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Aus den Ländern
Ein Apothekertag der anderen Art
Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern
Die hohe Teilnehmerzahl beim politischen Teil des Fortbildungswochenendes sprach für das große Interesse an dem praxisnahen unpolitischen Thema. Politische Grußworte gab es bei diesem Apothekertag nicht. Dr. Dr. Georg Engel, Präsident der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern, betonte, dass die Apotheken „24 Stunden 7 Tage“ immer da und unverzichtbar sind. Sie beraten, ohne dass man eine Telefonnummer wählen muss, und geben immer Auskunft, wenn es erforderlich ist. Notdienst sowie die Abgabe von Betäubungsmitteln oder der „Pille danach“ seien nur vor Ort möglich. Darum fordere die Kammer das Rx-Versandverbot. Die Apotheker seien auch Ansprechpartner für Arzneimittel, die die Industrie nicht anbieten könne oder wolle. Dabei stehe die Apotheke für die Qualität der eingesetzten Stoffe. Dies werfe die Frage auf, wie apothekengerecht die Prüfvorschriften sind. Darum ging es in fünf Impulsvorträgen und einer Diskussion.
Prüfungen im Apothekenalltag
Dr. Andreas Toman, Inhaber der Pinguin-Apotheke, Rostock, erinnerte daran, dass auch einige Identitätsreaktionen des Arzneibuchs, die sich eher an Apotheken richten, Geräte erfordern, die dort meist nicht vorhanden sind. Doch lasse die Apothekenbetriebsordnung andere Methoden zu, wenn sie zu vergleichbaren Ergebnissen führen. Darum müssten in jeder Apotheke – auch in Hinblick auf das QMS – eigene Prüfvorschriften erstellt werden, die genau beschreiben, welche Methoden bei welchem Stoff benutzt werden. Praktikable Methoden seien besonders die HPTLC als chromatografische Trennung mit wenig Fließmittel und die Nahinfrarot(NIR)-Spektroskopie – als Alternative zur viel teureren Infrarot(IR)-Spektroskopie. Mit einem Beispiel aus der chemischen Industrie machte Toman deutlich, dass das Vertrauen in große Lieferanten nicht immer gerechtfertigt ist. So habe ein Matratzenhersteller durch seine Wareneingangsprüfung einen Herstellungsfehler bei der BASF mit einer viel zu hohen Konzentration an Dichlorbenzol in Matratzen erkannt.
Hilfe durch NIR
Dr. Alexander Wolter, Geschäftsführer von HiperScan, Dresden, beschrieb das von seinem Unternehmen angebotene „Apo-Ident“-Gerät für die NIR-Spektroskopie, das in etwa 2000 Apotheken eingesetzt werde. Für die Prüfung, die nur zwei Minuten dauert, wird eine kleine Menge der Substanz ohne Probenvorbereitung in das Messgefäß gegeben. Der Anspruch sei, dass alle anderen Substanzen das Ergebnis „entspricht nicht“ liefern. Wesentlich dafür seien das chemometrische Modell zur Auswertung und die große validierte Datenbank mit Vergleichsspektren, in die immer wieder neue Chargen aufgenommen werden. Da die Apotheker die Verantwortung für den Einsatz der Methode haben, müssen sie gegenüber der Überwachungsbehörde darlegen können, dass sie mit der Dokumentation zur Validierung umgehen können. Bei einigen Substanzen sei für einen hinreichend sicheren Nachweis ein zweites Prüfverfahren nötig. Wolter empfahl, auch die organoleptische Prüfung zu dokumentieren. Er mahnte die Apotheker: „Sie haben die Verantwortung.“
Langfristige technische Perspektiven
Verwechslungen von Substanzen kommen nur selten vor, aber das Problem liegt in dem dann drohenden großen Schaden, bis zu Todesfällen, erläuterte Prof. Dr. Andreas Link, Greifswald, Vizepräsident der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft. Er machte Hoffnung, dass neue Verfahren die analytischen Möglichkeiten auch in Apotheken langfristig erweitern. NMR-Geräte, die ohne Vergleichssubstanz arbeiten, könnten in zehn Jahren erschwinglich werden. Für die IR-Spektroskopie forderte Link die Hersteller auf, anstelle der alten Transmissionsspektren die mittlerweile üblichen ATR(attenuated total reflection)-Spektren mit der reflektierten Strahlung zu liefern. Doch Link zeigte auch die Grenzen der Verfahren auf, beispielsweise bei Wirkstoffen, die in mehreren Formen mit unterschiedlichen Schmelzpunkten und IR‑Spektren kristallisieren. Bezüglich des NIR riet Link, zu prüfen, ob die Auswertung die relevanten Verwechslungen berücksichtigt. Bei weiteren Verwechslungsmöglichkeiten sollte eine zusätzliche Prüfung durchgeführt werden.
