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Therapien im Gespräch
Die Methadon-Story
Wie mit dem Hoffnungsträger in der Krebstherapie umgegangen werden kann
Anders als bei vielen anderen Berichten über Wunderheilungen bei Krebs gibt es in Sachen Methadon-Therapie tatsächlich eine durch experimentelle Arbeiten untermauerte Hypothese. Danach kann DL-Methadon (nicht L-Methadon!) über Bindung an Opioid-Rezeptoren auf Tumorzellen die Zelle in den programmierten Zelltod treiben. Das gelingt umso besser, je mehr Opioid-Rezeptoren auf der Zelloberfläche präsentiert werden. Jetzt kommen Strahlen-Therapie und Zytostatika mit ins Spiel: Sie können die Opioid-Rezeptorendichte auf den Tumorzellen erhöhen und damit die Methadon-Wirkung verstärken. Darüber hinaus soll die Methadon-Bindung an den Opioid-Rezeptor wie ein Türöffner für Zytostatika wirken, so dass diese verstärkt in die Tumorzelle eindringen können. Doch damit nicht genug: Auch dem Problem der Zytostatika-Resistenz, verursacht durch verstärktes Ausschleusen der Substanzen, soll Methadon entgegenwirken. Alles in allem wird die Tumorzelle damit verstärkt Zytostatika ausgesetzt und zudem über Methadon zusätzlich zerstört.
Klinische Studien fehlen
All das wurde in In-vitro-Versuchen und im Tierversuch am Institut für Rechtsmedizin der Universität Ulm von Dr. Claudia Friesen und ihrem Team gezeigt. Dabei handelte es sich zunächst um Zufallsbefunde.
Zufallsbefunde
Dass tatsächlich Tumorpatienten mit infauster Prognose von Methadon profitieren, war ebenfalls ein Zufallsbefund. Das hebt der Palliativmediziner Dr. Hans-Jörg Hilscher im Interview in DAZ Nr. 26, S. 42 hervor: Er beobachtete, dass Glioblastompatienten, die er wegen Schmerzen mit Methadon behandelt hatte, deutlich länger lebten als erwartet. Eine Erklärung dafür fand er in den Arbeiten von Dr. Friesen. Seitdem sammeln Friesen und Hilscher Daten und kämpfen darum, dass das Potenzial von Methadon weiter erforscht wird. Hilscher setzt in der Schmerztherapie von Tumorpatienten vor allem auf Methadon, weil es seiner Meinung nach am einfachsten zu handhaben und zudem noch sehr preiswert ist. Er betont, dass anders als in der Substitutionstherapie für die Schmerztherapie deutlich niedrigere Dosierungen reichen. Hilscher beginnt mit zweimal 10 Tropfen einer 1%igen Methadon-Lösung pro Tag und steigert bei Bedarf auf zweimal 25 bis zweimal 35 Tropfen (Rezeptur s. Kasten). In den Tabellen 1 und 2 ist das Vorgehen bei mit Morphin vorbehandelten und bei Opioid-naiven Patienten wiedergegeben.
Schmerzbehandlung mit Methadon
Methadon HCl 1%-Lösung zur Schmerztherapie - NRF-Rezeptur:
Methadonhydrochlorid 1,0 g
Kaliumsorbat 0,14 g
Wasserfreie Citronensäure 0,07 g
Gereinigtes Wasser zu 100,00 g
Aufbrauchfrist 6 Monate
Antiemese: 15 min vor Methadon-Gabe 5 bis 10 Tropfen Haloperidol mindestens über 2 bis 3 Wochen.
Bei unzureichender Antiemese und sonstiger Inappetenz: 8 bis 16 mg Dexamethason am Morgen
Umstellung von Morphin auf Methadon: Methadon-Dosisäquivalente zu Morphin (Tab. 1).
Beispiel: Patient erhält 3 × 60 mg Morphin = 180 mg Morphin/Tag. Interpolationsfaktor nach Tab. 1: 1:6 = 30 mg Methadon. Da 20 Tropfen 1%ige Methadon-Lösung = 10 mg Methadon entsprechen, erhält der Patient nun 2 × 30 Tropfen Methadon-Lsg 1%.
