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Arzneimittel und Therapie
Letzte Hoffnungen ruhen auf Digitoxin
Gastkommentar von Thomas Eschenhagen, Hamburg
William Withering schloss sein Buch zur Wirkung von Fingerhutextrakten („An account of the foxglove and some of its medical uses“) 1785 mit dem Satz: „Die Zukunft wird zeigen, ob ich mich selbst und andere getäuscht oder der Wissenschaft und Menschheit einen Dienst geleistet habe“. 230 Jahre später lässt sich die Frage leider immer noch nicht eindeutig beantworten. Das liegt daran, dass es nur eine einzige wirklich aussagefähige Studie zur Wirkung von Herzglykosiden bei Patienten mit Herzschwäche gibt (DIG-Studie 1997). Danach senkte Digoxin im Mittel zwar die Rate von Krankenhausaufnahmen, beeinflusste aber nicht die Gesamtsterblichkeit. Alle weiteren Studien hatten ein retrospektives Design und ergaben widersprüchliche Ergebnisse, was bei dieser Studienart nicht ungewöhnlich ist. Die Frage nach dem Nutzen bzw. der Eignung von Arzneimitteln bei bestimmten Patientengruppen lässt sich auf dieser Basis nicht evidenzbasiert beantworten.
Mittel der letzten Wahl
Entsprechend schwammig sind die Leitlinien dazu formuliert: „Herzglykoside können erwogen werden bei Patienten mit einer Herzinsuffizienz und reduzierter Auswurffraktion (HFrEF) und im Sinusrhythmus mit dem Ziel einer Reduktion von Krankenhausaufnahmen“. Gegenüber der vorletzten ESC-Leitlinie (2012) wurden Herzglykoside aktuell nochmals zurückgestuft und werden jetzt sogar erst nach Ivabradin als Versuch empfohlen. Sie sind also bei Patienten mit Herzinsuffizienz und Sinusrhythmus Mittel der letzten Wahl bei solchen Patienten, die mit ACE-Hemmern/Angiotensin-Rezeptorblockern, Betablockern und Mineralocorticoidantagonisten und Ivabradin nicht ausreichend eingestellt sind, das heißt weiter symptomatisch sind. Ebenso können sie bei Patienten mit Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern mit hoher Ventrikelfrequenz versucht werden, wenn die Standardmittel nicht ausreichend wirksam sind.
Was wissen wir über Digitalis?
Herzglykoside erhöhen am Herzen die Pumpkraft und können Symptome der Herzschwäche verringern. Ihr Wirkungsmechanismus (Hemmung einer wichtigen Ionenpumpe in allen Zellen) erklärt aber auch, warum schon relativ geringe Erhöhungen der „normalen“ Plasmakonzentration Nebenwirkungen haben können. Berühmt ist das Gelb-Grün-Sehen (in Bildern von van Gogh festgehalten, der wegen Depressionen mit Herzglykosiden behandelt wurde), häufiger sind Übelkeit und Erbrechen sowie lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen. Der geringe Abstand zwischen Dosen, die für die erwünschten Wirkungen notwendig sind, und solchen, die zu Nebenwirkungen führen, macht die Substanz potenziell gefährlich und erklärt, warum die Verordnung von Herzglykosiden seit Jahrzehnten zurückgeht. Das gilt spätestens, seitdem mit ACE-Hemmern und Betablockern sichere und eindeutig lebensverlängernde Arzneimittel zur Behandlung der Herzschwäche vorhanden sind. 2015 haben mehr als 15 bzw. 6 Millionen Patienten täglich ACE-Hemmer bzw. Betablocker (auch zur Blutdrucksenkung) eingenommen, aber nur noch etwa 280.000 Herzglykoside – eine Halbierung gegenüber 2006.
Studie mit Aussicht auf Erfolg
An diesem Trend wird sich auch nichts ändern, es sei denn, eine aussagefähige Studie belegt eine lebensverlängernde Wirkung von Herzglykosiden. Kardiologen aus Hannover haben in einer aktuellen, im renommierten European Heart Journal erschienenen Übersichtsarbeit die unbefriedigende Situation beschrieben und dabei auf ihre laufende, prospektive, Placebo-kontrollierte Studie zur Wirkung von Digitoxin bei der Herzschwäche hingewiesen. Für Hoffnung besteht durchaus Anlass, denn gegenüber der DIG-Studie wird hier mit Digitoxin eine Substanz verwendet, die nicht bei Einschränkungen der Nierenfunktion (häufig unbemerkt bei Älteren) im Körper kumuliert, und es wird eine niedrigere Dosis verwendet. Und das, so zeigt eine rückblickende Auswertung der DIG-Studie (an relativ wenigen Patienten), war schon bei Digoxin mit einer Verbesserung der Überlebenszeit und wenig Nebenwirkungen verbunden. Es ist der aus Hannover organisierten Studie also zu wünschen, dass sie erfolgreich verläuft und ein klares Ergebnis bringt, was dann so oder so über die Zukunft dieses Klassikers der Arzneitherapie entscheidet.
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