Arzneimittel und Therapie

Neues Wirkprinzip gegen Osteoporose

Sclerostin-Blockade mit Romosozumab erhöht die Knochendichte effektiv

Eine Osteoporose kann derzeit durch eine Stimulation der Osteoblasten (osteoanabol), eine Hemmung der Osteoklasten (antiresorptiv) oder durch eine Steigerung der Knochenmineralisation behandelt werden. Der humanisierte monoklonale Antikörper Romosozumab, der sowohl osteoanabol als auch antiresorptiv wirkt, war in einer kürzlich publizierten Phase-III-Studie mit postmenopausalen Osteoporose-Patientinnen dem Parat­hormon-Analogon Teriparatid signifikant überlegen.

Romosozumab richtet sich gegen das Glykoprotein Sclerostin, einen negativen Regulator des Knochenaufbaus. Das von Osteozyten sezernierte Sclerostin wurde vor einigen Jahren als einer der wichtigen Regulatoren im Knochenstoffwechsel identifiziert. Ausgangspunkt waren unter anderem Experimente mit Mäusen mit einer Defizienz des Sclerostin-kodierenden Gens SOST, die eine höhere Knochenmasse und -stärke als nicht mutierte Tiere aufwiesen.

Der Wnt-Signalweg

Ähnliche Beobachtungen machte man in Humanstudien bei Patienten mit einer solchen Genmutation. Sclerostin hemmt den Wnt-Signalweg und behindert dadurch die Proliferation und Funktion der Osteoblasten. Die Funktion des Wnt-Signalwegs besteht vermutlich darin, den Knochenauf- und abbau in einem physiologischen Gleichgewicht zu halten. Die Blockade von Sclerostin ist daher eine Möglichkeit, den Knochenaufbau zu fördern (s. Kasten „Taufliegen ohne Flügel und Mäuse mit Brustkrebs“).

Taufliegen ohne Flügel und Mäuse mit Brustkrebs – Die Bedeutung des Wnt-Signalwegs

Beim Wnt-Signalweg handelt es sich um einen zellulären Signaltransduktionsweg, der mittlerweile bei vielen Arten von Säugetieren, Insekten sowie beim Menschen nachgewiesen werden konnte. Er spielt sowohl bei der Embryogenese als auch bei Tumorerkrankungen eine zentrale Rolle. Darüber hinaus wird seine Bedeutung auch für Erkrankungen der Knochen, Nieren, Lungen oder Psyche diskutiert.

Das Protein Wnt ist der Vertreter einer Familie von Wachstumsfaktoren, zu der mittlerweile 19 verschiedene Gene identifiziert wurden. Der Name setzt sich zusammen aus „wg“ für wingless (engl. flügellos) und „int1“. Mutationen im wg-Gen führen bei der Taufliege Drosophila melanogaster zu einem flügellosen Phänotyp. Nach Aktivierung des int1-Gens beobachtet man bei Mäusen die Entstehung von Brustkrebs.

Der Wnt-Signalweg beginnt mit der Interaktion von Wnt und dem G-Protein-gekoppelten Transmembranrezeptor „Frizzled“. Außerdem ist der Co-Rezeptor LRP 5/6 an der Signaltransduktion beteiligt. Nach Aktivierung des Rezeptorkomplexes wird der enzymatische Abbau von β-Catenin durch Glykogensynthase-Kinase 3 (GSK-3β) gehemmt. Daraufhin kommt es zu einer Akkumulation von β-Catenin im Zytoplasma und auch im Zellkern. Dort bildet sich zusammen mit Tcf/Lef ein Proteinkomplex, der die Transkription zellspezifischer Gene fördert.

Die Aktivierung des Wnt-Signalwegs beeinflusst den Zellzyklus und fördert die Proliferation, weshalb er sowohl das Tumorwachstum als auch die Ausbildung von Gliedmaßen anregen kann. Bei Krebserkrankungen ist der Signalweg durch Genmutationen auch ohne Liganden aktiv. In Osteoblasten trägt Wnt zur physiologischen Knochenbildung bei. Das Glykoprotein Sclerostin ist sein Gegenspieler, der den Signalweg hemmt.

Der humanisierte monoklonale Antikörper Romosozumab wird seit 2004 von den Pharmafirmen Amgen und UCB gemeinsam entwickelt. Ebenfalls in der Entwicklung als potenzielles Osteoporosemittel befindet sich der Sclerostin-Antikörper Blosozumab (Firma Lilly). In humanen Modellen und in Tiermodellen hat man beobachtet, dass eine Hemmung von Sclerostin durch Romosozumab zusätzlich die Knochenresorption verringert, vermutlich durch eine direkte oder indirekte Wechselwirkung mit Osteoklasten. Der zugrunde liegende spezifische Mechanismus ist jedoch noch nicht verstanden.

Vergleichsstudie mit Teriparatid

In die randomisierte zwölfmonatige Vergleichsstudie STRUCTURE wurden postmenopausale Osteoporose-Patientinnen zwischen 55 und 90 Jahren aus Nordamerika, Lateinamerika und Europa eingeschlossen. Ihre Medikation hatte in den vorangegangenen drei Jahren oder länger aus oralen Bisphosphonaten bestanden, im Jahr vor Studienbeginn nahmen sie Alendronat ein. Sie litten an manifester Osteoporose, das heißt ihre Knochendichte in der Hüfte, im Oberschenkelhals oder in der Lendenwirbelsäule lag bei ≤ -2,5 (T-Score). In der Vorgeschichte gab es mindestens eine Wirbelkörperfraktur bzw. – nach dem 50. Lebensjahr – eine nichtvertebrale Fraktur.

