Aus den Ländern

Arzneimittel aus dem Drucker

Technologien sind da, aber sie werden nicht genutzt

BONN (hb) | Arzneimittel einfach aus dem 3D-Drucker, das könnte die Zukunft sein. Es ist auch schon möglich, wie bei einer Veranstaltung anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Forschungsvereinigung der Arzneimittel-Hersteller e. V. (FAH) am 29. November in Bonn zu erfahren war. Mit Spritam® hat die FDA im Herbst 2015 das erste Arzneimittel aus dem 3D-Drucker zu­gelassen. Dies war zwar der „Door-opener“ für die Technologie, aber weitere ­gedruckte Arzneimittel lassen bis dato auf sich warten.

Die pharmazeutische Technologin Dr. Maren Katherina Preis beschäftigt sich an der Abo Akademi im finnischen Turku mit der Entwicklung von Darreichungsformen mithilfe von 2D- und 3D-Druckern und mit den Einsatzmöglichkeiten von Drucktechnologien für pharmazeutische Zwecke. Sie betont die erheblichen Vorteile gegenüber herkömmlichen Herstellungsverfahren, allem voran die Möglichkeit, damit personalisierte Wirkstärken für verschiedene Patientengruppen oder auch einzelne Patienten zu erzeugen. Auch sehr geringe Wirkstärken lassen sich mit der Technologie ganz genau drucken, ebenso wie jedwede Muster. Als Beispiel nannte sie die Form eines Barcodes zur Identifizierung und Fälschungssicherung des Arzneimittels. Auch eine individuelle Herstellung „on demand“ hält sie für möglich, und zwar nicht nur in der Industrie, sondern eventuell auch in der Apotheke. Die Technologien seien da, sagte Preis, aber sie werden für Arzneimittel noch kaum genutzt. Die Zulassung von Spritam®, der ersten mittels 3D-Druck erzeugten Filmtablette, durch die FDA in den USA ist für sie ein großer Schritt, und sie ist überzeugt, dass in Zukunft noch mehr solche Produkte auf den Markt kommen werden.

Levetiracetam, eine dankbare Substanz für den 3D-Druck

Wie die Zulassung von Spritam® in den USA möglich wurde, beschrieb Prof. Dr. Niels Eckstein, Experte für Drug Regulatory Affairs an der Hochschule Kaiserslautern, Standort Pirmasens. Spritam® enthält das altbekannte Antikonvulsivum Levetiracetam. Der Wirkstoff ist sehr gut verträglich, und seine orale Bioverfügbarkeit liegt bei nahezu 100%. Die hohe Sicherheit und die guten pharmakokinetischen Eigenschaften machen ihn laut Eckstein zu einer „dankbaren Substanz“ für neue Technologien. Der 3D-Druck der Arzneiform erfolgt mithilfe der ZipDose-Technik über ein additives Fertigungsverfahren mit einem schichtweisen Aufbau. So entsteht eine Filmtablette mit einer hohen Porosität, die wiederum zu einer ultra­schnellen Zerfallszeit von etwa elf Sekunden führt – erstrebenswerte Eigenschaften für ein Antiepileptikum, so Eckstein.

Spritam® wurde für dieselben Wirkstärken (250 mg, 500 mg, 750 mg, 1000 mg) und Indikationen wie das Originalpräparat Keppra® zugelassen, jedoch nicht als Generikum, sondern über eine sogenannte New Drug Application (NDA), weil die beiden Arzneiformen nach Auslegung der FDA nicht gleichgesetzt werden konnten.

Für die Zulassung von Spritam® ­wurden mit der höchsten Wirkstärke zwei Vergleichsstudien gegen Keppra® durchgeführt, eine vergleichende Bioverfügbarkeitsstudie und eine zum Einfluss des Wasserkonsums. Wegen der linearen Pharmakokinetik konnten die Ergebnisse auf die niedrigeren Wirkstärken extrapoliert werden; auf weitere Bioäquivalenzstudien verzichtete die Behörde (sog. Biowaiver).

Hürden für die Zulassung

Während der 3D-Druck bei Medizinprodukten für personalisierte Implantate und Prothesen schon gang und gäbe ist, hat er bei Arzneimitteln noch einen weiten Weg vor sich, meinte Eckstein. Auch er hält die neue Technologie in vielerlei Hinsicht für vorteilhaft (siehe Tab.), sieht aber noch zahlreiche regulatorische Hürden. So ist seiner Meinung nach zu klären, wie personalisierte Herstellungsverfahren oder auch wechselnde Wirkstärken, die ihrerseits zu vielen wei­teren Parametern führen, validiert werden können. Außerdem müsse das Ganze mit den bestehenden arznei­mittelrechtlichen Vorschriften in Einklang gebracht werden.

Tab.: Vor- und Nachteile des 3D-Drucks von Arzneimitteln (nach Niels Eckstein).
Vorteile
Nachteile
  • Wirkstoffgehalt individualisierbar
  • kleine Stückzahl pro Produktionsvorgang möglich
  • Wirkstoffkombinationen möglich → interessant für die Behandlung von Krebs, Infektionskrankheiten oder Diabetes
  • Formen sind möglich, die vorher schwer oder gar nicht herstellbar waren → Zerfallsgeschwindigkeit könnte darüber gesteuert werden
  • Coating-Schritt könnte gespart werden
  • Druck vor Ort möglich (printing at point of care) → keine Lieferzeiten und rasche Fertigung
  • spart Platz, da Lagerung wegfällt
  • nicht für Massenproduktion geeignet
  • geringe Druckgeschwindigkeit → schlecht bei vielen Schichten, da sehr zeit- und somit kostenaufwendig
  • eventuell Nachbearbeitung notwendig
  • Qualitätsprobleme aufgrund der Temperatur möglich

Weder in den USA noch in der EU gibt es eine Guidance für Arznei­mittel, die mit 3D-Druck gefertigt werden, und die FDA plane auch keine, weil sie die Perspektive des 3D-Drucks in der Pharmaindustrie noch als fraglich ­ansehe, so Eckstein. Die FDA habe den Antragsteller engmaschig betreut, wie dies in den USA üblich, in der EU jedoch nur in Ausnahmefällen bei Arzneimitteln mit einem besonderen medizinischen Bedarf vorgesehen sei. |

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