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Medizinprodukte
Sicherheit geht vor
Umstellung von Luer-Konnektoren auf verwechslungssichere ISO-Konnektoren
Risiken der universalen Konnektoren
Das European Committee for Standardization (CEN) hat festgestellt, dass der universelle Konnektor für unterschiedliche Anwendungsbereiche mit einem Risiko behaftet ist. Fehlkonnektionen (Fehlverbindungen) treten besonders häufig bei der enteralen Ernährung auf. Eine Literaturrecherche, in der Fallstudien der Jahre 1972 bis 2010 untersucht wurden, fand 116 dokumentierte Fehlapplikationen von enteralen Nährlösungen; davon endeten 21 Fälle tödlich [1]. Auch Verwechslungen zwischen Infusionen und/oder medizinischen Gasen nehmen im schlimmsten Fall einen tödlichen Ausgang. Auf kardiologischen Stationen werden bei einem einzelnen Patienten bis zu 40 Luer-Konnektoren an Medizinprodukten eingesetzt. Daher sind Fehlkonnektionen nicht überraschend [2].
Umstellung auf ISO-Konnektoren
Zur Risikominimierung wurde die Normenreihe DIN EN ISO/IEC 80369 für kleinlumige Schlauchverbinder entwickelt, welche vertauschungssichere Konnektoren für zunächst fünf Anwendungsgebiete definiert (Tab.).
Norm |
Titel |
---|---|
ISO 80369-1 |
Verbindungsstücke mit kleinem Durchmesser für Flüssigkeiten und Gase in medizinischen Anwendungen – Teil 1: Allgemeine Anforderungen [2] |
ISO 80369-2 |
Verbindungsstücke für Atemsysteme und Antriebsgasanwendungen |
ISO 80369-3 |
Verbindungsstücke für enterale Anwendungen (s. Abb. 1) |
IEC 80369-5 |
Verbindungsstücke für Anwendungen mit aufblasbaren Manschettensystemen für Gliedmaßen |
ISO 80369-6 |
Verbindungsstücke für neuroaxiale Anwendungen |
ISO 80369-7 |
Verbindungsstücke mit einem 6% (Luer) Kegel für intravaskuläre oder hypodermische Anwendungen |
ISO 80369-20 |
Allgemeine Prüfverfahren |
Die ersten Produkte mit dem vertauschungssicheren ISO-Konnektor sind bereits erhältlich, und weitere Anwendungsgebiete werden in den kommenden Monaten hinzukommen. Am weitesten fortgeschritten ist die Umstellung im Bereich der enteralen Ernährung. Danach folgen die neuraxialen Konnektoren und Konnektoren für aufblasbare Manschettensysteme. Die Fertigstellung der Norm für Atemsysteme und Antriebsgasanwendungen verzögert sich voraussichtlich bis zum nächsten Jahr.
Alle Gesundheitseinrichtungen und Dienstleister im Gesundheitswesen sollten sich frühestmöglich mit den Auswirkungen dieser Neuerung auf ihre Arbeitsprozesse auseinandersetzen. Dies gilt für die Hersteller der Medizinprodukte, den Großhandel, die Apotheken, Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen, Rettungsdienste, ambulante Pflegedienste, Arztpraxen und Krankentransportunternehmen, aber auch für Hebammen, pflegende Angehörige und Patienten im Homecare-Bereich.
Apotheken als Informationsquelle
Öffentliche Apotheken sind (wie andere Leistungserbringer) gemäß § 126 Abs. 1 sowie § 127 Abs. 1 bis 3 SGB V berechtigt, Hilfsmittel an Versicherte abzugeben, wenn sie die entsprechenden Verträge mit den Krankenkassen geschlossen haben. Aufgrund des Kostendrucks und der hohen Anforderung an die Herstellung (Reinraumklasse, GMP) übernehmen die Apotheken vor Ort die Versorgung immer seltener, sodass hier fast nur spezialisierte Apotheken und Leistungserbringer im Homecare-Bereich tätig sind. Nichtsdestotrotz hat diese Umstellung eine große Relevanz für alle öffentlichen Apotheken. In der Rezeptur oder Sterilherstellung werden z. T. Aufziehbehältnisse mit Konnektor genutzt, oder das Arzneimittel wird als bereits befüllte Spritze oder anderes Applikationssystem abgegeben. Auch muss die öffentliche Apotheke häufig genug in Akutsituationen aushelfen. Hier ist es dann besonders relevant, zu wissen, welchen Konnektor der Patient nutzt.
Für die Information von Patienten, Betreibern und Anwendern ist in Deutschland keine Aufsichtsbehörde oder regulierende Stelle zuständig, sodass die Selbstverwaltungsorgane des Gesundheitssystems gefordert sind. Leidtragende dieses Umstandes sind insbesondere Homecare-Patienten, ihre pflegenden Angehörigen und ambulante Pflegedienste. Sie müssen sich die Informationen über die neuen Produkte und ihre Beschaffung selbst besorgen und werden sicher gern eine kompetente öffentliche Apotheke als Informationsquelle nutzen.
