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BGH: Großhändler müssen keinen Mindestpreis erheben
Urteil zu AEP-Skonto erleichtert Apotheker, sorgt aber auch für Befremden
Das Bangen hat ein Ende. Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des BGH hat sein Urteil im Skonto-Streit zwischen der Wettbewerbszentrale und dem Großhändler AEP verkündet – und zwar zugunsten von AEP. Urteilsgründe gab es vergangene Woche noch nicht, lediglich den Tenor der Entscheidung und eine Pressemitteilung. Demnach haben die Karlsruher Richter auf die Revision der Beklagten das Urteil der ersten Instanz wiederhergestellt: Das Landgericht Aschaffenburg hatte die Rabatt- und Skonti-Kombination des Alzenauer Großhändlers für zulässig befunden. Der BGH stimmt dem zu: Pharmazeutische Großhändler seien nicht verpflichtet, bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln an Apotheken einen Mindestpreis zu erheben, heißt es in der Pressemitteilung aus Karlsruhe.
Worum ging es?
Als AEP im Oktober 2013 in den Großhandelsmarkt eintrat, sorgte der Newcomer für Wirbel. Nicht nur, weil er als Vollsortimenter auf nur ein Lager und lediglich eine Lieferung am Tag setzt. AEP machte auch von Anfang an seine Konditionen transparent: Das Unternehmen gewährt Apotheken beim Bezug von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bis zu einem Herstellerabgabepreis von 70 Euro einen Nachlass von insgesamt 5,5 Prozent (3% Rabatt und 2,5% Skonto). Bei Rx-Präparaten über 70 Euro sind es 2 Prozent Rabatt plus 2,5 Prozent Skonto – also insgesamt 4,5 Prozent. Die Wettbewerbszentrale war der Meinung, dass pharmazeutische Großhandlungen nur auf ihre variable Marge von 3,15 Prozent Rabatte gewähren dürfen – und dass auch ein Skonto für eine vorfristige Zahlung zu diesen Rabatten zählt. Deshalb mahnte sie den Großhändler ab und zog vor Gericht, als AEP von seinen Konditionen nicht ablassen wollte.
Weiter erklärt das Gericht: Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) lege für die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mit den dort vorgesehenen Großhandelszuschlägen eine Preisobergrenze, aber keine preisliche Untergrenze fest. Das hatten auch die Aschaffenburger Richter so erklärt. Das ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut der Vorschrift selbst („darf … höchstens … erhoben werden”) als auch aus dem Vergleich mit dem abweichenden Wortlaut der Bestimmung zu Apothekenzuschlägen für Fertigarzneimittel in § 3 Abs. 2 Nr. 1 AMPreisV („… ist zu erheben …”). Der Großhandel, so der BGH, sei danach nicht verpflichtet, einen Mindestpreis zu beanspruchen, der der Summe aus dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers, der Umsatzsteuer und einem Festzuschlag von 70 Cent entspricht. Er könne deshalb nicht nur auf den in § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV genannten preisabhängigen, bis zur Höchstgrenze von 3,15 Prozent veränderlichen Zuschlag, höchstens jedoch 37,80 Euro, sondern auch auf den darin erwähnten Festzuschlag von 70 Cent ganz oder teilweise verzichten. Auch das hatte das Landgericht so in seinem Urteil festgehalten.
Mehr Information gibt es derzeit noch nicht vom BGH. Insbesondere enthält die Pressemitteilung keinerlei Aussagen zu der Frage, wie Rabatte und Skonti voneinander abzugrenzen sind. Das hatte das Landgericht Aschaffenburg nämlich ebenfalls getan. „Diese Begriffe mögen sprachlich synonym sein, jedoch kaufmännisch und buchhalterisch gesehen, sind sie es nicht“, hieß es seinerzeit im Aschaffenburger Urteil. Unter einem Rabatt werde ein Preisnachlass verstanden, dessen Funktion darin bestehe, einheitliche Angebotspreise gegenüber unterschiedlichen Kunden oder zu besonderen Anlässen zu modifizieren und „so das Kaufverhalten zu beeinflussen“. Ein Skonto hingegen sei eine Gegenleistung dafür, dass der Käufer zeitnah – sogar vorfristig – bezahlt, wodurch die Liquidität und auch der Zinsvorteil des Verkäufers erhöht werde.
Wenn der BGH die landgerichtliche Entscheidung nun wieder aufleben lässt, so bezieht sich dies zunächst nur auf den Tenor. Ob die Karlsruher Richter in ihren Entscheidungsgründen noch zu Skonti und Rabatten Stellung nehmen, bleibt abzuwarten. Zwingend nötig ist das gar nicht, wenn sie ohnehin davon ausgehen, dass Rabatte in beliebiger Höhe möglich sind. Die Klarstellung, dass der 70 Cent-Zuschlag nicht fix ist, überrascht aber auch. So mancher Beobachter hätte wohl eher erwartet, dass der BGH klären lässt, unter welchen Umständen Rabatte und (echte) Skonti nebeneinander gewährt werden können. Denn eigentlich hatte der Gesetzgeber, als er mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz zum 1. Januar 2012 die Großhandelsvergütung umgestellt hat, ausdrücklich in die Gesetzesbegründung geschrieben, dass der Festzuschlag nicht rabattfähig sein sollte. Doch das scheint den BGH nicht beeindruckt zu haben. Das muss es auch nicht – denn seine Aufgabe ist es, das Recht objektiv auszulegen. Er prüft also, ob es dem Gesetzgeber gelungen ist, das, was er wollte, im Gesetz hinreichend klar zu formulieren. Das hat er dem BGH zufolge offenbar nicht.
Nicht alle sind mit dem Urteil zufrieden
Die Reaktionen fielen daher auch unterschiedlich aus. Die beiden Streitparteien zeigten sich grundsätzlich zufrieden – weil nun nämlich Rechtssicherheit für Großhändler und Apotheken bestehe. Und auch die ABDA äußerte sich positiv, dass weiterhin Skonti für die vorfristige Zahlung gewährt werden dürften. Doch der Großhandelsverband Phagro ist der Meinung, dass die 70 Cent ihren Sinne als Festzuschlag hatten – der Gesetzgeber wollte so erreichen, dass auch niedrigpreisige Arzneimittel kostendeckend distribuiert werden können. Nun müsse er nachbessern. Auch der CDU-Politiker Michael Hennrich zeigte sich befremdet, dass der BGH den gesetzgeberischen Willen außer Acht gelassen hat. |
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