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Held oder Nestbeschmutzer?
ZDF-Dokumentation über Whistleblower im Zytostatika-Markt
Dunkle Machenschaften bleiben oft unbekannt, wenn nicht mutige Menschen sprechen – wie es eine Dokumentation aus der Reihe „37 Grad“ zeigt, die am 24. Oktober im ZDF lief. Unsere Redaktion hatte schon vor der Ausstrahlung Teile des Filmes sehen können, der zwei Fälle schildert: jenen von Martin Porwoll, dem früheren kaufmännischen Leiter der Bottroper Zyto-Apotheke, in der mehr als 60.000 Rezepturen gepanscht worden sein sollen – und die Geschichte des früheren Pharmareferenten Peter Jebens, der den „Holmsland-Skandal“ ins Rollen brachte.
„Ohne diesen Hinweisgeber wären sicherlich die Ermittlungen nicht aufgenommen worden – denn die Mitarbeiter der Apotheke haben zwar vielleicht etwas gewusst und geahnt, sich mit ihrem Wissen aber nicht an die Behörde gewendet“, erklärt eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Essen zum Zyto-Skandal in Bottrop in der Dokumentation. Porwoll schildert, dass er lange überlegt habe, wie die Gerüchte über gestreckte Krebsmittel überprüft werden können, bevor er Anzeige erstattet hat. „Ist das denn überhaupt richtig, was du machst?“, habe er sich jeden Tag gefragt.
Oft unter Druck gesetzt
In der Doku schildert Porwoll, wie er zwischen der Verantwortung für die Patienten und seine eigene Familie abgewogen hat. Mit Rückhalt auch von einem befreundeten Anwalt entschloss er sich, zusammen mit einer Kollegin den Schritt zu tun. Doch es folgten Panikattacken, erzählt Porwoll – auch konnte er nicht mehr Autofahren. „Das hat mich fertiggemacht“, sagt er. Denn klar war, dass er seine Stelle verlieren würde – bis heute ist der Kaufmann arbeitslos, mehrere Firmen wollten ihn nicht einstellen. Porwoll wurde nicht nur gekündigt, er wird auch juristisch angegangen, weil er in Interviews gesagt hatte, dass der Betrug ein offenes Geheimnis gewesen sei.
Gleichzeitig erfährt Porwoll von den Betroffenen viel Dankbarkeit. „Viele haben wörtlich gesagt: Martin ist mein Held“, erzählt seine Frau. „Das ist doch selbstverständlich, das ist doch meine Pflicht“, sagt er selber. „Das hat mit Heldentum in meinen Augen nichts zu tun.“
„Eine Art Hölle“
Auch für den Mikrobiologen und früheren Pharmareferenten Peter Jebens folgte eine schwere Zeit, nachdem er die „Holmsland-Affäre“ um zweifelhafte Zytostatika-Importe ins Rollen gebracht hat. „Für mich persönlich ist der Worst Case eingetreten – dadurch, dass ich an die Öffentlichkeit gegangen bin und meine Erkenntnisse publik gemacht habe“, berichtet er in der ZDF-Doku.
Angetrieben hätte ihn, dass er Menschen unterstützen wollte, „die an einer unheilbaren Erkrankung leiden und die in einer Situation sind, in die jeder von uns jeder Zeit jeden Tag kommen kann“, erklärt er gegenüber dem ZDF. Doch verlief das Verfahren bislang weitgehend ergebnislos, viele Vorwürfe verjährten ohnehin. „In der Rückschau muss man sagen, dass die letzten zehn Jahre seit der Aufdeckung des Arzneimittelskandals für uns alle im Prinzip überwiegend eine Art Hölle dargestellt haben“, sagt Jebens. Seine erste Frau starb während der Ermittlungen – und auch ansonsten hatte er stark zu leiden. „Man hat mich ruiniert – mich, den Nestbeschmutzer“, erklärt Jebens im ZDF.
„Es ist absolut wichtig für unsere Gesellschaft, dass es solche Menschen gibt“, erklärt der Regisseur Daniel Harrich gegenüber DAZ.online. |
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