Untersucht wurde die Effektivität von Romosozumab (einmal monatlich 210 mg s.c.) versus Teriparatid (einmal täglich 20 μg s.c.). Primärer Endpunkt war die prozentuale Veränderung in der Knochendichte, gemessen mittels Dual-Röntgen-Absorptiometrie (DXA) nach sechs und zwölf Monaten. Fraktur-spezifische Endpunkte spielten keine Rolle.

Romosozumab ist überlegen

Von den behandelten Patientinnen (je n = 218) wurden 206 aus der Romosozumab-Gruppe und 209 aus der Teriparatid-Gruppe in die Auswertung einbezogen. Unter der Therapie mit dem monoklonalen Antikörper nahm die Knochendichte in der Hüfte um 2,6% (95%-KI 2,2 bis 3,0) zu, während sie unter Teriparatid abnahm (-0,6%; -1,0 bis -0,2). Der Unterschied war statistisch signifikant (p < 0,0001).

Für die Bestimmung von Unterschieden bezüglich des Frakturrisikos von Romosozumab und Teriparatid war die Studie nicht gepowert. Um abschätzen zu können, ob die erhöhte Knochendichte unter Romosozumab einen Einfluss auf die mechanische Knochenstärke besitzt, führten die Studienautoren eine Finite-Elemente-Analyse durch. Dies ist ein von der FDA zugelassenes Verfahren, das beispielsweise als Therapiemonitoring eingesetzt wird. Diese Analyse ergab in der Romosozumab-Gruppe eine größere Zunahme der Stärke der Hüftknochen als in der Teriparatid-Gruppe (+2,5% versus -0,7%, p < 0,0001).

Als Nebenwirkungen wurden am häufigsten Nasopharyngitis (28 in der Romosozumab-Gruppe, 22 unter Teriparatid), Hypercalcämie (2 versus 22) und Arthralgie (22 versus 13) beobachtet. Weitere unerwünschte Ereignisse, die man jedoch nicht auf die Behandlung zurückführte, kamen unter Romosozumab bei 17 und unter Teriparatid bei 23 Patientinnen vor.

Zulassung noch nicht in Sicht

Romosozumab befindet sich zurzeit in der klinischen Untersuchung zur zukünftigen Behandlung von Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko. Es könnte zuerst in den USA (vorgesehener Handelsname EvenityTM), Kanada und Japan zugelassen werden. Die FDA hat die Zulassung jedoch bisher verweigert, da in einer Vergleichsstudie zwischen Romosozumab und Alendronat schwere kardiovaskuläre Nebenwirkungen aufgetreten waren. In der hier vorgestellten Untersuchung traten solche Ereignisse nicht auf. Für weitere Informationen gehen Sie auf DAZ.online und geben dort in das Suchfeld den Webcode Q5XD2 ein.

Option nach Bisphosphonaten

Die Autoren schlussfolgern aus diesen Ergebnissen, dass Romosozumab eine Option für Osteoporose-Patienten sein könnte, die mit Bisphosphonaten nicht ausreichend behandelt wurden und ein hohes Frakturrisiko besitzen. Eine Kommentatorin der Studie merkt jedoch an, dass die Unterlegenheit von Teriparatid am relativ kurzen Beobachtungszeitraum von zwölf Monaten liegen könnte. Denn das Parathormon-Analogon ist für eine Behandlungsdauer von bis zu zwei Jahren zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob Romosozumab auch langfristig eine effektive Option bei Osteoporose darstellt. |

Quelle

Langdahl BL et al. Romosozumab (sclerostin monoclonal antibody) versus teriparatide in postmenopausal women with osteoporosis transitioning from oral bisphosphonate therapy: a randomised, open-label, phase 3 trial. Lancet 2017, online publiziert am 26. Juli 2017, dx.doi.org/10.1016/ S0140-6736(17)31613-6

Compston J. Bone-forming agents in non-responders to bisphosphonates. Lancet 2017, online publiziert am 26. Juli 2017, dx.doi.org/10.1016/ S0140-6736(17)31824-X

McClung MR et al. Romosozumab in postmenopausal women with low bone mineral density. N Engl J Med 2014;370:412-420, DOI:10.1056/NEJMoa1305224

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

Das könnte Sie auch interessieren

Monoklonale Antikörper in der Osteoporose-Therapie

Gezielt anders

Wie Biologicals die Osteoporose-Therapie verbessern können

Gestörter Knochenumbau

Herzprobleme unter Romosozumab

Rückschlag für Amgens Osteoporose-Antikörper

CHMP lehnt Osteoporose-Antikörper ab

Vorerst kein Romosozumab in der EU

Neues Angriffsziel im Kampf gegen Osteoporose

Romosozumab fördert Knochenaufbau

Sclerostin-Antikörper bei Osteoporose

G-BA bescheinigt Romosozumab geringen Zusatznutzen

Osteoporose-Antikörper mit Einschränkungen zugelassen

Romosozumab kommt nach Europa

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.