Prävention

Licht am Ende des Tunnels?

Forschungsprojekte zur Prävention der Demenz

Bei der Therapie der Demenz beginnt derzeit ein Umdenken. Da die Erfolge einer krankheitsmodifizierenden Behandlung limitiert sind, setzen die Forscher bei der Entwicklung neuer Strategien und auch neuer Wirkstoffe derzeit vor allem auf die Prävention der Demenz und die vorbeugende Behandlung im präklinischen Stadium. Was konkret in dieser Hinsicht für die Zukunft zu erwarten ist, erläutert Prof. Dr. Richard Dodel.
Prof. Dr. Richard Dodel, Chefarzt der Klinik für Geriatrie am Geriatrie-Zentrum Haus Berge in Essen.

DAZ: Herr Professor Dodel, welche Strategien werden aktuell hinsichtlich der Demenz-Prävention verfolgt?

Dodel: Es werden derzeit praktisch keine Arzneimittel mehr entwickelt und keine neuen Studien mehr initiiert zur krankheitsmodifizierenden Therapie bei Patienten, die im Stadium der Demenz sind. Im Fokus steht vielmehr die Prävention, wobei sich hier das Augenmerk insbesondere auf Demenz-Risikopersonen richtet. Ziel ist es dabei, Hochrisikopatienten für die Entwicklung einer Demenz zu identifizieren und schon im präklinischen Stadium zu behandeln, um das Auftreten der Demenz zu verhindern oder zeitlich relevant hinauszuzögern.

DAZ: Wer ist Risiko- oder Hoch­risikopatient und wie werden diese identifiziert?

Dodel: Zu den Risikopatienten gehören Menschen, in deren Familie überproportional häufig eine Demenz aufgetreten ist und die selbst entsprechende genetische Veränderungen aufweisen. Wir kennen mittlerweile mehr als 200 Genmutationen, die mit einer Alzheimer-Demenz assoziiert sind. Darüber hinaus gibt es Biomarker, die auf ein hohes Risiko hinweisen wie etwa ein vermindertes Beta-Amyloid oder ein erhöhtes Tau-Protein. Die Biomarker sind mittels einer Untersuchung des Nervenwassers zu erfassen und auch zum Beispiel mittels einer Amyloid-Positronenemissionstomografie, also einem Amyloid-PET, bei dem sich die Verteilung von Amyloid-Plaques in vivo darstellen lässt. Anhand einer solchen Risikostratifizierung sind Risiko- und Hochrisikopatienten zu identifizieren. Sie sind Kandidaten für klinische Studien zur Entwicklung neuer Arzneimittel und allgemein neuer Strategien zur Demenz-Prävention.

DAZ: Laufen bereits Studien zur medikamentösen Demenz-Prävention?

Dodel: Es gibt bereits mehrere klinische Studien zu dieser Fragestellung, die auf einem vom ehemaligen US-­Präsidenten Barack Obama initiierten Forschungsprogramm basieren und an denen zum Teil auch deutsche Zentren beteiligt sind. Es handelt sich zum Beispiel um die Studie Anti-Amyloid treatment in Asymptomatic AD, kurz A4-Studie, eine Untersuchung, bei der rund 1000 gesunde ältere Personen mit positivem Amyloid-PET-Scan mit dem monoklonalen Anti-Amyloid-beta-Antikörper Solanezumab behandelt werden. In einer weiteren Studie, der Dominantely inherited Alzheimer Network, kurz DIAN-Studie, werden bei rund 400 Teilnehmern mit autosomal dominanter Erkrankung die Effekte eines Amyloid-Antikörpers und eines Beta-Sekretase-Inhibitors getestet. Außerdem wird in der APOE-4-Studie der Alzheimer’s Prevention Initiative der Antikörper Crenezumab in seiner Wirksamkeit bei 650 kognitiv gesunden Personen zwischen 60 und 70 Jahren aus kognitiv unauffälligen Fami­lien untersucht, die homozygot den Risikofaktor APOE-ε4 aufweisen. Zu bedenken ist, dass die Studien aufwendig sind, und es zudem Jahre dauern wird, ehe eindeutige Ergebnisse – also zum Beispiel Effekte auf die Biomarker oder die Entwicklung kognitiver Störungen – nachzuweisen sind.

DAZ: Sehen Sie somit ein effektives Präventionspotenzial für die Zukunft?

Dodel: Es ist tatsächlich davon auszugehen, dass wir bei der medikamentösen Prävention und Sekundärprävention der Demenz neue Daten erhalten werden, die uns hoffentlich auch neue Chancen für eine medikamentöse Intervention geben werden. In dem Kontext sollte man allerdings nicht ver­gessen, dass wir bereits heutzutage durchaus Möglichkeiten haben, auf nicht-medikamentösem Wege der Entwicklung demenzieller Störungen entgegenzuwirken.

DAZ: Kann dieser Aspekt eine Rolle bei der Beratung in der Apotheke spielen?

Dodel: Ja, unbedingt. Den Apothekern kommt in diesem Bereich sogar eine zentrale Rolle zu. Das gilt zum einen für allgemeine Maßnahmen der Lebensführung (Ernährung, Sport etc.) und zum anderen für die Behandlung von Erkrankungen, die eine Demenz-Entwicklung fördern wie etwa Bluthochdruck oder Diabetes. Es ist aus meiner Sicht sehr wichtig, Risikopersonen und Angehörige von Menschen mit Demenz früh zu erfassen und entsprechend zu motivieren, zum Beispiel bei Vorliegen kardiovaskulärer Risikofaktoren nicht nur mit Blick auf das Herz, sondern auch mit Blick auf das Gehirn konsequent die Chancen der Prävention zu nutzen.

DAZ: Herr Professor Dodel, haben Sie vielen Dank für das Gespräch. |


Dieses Interview steht im Zusammenhang mit folgendem Hauptbeitrag Von A wie Aktivität bis Z wie Zeitmanagement. Der Entwicklung einer Demenz lässt sich vorbeugen von Christine Vetter

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