Der Zeitpunkt der Umstellung
In Krankenhäusern hängt die zeitliche Planung der Umstellung von der Bedarfsplanung, Beschaffung, Lagerung und Logistik ab. Hier kann die krankenhausversorgende Apotheke die Planung angehen.
Im Homecare-Bereich und in der ambulanten Pflege treten aufgrund der überschaubaren Produktpalette und dem geringen Verbrauch die Schnittstellenaspekte wesentlich stärker in den Vordergrund. Wenn nur eine der beteiligten Parteien (Gesundheitseinrichtung oder Patient) auf die vertauschungssicheren Konnektoren umgestellt hat, sind die verschiedenen Systeme nicht mehr konnektierbar. Dies ist besonders bei Medizinprodukten in längerfristiger Anwendung (z. B. PEG-Sonden) relevant. Falls es zu diesem Problem gekommen ist, müssen Universaladapter eingesetzt werden, welche zwar durch mögliche Fehlkonnektierungen die Patientensicherheit gefährden, im akuten Notfall aber die einzige Lösung bieten. Wenn es möglich ist, sollten die neuen Konnektoren genau dann in den Homecare-Bereich eingeführt werden, wenn die relevanten Gesundheitseinrichtungen (Krankenhäuser, Pflege- und Rehabilitationseinrichtungen, Palliativstationen) im Versorgungsgebiet ebenfalls auf die neuen Konnektoren umstellen. Hierfür ist eine enge Kommunikation aller Beteiligten nötig, die am besten über die öffentlichen Apotheken erfolgen könnte.
Umrüstsätze und Universaladapter
Die Umstellung sollte so geplant werden, dass die Nutzung von Adaptern vermieden werden kann, doch dies ist nicht immer möglich. Bei den Adaptern ist zwischen Universaladaptern und Umrüstsätzen zu unterscheiden. Die Letzteren sind weniger gefährlich, weil sie permanent an ein Medizinprodukt angebracht werden. Sie dienen dazu, bei der Umstellung auf einen ISO-Konnektor einen medizinischen Eingriff wie das Legen einer neuen Sonde zu vermeiden. Auch in anderen Fällen kann nicht ausgeschlossen werden, dass unterschiedliche Systeme aufeinandertreffen und adaptiert werden müssen. Daher sollten öffentliche Apotheken und Pflegedienste in Erwägung ziehen, ein geringes Kontingent an Universaladaptern vorrätig zu halten, um in solchen Situationen die Patientenversorgung sicherstellen zu können.
Ausblick und Forderung
Der wichtigste Schritt zu einer risikoarmen und komplikationslosen Umstellung auf die vertauschungssicheren ISO-Konnektoren ist zurzeit die Information aller betroffenen Anwender, Betreiber und Patienten. Nur so können diese Personen sich mit den Auswirkungen der Umstellung auseinandersetzen und den Prozess der Umstellung aktiv mitgestalten. Wie bereits erwähnt, stellt die Schnittstellenkommunikation hier die größte Herausforderung dar. Alle Gesundheitseinrichtungen und Dienstleister eines Versorgungsgebietes oder einer Region sollten sich zusammensetzen und den zeitlichen Ablauf der Umstellung besprechen.
Ausführlichere Informationen zur Umstellung bietet die Handlungsempfehlung: „Hilfestellung zur Umstellung von Luer-Verbindern auf neue verwechslungssichere Verbinder“ des Aktionsbündnisses Patientensicherheit [3]. Fragen zur Verfügbarkeit der neuen und alten Medizinprodukte sowie zu den Kosten sind direkt an den Hersteller oder Lieferanten der Produkte zu richten.
Auch wenn die meisten öffentlichen Apotheken nicht am Markt der konnektierbaren Medizinprodukte partizipieren, kommt ihnen doch eine Schlüsselrolle in Bezug auf die Patientensicherheit zu. Sie können dazu beitragen, dass die Umstellung möglichst reibungslos erfolgt. |
Literatur
[1] Simmons D et al. Tubing Misconnections: Normalization of Deviance. Nutr Clin Pract 2011;26(3):286-293
[2] Verbindungsstücke mit kleinem Durchmesser für Flüssigkeiten und Gase in medizinischen Anwendungen – Teil 1: Allgemeine Anforderungen (ISO/DIS 80369-1:2015 - Draft). Beuth Verlag 2015
[3] Erdmann R et al. Hilfestellung zur Umstellung von Luer-Verbindern auf neue verwechslungssichere Verbinder. Aktionsbündnis Patientensicherheit; www.aps-ev.de/handlungsempfehlungen
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