Alternative Prüfmethoden im DAC
Dr. Holger Reimann, Eschborn, Leiter des NRF-Labors, beschrieb den Deutschen Arzneimittel-Codex (DAC) als apothekentaugliche Alternative zu vielen Arzneibuchvorschriften für die Identitätsprüfung vorgeprüfter Ware. Seit 2006 sind Monografien für 950 Stoffe entwickelt worden, wobei einfache instrumentelle Prüfungen bevorzugt werden. Diesbezüglich propagierte Reimann für Flüssigkeiten den Brechungsindex sowie für Feststoffe den Schmelzpunkt und insbesondere den Mischschmelzpunkt. Er warb für einen risikobasierten Ansatz, bei dem das Restrisiko kalkulierbar sein muss.
Kritische Behördensicht auf Apothekenpraxis
Dem widersprach Dr. Andreas Schieweck, Leiter der Arzneimittelüberwachung in Schwerin. Vorgeprüfte Ware sei der Normalfall und rechtfertige daher keine Einschränkung der Identitätsprüfung. Außerdem betrachtete er wirkstofffreie Grundlagen nicht als risikoarm, weil eine Untermischung mit einem Wirkstoff bzw. eine Verwechslung mit einer wirkstoffhaltigen Zubereitung bei einer eingeschränkten Prüfung nicht erkannt werde. Zudem konstatierte Schieweck ein Versäumnis in der Apothekenbetriebsordnung, weil sie keine Lieferantenprüfung vorsieht. Doch wie die Industrie sollten auch Apotheken ihre Lieferanten bewerten und prüfen, von wem sie kaufen. Wie die Industrie könnten auch die Apotheken gemeinsam Auditoren beauftragen. Die Vorgeschichte eines Ausgangsstoffes zu kennen, betreffe als Grundidee des Qualitätsmanagements auch Kosmetika und Grundlagen, deren Zertifikate oft „inhaltsleer“ seien.
Schieweck bekräftigte, dass Apotheken im Rahmen ihres QMS Prüfvorschriften für die einzelnen Stoffe festlegen müssen, damit PTA überhaupt prüfen können. Doch er hält viele Alternativverfahren nicht für geeignet, weil eine veröffentlichte Validierung fehle. Die Apotheker haben die Verantwortung und sollten ihre Verfahren hinterfragen. Dies betreffe auch die Plausibilitätsprüfung von Rezepturen. Deren Dokumentation sei die „Zulassungsunterlage des Apothekers“, daher sollte sie sorgfältig durchgeführt werden. Bei unbekannter Haltbarkeit könne sogar eine Stabilitätsprüfung nötig sein. Zum QMS ergänzte Schieweck, bei Überwachungen erweise es sich als Hauptproblem, dass viele Apotheken keine Selbstinspektion durchführen.
Offene Fragen: Kammer will Web-Forum einrichten
In der Diskussion räumte Schieweck ein, dass die Gesetze einige „Grauzonen“ lassen, die von den Überwachungsbehörden der Bundesländer unterschiedlich ausgelegt werden. Für die Sichtweise in Mecklenburg-Vorpommern, auch zum Einsatz der NIR-Spektroskopie, verwies er auf ein FAQ-Papier seiner Behörde. Geben Sie den Webcode F5IR8 in die Suchfunktion auf DAZ.online ein und Sie gelangen direkt zum FAQ-Papier.
Reimann beschrieb das Dilemma der Apotheker, die Rezepte unverzüglich beliefern müssen. Außerdem appellierte er an die Apotheker, Beanstandungen bei Ausgangsstoffprüfungen an die Behörde und die Arzneimittelkommission zu melden, damit deren Häufigkeit besser erkennbar wird.
Als Fazit der Diskussion stellte Engel fest, dass neue analytische Methoden auch für die Apotheken Fortschritte bringen können. Um den Austausch unter den Kammermitgliedern zur Prüfung von Ausgangsstoffen zu fördern, werde die Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern auf ihrer Internetseite ein Forum dafür einrichten. |
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