonomie nimmt zu – und damit auch die Anforderungen an einen „Drug Information Service“. Die zur Verfügung stehende Zeit wird immer knapper, das Ausmaß publizierter Literatur nimmt ebenso zu wie die Einflussnahme durch Informationen der Industrie. Interprofessionelle Expertise für unabhängige und patientenindividuelle Arzneimittelinformation ist mehr denn je gefragt und muss strategisch weiterentwickelt werden.

Nur ein aktualisierter Medikationsplan ist ein guter Plan

Prof. Dr. Martin Schulz, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK), berichtete von den ersten Erfahrungen mit dem interdisziplinären Medikationsmanagement. Es baut auf einer Medikationsanalyse auf, an die sich eine kontinuierliche Betreuung des Patienten durch ein multidisziplinäres Team anschließt. Nur so können vereinbarte Maßnahmen nachverfolgt sowie gegebenenfalls angepasst werden. Das Ziel sei dabei, die Effektivität der Arzneimitteltherapie fortlaufend und nachhaltig zu erhöhen und Arzneimittelrisiken zu minimieren. Die ersten Ergebnisse und Erfahrungen aus laufenden Projekten wie ARMIN, PRIMA und PHARM-CHF zeigen, dass neben den fachlichen Herausforderungen vor allem die Kommunikation eine große Aufgabe ist. So sind Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Informationsquellen (Arzt, Apotheker, Patient) die Regel, der Austausch der Informationen funktioniere nur unzureichend. Der häufigste Fall ist, dass der Patient ein nicht bekanntes oder nicht dokumentiertes Arzneimittel nimmt. Je älter der Patient, je mehr Arzneimittel er einnimmt und je mehr Verordner involviert sind, umso größer wird die Diskrepanz. Als Hauptgründe sieht Schulz das Fehlen von Medikationslisten beim Hausarzt, eine mangelnde Organisation und Dokumentation. Bei ARMIN steht daher an erster Stelle ein aktueller, vollständiger, auf potenzielle Risiken geprüfter, zwischen den Heilberufen abgestimmter sowie (vollständig) elektronisch erstellter und gepflegter Medikationsplan, der für den Patienten verständlich ist! Aus der praktischen Umsetzung aller bisheriger Projekte betont Schulz die Erfahrung, dass eine strukturierte Kommunikation und ein strukturierter Informationsfluss zwischen den Heilberufen das A und O sind. Abläufe, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten müssen klar geregelt und abgegrenzt sein. Bei der Kommunikation der Apotheke mit dem Arzt bzw. dem Krankenhaus gelte: so wenig wie nötig und immer mit Einverständnis des Patienten.

Medikationsplan ja! Aber bitte elektronisch!

Seit 1. Oktober 2016 haben Versicherte Anspruch auf den bundeseinheitlichen Medikationsplan, wenn sie mindestens drei systemisch wirkende Arzneimittel über mindestens 28 Tage einnehmen. Im Vorfeld wurde im Januar 2015 im Auftrag des BMG ein Test in der Modellregion Erfurt gestartet, um erste Erfahrungen mit dem Medikationsplan zu sammeln. Danny Brell von der Krankenhausapotheke am Helios Klinikum Erfurt berichtete über die Akzeptanz und Praktikabilität des Medikationsplanes in dem Modellversuch. Eingeschlossen wurden 161 Patienten, zwölf Hausärzte, 15 Apotheken sowie das Helios Klinikum Erfurt. Die Patienten bekamen in der Klinik oder Arztpraxis einen Medikationsplan ausgestellt, eine zwölfmonatige Nachbetreuung schloss sich an. Bei jedem Besuch eines Projektpartners wurde der Medikationsplan in Papierformat vorgelegt. Es gab keine zentrale Datenspeicherung des Medikationsplans. Daher mussten die Projektpartner immer den Plan einscannen, aktualisieren und ausdrucken, dem Patienten erklären sowie den „alten“ Plan vernichten. Deutlich wurde, so Brell, dass die Patienten den Medikationsplan akzeptieren, ihn im Alltag verwenden und sich bei der Einnahme ihrer Medikation sicherer fühlen. Alle Beteiligten – Hausärzte, Klinikärzte und Apotheken – sehen den Nutzen eines gemeinsam verwendeten Medikationsplanes. Aber er müsse elektronisch verfügbar sein, zentral gespeichert werden, und der Zeitaufwand muss in den Praxis­alltag passen.

Posterpreis

Die sechsköpfige Posterjury hatte die Qual der Wahl bei der Vergabe des mit 4000 Euro dotierten Preises: 50 Poster wurden eingereicht und präsentiert. Der von der Firma Puren gestiftete Preis wurde in diesem Jahr geteilt. Aus der Kategorie „Wissenschaftliche Poster“ wurde Tanja Mayer, Universität Heidelberg, prämiert, aus der Kategorie „Best Practice Poster“ erhielt Katharina Ilting-Reuke vom Universitätsklinikum Münster den Posterpreis.

Foto: DAZ/ck
Herzlichen Glückwunsch! (v. l.) Michael Reichardt (Firma Puren), Preisträgerin Tanja Mayer, Rudolf Bernard (Präsident der ADKA), Preisträgerin Katharina Ilting-Reuke und Dr. Dorothea Strobach (Apotheke des Klinikums der Universität München) als Mitglied der Posterjury.

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