Morphin-Dosis |
Morphin zu Methadon |
Methadon-Dosis in % der Morphin-Dosis |
---|---|---|
< 100 mg |
3 zu 1 |
33,3 |
101 – 300 mg |
5 zu 1 |
20,0 |
301 – 600 mg |
10 zu 1 |
10 |
601 – 800 mg |
12 zu 1 |
8,3 |
801 – 1.000 mg |
15 zu 1 |
6,7 |
> 1.001 mg |
20 – 30 zu 1 |
5,0 – 3,3 |
Opioid-naive Patienten mit geringer Schmerzintensität: s. Tab. 2
Tag 1 |
morgens und abends |
5 Tropfen |
Tag 2 |
morgens und abends |
10 Tropfen |
Tag 3 |
morgens und abends |
15 Tropfen |
ab Tag 7 |
morgens und abends |
20 Tropfen |
Wenn 2 × 20 Tropfen gut vertragen werden, Steigerung auf 2 × 25 bis 2 × 35 Tropfen versuchen. |
Quelle: Hilscher HJ, Lux EA: Methadon - neben analgetischen auch antineoplastische Eigenschaften? Schmerzmedizin 2016; Nr. 32 S. 37
Fachgesellschaften warnen
Fachgesellschaften äußern sich sehr zurückhaltend und warnen vor Therapieversuchen außerhalb von klinischen Studien. Denn in der Tat fehlen prospektive klinische Studien, die eindeutig belegen, dass die Therapieerfolge tatsächlich dem Synergismus von Methadon und Zytostatika zu verdanken sind. Unter dem Druck der Öffentlichkeit sind jetzt sowohl in Heidelberg unter der Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Wick als auch am Universitätsklinikum Ulm unter Leitung von Prof. Dr. Thomas Seufferlein Studien geplant. Denn, so Seufferlein gegenüber der DAZ: „Um das Potenzial in der Krebstherapie beurteilen zu können, sind solche prospektiven randomisierten klinischen Studien bei unterschiedlichen Tumorentitäten zwingend erforderlich.“
Kontrahierungszwang
Ungeachtet der Vorbehalte verordnen zunehmend mehr Ärzte ihren Krebspatienten Methadon-Tropfen als Rezeptur. Es besteht Kontrahierungszwang, ein Versand des BtM-haltigen Rezepturarzneimittels ist nicht erlaubt. Die DAZ hat dazu folgende Tipps für die Praxis zusammengestellt:
Substitutions- versus Schmerztherapie: Methadon kann im Rahmen der Substitutionstherapie oder der Schmerzbehandlung verordnet werden. Wird es im Rahmen der Schmerzbehandlung eingesetzt, gelten die Regeln für eine normale BtM-Verordnung, nicht die Regeln der Substitutionsverordnung.
Off-label-Verordnung. Verordnen Ärzten ihren Tumorpatienten Methadon nicht zur Schmerzbehandlung, sondern zur Tumorbekämpfung, dann erfolgt diese Therapie off label unter der Verantwortung des Arztes. Der Apotheker muss jedoch bei Rezeptvorlage die Indikation nicht hinterfragen.
Verluste bei der Herstellung. Bei der Herstellung, Verarbeitung und Portionierung der Methadon-Lösung kann mit einem Schwund von bis zu 3% gerechnet werden. Höhere Verluste müssen dokumentiert und begründet werden.
Rezepturbesonderheiten. Anders als bei der Herstellung von Methadon zur Substitutionstherapie kann bei Rezepturen zur Schmerzbehandlung auf eine Viskositätserhöhung verzichtet werden (s. NRF-Rezeptur Methadon HCl 1%-Lösung zur Schmerztherapie).
L-Polamidon – eine Alternative? Für die antineoplastische Wirkung von Methadon muss Methadon als Racemat vorliegen. Levomethadon (L-Polamidon) ist keine Alternative.
Methaliq® – eine Alternative? Ist Methadon als Rezeptur verordnet, ist die Abgabe eines Fertigarzneimittels nicht zulässig. Zudem ist Methaliq® nur für die Substitutionstherapie zugelassen. (DAZ 26, S. 40; DAZ 32, S. 46) |
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