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Aus für Jamaika – und nun?

Deutschland in der Regierungskrise. Reaktionen von Gesundheitspolitikern und Verbänden

BERLIN (ks) | Die Jamaika-Sondierungsgespräche sind gescheitert. Die FDP war es, die sich vergangenen Sonntagabend für einen Ausstieg entschied, nachdem sie fast fünf Wochen mit CDU, CSU und Grünen die Chancen einer gemeinsamen Regierungskoalition ausgelotet hat. Damit steht Deutschland nun vor einer Situation, die die Republik noch nicht kannte. Wie geht es nun weiter? Und was sagt die Gesundheitspolitik zu dieser Krise?

Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen sieht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) keinen Anlass für einen Rückzug – sie steht weiter bereit als Kanzlerin. Momentan führt sie mit den Ministerinnen und Ministern der „alten“ Großen Koalition eine geschäftsführende Regierung. Aber das ist nur ein Konstrukt für den Übergang. Wie kann Merkel Kanzlerin bleiben? Eine stabile Koalition wäre nun nur noch mit der SPD denkbar. Doch der SPD-Parteivorstand fasste am Montag nach der gescheiterten Sondierung einen Beschluss, in dem es heißt: „Wir halten es für wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger die Lage neu bewerten können. Wir scheuen Neuwahlen unverändert nicht. Wir stehen angesichts des Wahlergebnisses vom 24. September für den Eintritt in eine Große Koalition nicht zur Verfügung.“

Alle blicken auf Steinmeier

Wenn die SPD bei ihrem kategorischen Nein zu einer Koalition mit der Union bleibt, sind die Alternativen eine Minderheitsregierung oder Neuwahlen. Das Heft des Handelns liegt jetzt bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Am Montag machte er deutlich, dass er nun Verantwortungsbewusstsein von den Parteien erwartet – Neuwahlen sind für ihn offenbar keine zwingende Konsequenz. Steinmeier appellierte an die Gesprächsbereitschaft aller gewählter Parteien, „um eine Regierungsbildung in absehbarer Zeit möglich zu machen. Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält.“

Foto: FDP
Christine Aschenberg-Dugnus, FDP

Reaktionen

DAZ.online hat bei Gesundheitspolitikern und verschiedenen Verbänden nachgefragt, wie sie den Ausstieg der FDP bewerten und wie es nun in den für die Apotheker wichtigen Fragen weitergeht. Die FDP-Politikerin Christine Aschenberg-Dugnus betonte, dassdie Kompromissfähigkeit dort ihre Grenzen hat, wo der Wählerauftrag nicht mehr erfüllt werden kann.

Im Themenbereich Gesundheit, den sie mitverhandelte, habe sie „beispielsweise die Entbudgetierung bei grundversorgenden Haus- und Fachärzten nicht wiedergefunden, ebenso wie eine dringend erforderliche Stärkung des Belegarzt- und Beleghebammenwesens.“ Aschenberg-Dugnus betont, dass der FDP ihre Entscheidung nicht leichtgefallen sei, es zeuge aber von Verantwortungsbewusstsein, eine „Koalitions-Ehe“, bei der in kürzester Zeit die Scheidung drohe, gar nicht erst einzugehen. 

Foto: klein-schmeink.de
Maria Klein-Schmeink, Grüne

Aber: „Bevor Neuwahlen angedacht werden, wäre es besser, eine Minderheitsregierung in Betracht zu ziehen. Meine Fraktion wird zukunftsweisende Vorhaben jederzeit unterstützen.” 

Maria Klein-Schmeink von den Grünen wirft der FDP dagegen vor, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Denn: „Trotz aller Gegensätze hätten wir im Gesundheitsbereich z. B. mit einem Pflegesofortprogramm, der Sicherstellung der Versorgung in ländlichen Regionen, der Geburtshilfe und Notfallversorgung und dem Ausbau von Telemedizin und IT drängende Probleme gemeinsam anpacken können. In diesen Bereichen gab es bereits Einigungen.“


Foto: michael-hennrich.de
Michael Hennrich, CDU

Enttäuscht über die mangelnde Kompromissbereitschaft der FDP zeigt sich der CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich. Parteien, die rund 10 Prozent der Wählerstimmen haben, könnten nicht davon ausgehen, all ihre ­Maximalforderungen durchzusetzen. Hennrich hofft nun, „dass wenigstens die SPD ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht wird. In der Vergangenheit hat es diese Verantwortung bei der SPD aber in einem hohen Maß gegeben. Bei den dringenden Problemen im Gesundheitswesen, wie beispielsweise beim Pflegepersonal, können wir uns einen Stillstand nicht leisten“.



Foto: edgarfranke.de
Dr. Edgar Franke, SPD

Dass sich die SPD ihrer staatspolitischen Verantwortung stellen wolle, betont Dr. Edgar Franke, in der vergangenen Legislaturperiode Vorsitzender des Bundestags-Gesundheitsausschusses. Das SPD-Präsidium habe zwar beschlossen, eine Große Koalition weiterhin abzulehnen. „Tatsächlich haben wir keine Angst vor Neuwahlen, aber sie stehen jetzt auch erstmal nicht auf der Tagesordnung“, so Franke. Und betont: „Je nachdem, wie Frank-Walter Steinmeier nun vorgehen wird, wird sich die SPD dann verhalten.“ Franke weist aber darauf hin, dass es auch in der Gesundheitspolitik „durchaus Trennendes zwischen CDU, CSU, Grünen und FDP“ gibt, dies jedoch nicht das Entscheidende gewesen sei.

Bedenklich findet der Bundesverband der deutschen Versandapotheken (BVDVA) das Scheitern, insbesondere mit Blick aufeine Neuregelung des Arzneimittelpreissystems. Denn „die Uhr im Apothekenmarkt“ drehe sich weiter – „und Stillstand ist keine Option für die Herausforderungen. Unabhängig von der Regierungsbildung arbeiten Versandapotheken daran, die digitale Zukunft weiter zu gestalten und den Patienten zeitgemäße Versorgungsformen zu ermöglichen“. Die aktuelle Lage schwäche den Wirtschaftsstandort Deutschland und spiele den ausländischen Versorgern in die Karten, anstatt auch den deutschen (Versand-)Apotheken Spielräume zu ermöglichen.

Foto: Adexa
Andreas May, Adexa

Wenig Verständnis zeigt auch Andreas May, Erster Vorsitzender der Apothekengewerkschaft Adexa: „Für den Apothekenbereich und die Mitarbeiter bedeutet das Scheitern der Sondierungsgespräche von Union, FDP und Grünen ein weiteres berufs- und tarifpolitisches Fragezeichen – neben den ausstehenden Ergebnissen des Honorierungsgutachtens und den Folgen des EuGH-Urteils.“ Solange Hermann Gröhe weiter die Amtsgeschäfte als Bundesgesundheitsminister weiterführt, sei zwar eine gewisse Kontinuität zu erwarten. „Aber für die Apotheken und das ganze Land muss schnell eine tragfähige, demokratisch legitimierte Lösung gefunden werden.“ |




Lesen Sie hierzu auch den Kommentar "Schlechte Nachricht" von Dr. Benjamin Wessinger.


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