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Arzneimittel und Therapie
AkdÄ warnt vor zu viel Vitamin D
Fallberichte zu Hypercalcämie sollen für Risiken einer unkontrollierten Einnahme sensibilisieren
Vitamin-D-Mangel ist gefürchtet. Denn bei unzureichender Versorgung drohen Knochenerkrankungen wie Osteoporose oder Rachitis. Das gilt als gesichert. Vitamin D soll jedoch ebenso vor Krebserkrankungen, Diabetes und Herzinfarkt schützen können, bei Asthma und multipler Sklerose helfen und auch noch das Immunsystem im Kampf gegen Erkältungserreger unterstützen. Und so greifen viele Menschen in Eigenregie „zur Sonne aus der Dose“, ohne dass jemals der Vitamin-D-Status geprüft und der tatsächliche Bedarf ermittelt worden ist. Dabei gilt nach wie vor: Bei Überdosierung von Vitamin D drohen schwere Nebenwirkungen.
Dramatische Nierenschäden
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) hat jetzt zwei Fallberichte zum Anlass genommen, um vor der hochdosierten unkontrollierten Einnahme vor allem von Vitamin-D-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln zu warnen [4].
Eine 78-jährige Patientin und ein 60-jähriger Patient hatten sich eigenständig Vitamin-D-haltige Präparate besorgt. Die ältere Dame hatte täglich Vitamin D3 in einer Dosierung von 10.000 IE pro Tag eingenommen, der 60-Jährige täglich 50.000 IE. Beide entwickelten ein akutes Nierenversagen bei ausgeprägter Hypercalcämie. Hinweise auf alternative Ursachen wie primärer Hyperparathyreoidismus, Sarkoidose oder eine Tumorerkrankung gab es laut Mitteilung der AkdÄ nicht.
Der Zustand der Patientin besserte sich unter forcierter diuretischer Therapie und peroraler Cortison-Gabe. Der Patient entwickelte schwere Komplikationen und trug eine dialysepflichtige Niereninsuffizienz davon (Nierenbiopsie: schwerer tubulärer Schaden mit Mikroverkalkungen, passend zu hypercalcämischer Schädigung).
800 IE/Tag reichen!
Die AkdÄ weist darauf hin, dass Vitamin D durch Aufrechterhaltung des physiologischen Calcium-Spiegels im Serum u. a. an der Knochengesundheit beteiligt ist. Vitamin-D-Mangel bei Erwachsenen könne zu Osteoporose und Osteomalazie führen [1]. Bei UV-Bestrahlung werden in der Haut Vorstufen gebildet, aus denen über Zwischenschritte in Leber und Nieren das eigentlich wirksame Calcitriol gebildet wird, so die AkdÄ. Wenn die endogene Produktion nicht ausreiche (z. B. bei mangelnder UV-Bestrahlung), könnten Colecalciferol (Vitamin D3) oder Ergocalciferol (Vitamin D2) oral eingenommen werden. Eine Dosierung von 800 IE/Tag reiche in der Regel aus [1]. Die Europäische Lebensmittelbehörde definiert für Heranwachsende und Erwachsene 4000 IE/Tag (100 µg/Tag) als sichere Obergrenze [2].
Sollten Dosierungen erforderlich sein, die 800 IE/Tag überschreiten, sollte dies unter ärztlicher Aufsicht und regelmäßiger Kontrolle des Vitamin-D-Status erfolgen, so die Forderung der AkdÄ. Positive Wirkungen von Vitamin D auf nichtskelettale Erkrankungen werden als überwiegend nicht belegt angesehen [3].
Grauzone NEM
Auch die AkdÄ verweist darauf, dass Vitamin-D-haltige Fertigarzneimittel mit einer Tagesdosis über 1000 IE verschreibungspflichtig sind.
In den von der AkdÄ geschilderten Fällen sind die hochdosierten Nahrungsergänzungsmittel (NEM) im Internet erworben worden. Hier werden auch hochdosierte ausländische Vitamin-D-Präparate angeboten.
Für in Deutschland vertriebene Vitamin-D-haltige Nahrungsergänzungsmittel gelten im Gegensatz zu Arzneimitteln keine Höchstmengen. Allerdings haben das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte klargestellt, dass bis zu einer Tagesdosis von 20 μg Vitamin D im Kontext der Ernährung/Nahrungsergänzung noch von einer ernährungsspezifischen beziehungsweise einer physiologischen Wirkung ausgegangen werden kann. Diese Dosis reiche in der Regel aus, um eine adäquate Vitamin-D-Versorgung (50 nmol 25-OH-D/l im Serum) sicherzustellen oder aufrechtzuerhalten. Präparate bis zu einer Tagesdosis von 20 μg Vitamin D können daher als Nahrungsergänzungsmittel gemäß § 1 der Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel (NemV) eingestuft werden. Allerdings nur, wenn alle lebensmittelrechtlichen Anforderungen erfüllt sind und die empfohlenen Anwendungsgebiete nicht eine Einstufung als Arzneimittel rechtfertigen [1]. Wird diese magische Grenze von 20 μg/Tag überschritten, ist zu prüfen, ob der NEM-Status rechtmäßig ist. Hier sind die zuständigen regionalen Überwachungsbehörden gefordert.
Arzt und Apotheker sind gefragt
Wegen der Risiken einer hochdosierten Vitamin-D-Einnahme rät die AkdÄ davon ab, eigenständig hochdosierte Vitamin-D-Präparate einzunehmen. Bei Fragen sollten sich Patienten an ihren Arzt oder Apotheker wenden. |
Quelle
[1] Gemeinsame Expertenkommission BVL /BfArM zur Einstufung von Stoffen: Stellungnahme zu Vitamin-D-haltigen Produkten (01/2016). Revision 1.1 (2017): http://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/01_Lebensmittel/expertenkommission/ Zweite_Stellungnahme_VitaminD_Revision1.1.pdf. Braunschweig 2017
[2] EFSA Panel on Dietetic Products, Nutrition and Allergies (NDA): Scientific opinon on the tolerable upper intake level of vitamin D. EFSA Journal 2012;10:2813
[3] Autier P, Mullie P, Macacu A et al. Effect of vitamin D supplementation on non-skeletal disorders: a systematic review of meta-analyses and randomised trials. Lancet Diabetes Endocrinol 2017;5:986-1004
[4] Hyperkalzämie durch Überdosierung von Vitamin D. Drug Safety Mail 2017-42 der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) vom 30. November 2017
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