Arzneimittel und Therapie

Influenza-Impfstoff ist suboptimal

Zur Impfung wird trotzdem auch jetzt noch geraten

du | Derzeit erschüttert eine besonders heftige Grippewelle die Bundesrepublik Deutschland. Schon im Dezember 2016 war die Influenza-Aktivität deutlich stärker als in den Vergleichsmonaten der Vorjahre. Die weitere Entwicklung scheint den Verdacht auf eine besonders heftige Influenza-Saison zu bestätigen. Galt bislang noch, dass die zirkulierenden Erreger durch den diesjährigen Impfstoff gut erfasst werden, sorgen nun neue Subtypen von Influenza A (H3N2) für Beunruhigung.

Die Grippewelle rollt. Seit der 40. Meldewoche 2016 sind dem Robert Koch-Institut (RKI) 27 403 labordiagnostische Influenza-Infektionen gemeldet worden. 85 Influenza-bedingte Todesfälle wurden übermittelt. Influenza-A(H3N2)-Viren dominieren mit über 96% der identifizierten Influenza-Viren das Geschehen. Wie Dr. Susanne Glasmacher, Pressesprecherin des RKI, auf Anfrage bestätigte, werden sie jedoch nicht vollständig durch den saisonalen Influenza-Impfstoff abgedeckt. Nur 25% zählen zu der 3C.2a-Gruppe mit dem in den saisonalen Impfstoffen enthaltenen Referenzvirus Stamm A/HongKong/4801/2014 (H3N2). 75% der derzeit zirkulierenden H3N2-Viren werden einer neuen, nicht im Impfstoff enthaltenen Gruppe zugeordnet, den 3C.2a1-Viren mit dem Referenzvirus Stamm A/Bolzano/7/2016(H3N2). Damit wird klar, dass die saisonalen Impfstoffe in vielen Fällen nur suboptimal wirken können. Daten aus Skandinavien legen nahe, dass durch die diesjährige Impfung nur 25 bis 30% der über 60-jährigen Geimpften vor einer Influenza-Infektion geschützt sind. Bei Übereinstimmung mit dem zirkulierenden Erregerspektrum liegt der Schutz zwischen 40 und 60%.

Fotos: RKI
Die Grippewelle rollt. Influenzaaktivität ab Woche 51/2016 bis 4/2017 (v.l.n.r): blau (normal) über grün, gelb bis rot (stark erhöht).

Milderer Verlauf?

Ungeachtet dessen wird auch jetzt noch insbesondere allen nicht geimpften über 60-Jährigen zur Impfung geraten. Denn, so Glasmacher: „Die Grippewelle wird in zwei Wochen nicht vorbei sein!“ So lange dauert es, bis sich der Schutz gegen Influenza-Viren aufgebaut hat. Auch wenn dann eine Infektion mit im Impfstoff nicht enthaltenen Subtypen erfolgt, sollen Geimpfte von einem milderen Verlauf profitieren. Das RKI verweist dabei unter anderem auf eine 2014 veröffentlichte Studie, nach der vor allem bei 65-Jährigen nach Impfung die Symptomatik schwächer ausgeprägt war. Auch wenn in dieser Studie gefordert wird, weitere Studien zur Verifizierung des Ergebnisses durchzuführen, hofft man, dass nach der Impfung gefürchtete Komplikationen wie Pneumonien seltener auftreten.

Generell empfiehlt die STIKO die Influenza-Impfung unter anderem für alle über 60-Jährigen und für alle, die aufgrund einer chronischen Erkrankung einer besonderen gesundheitlichen Gefährdung unterliegen. In jedem Fall sollten Bewohner von Alten- und Pflegeheimen geimpft werden (s. Kasten „Wer gegen Influenza geimpft werden soll“). Das RKI weist noch einmal darauf hin, dass bei von H3N2-dominierten Grippewellen wie in diesem Jahr besonders Ältere und Hochbetagte von schweren Krankheitsverläufen betroffen sind.

Wer gegen Influenza geimpft werden soll

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Influenza-Impfung

  • für alle Personen ab 60 Jahre,
  • für alle Schwangeren ab dem 2. Trimenon, bei erhöhter gesund­heit­licher Gefährdung infolge eines Grund­leidens ab 1. Trimenon,
  • für Personen mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens (wie z. B. chronische Krankheiten der Atmungs­organe, Herz- oder Kreis­lauf­krank­heiten, Leber- oder Nierenkrankheiten, Diabetes oder andere Stoff­wechsel­krank­heiten, chronische neurologische Grundkrankheiten wie z. B. Multiple Sklerose mit durch Infektionen getriggerten Schüben, angeborene oder erworbene Immundefizienz oder HIV),
  • für Bewohner von Alters- oder Pflegeheimen sowie
  • für Personen, die als mögliche Infektionsquelle im selben Haushalt lebende oder von ihnen betreute Risikopersonen gefährden können. Als Risikopersonen gelten hierbei Personengruppen mit Grundkrankheiten, bei denen es Hinweise auf eine deutlich reduzierte Wirksamkeit der Influenza-Impfung gibt, wie z. B. Personen mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz oder Personen mit angeborener oder erworbener Immundefizienz bzw. -suppression.

Außerdem sollten im Rahmen eines erhöhten beruflichen Risikos geimpft werden:

  • Personen mit erhöhter Gefährdung (z. B. medizinisches Personal),
  • Personen in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr,
  • Personen, die als mögliche Infektionsquelle für von ihnen betreute Risikopersonen fungieren können.

Oseltamivir und Co. eine Option

Treten Influenza-Symptome auf, wird auch der zeitgerechte Einsatz der Neuraminidase-Hemmer Oseltamivir und Zanamivir empfohlen, und zwar nicht nur bei Ungeimpften, sondern wegen der suboptimalen Schutzwirkung des Impfstoffs auch bei Geimpften. Das sollte idealerweise innerhalb der ersten 48 Stunden nach Auftreten der Symptome geschehen. Auch eine Postexpositionsprophylaxe für Hochrisikopatienten ist in Erwägung zu ziehen.

Hygieneregeln beachten

Da die Impfung keinen 100%igen Schutz bietet, sind sowohl Geimpften wie Ungeimpften allgemeine Hygieneregeln ans Herz zu legen. Dazu zählt an erster Stelle das richtige Händewaschen: nass machen, rundum über 20 bis 30 Sekunden einseifen, gründlich abwaschen, sorgfältig abtrocknen.

Wer sich eine Erkältung oder eine Influenza-Infektion zugezogen hat, kann seine Mitmenschen schützen, indem er in ein Einmaltaschentuch oder die Armbeuge hustet oder niest. |

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