- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 4/2017
- Alternative Fakten
Die Seite 3
Alternative Fakten
Nach dem Wort des Jahres 2016, „postfaktisch“, und den „Fake News“, die sogar den Ausgang der US-Präsidentenwahl maßgeblich beeinflusst haben sollen, macht aktuell der Begriff „alternative Fakten“ Furore. Eine Beraterin des neuen US-Präsidenten Trump benutzte den Begriff für dessen Aussage, er habe bei seiner Amtseinführung vor einer bis anderthalb Millionen Menschen gesprochen – während Bilder nahelegen, dass er deutlich weniger Zuhörer gehabt haben dürfte.
Auch in der Auseinandersetzung über die Konsequenzen aus dem hanebüchenen EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 fallen solche Begriffe. DocMorris-Vorstand Max Müller beispielsweise zieh die ABDA im Interview mit DAZ.online einer „postfaktischen Interpretation“ des Richterspruchs. Nun hat der „Spiegel“ nachgelegt und wirft „den Apothekern“ in seiner aktuellen Ausgabe vor, es handle sich bei ihrer „Kampagne eher um Fake News als um Aufklärung“. Dass dabei nicht so richtig klar wird, ob eigentlich die Unterschriftenaktion in den Apotheken, die Anzeigen- und Plakatkampagne der ABDA in Berlin oder der „Danke Apotheke“-Werbespot des Wort & Bild Verlags gemeint ist, sei nur am Rande erwähnt. Auch dass es im Sinne der Aufklärung durchaus einer Erwähnung wert gewesen wäre, dass die im selben Artikel grafisch dargestellten hohen Arzneimittelausgaben in Deutschland gar nichts mit der „aggressiven“ Lobbyarbeit der Apotheker zu tun haben. Denn für die Preise der verschriebenen Arzneimittel sind die Apotheker genauso wenig verantwortlich wie für deren Menge! Aber das sind dann vielleicht wieder „alternative Fakten“. („Richtig falsch“ ist übrigens die Behauptung in dem Spiegel-Artikel, Karl Lauterbach sei gesundheitspolitischer Sprecher seiner Partei. Das war er bis 2013, heute ist das Hilde Mattheis.)
Auch der Bundesverband der Versandapotheken BVDVA fällt in den letzten Wochen durch Pressemeldungen auf, deren Argumentation von vielen Apothekern mit dem Prädikat „postfaktisch“ versehen werden dürfte. „Ohne Arznei-Versand droht Mehraufwand in der häuslichen Pflege“ ist eine überschrieben – der Versand von Arzneimitteln soll aber gar nicht verboten werden, er soll nur auf die nicht-verschreibungspflichtigen beschränkt werden. Aber den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen drohen wahrhaft düstere Zeiten, fürchtet der BVDVA: „Sie [die Pflegebedürftigen] sind auf Medikamente angewiesen, die Ihnen [sic!] meist Angehörige oder auch der Pflegedienst in der Apotheke vor Ort besorgen müssten, wenn der RX-Versandhandel verboten würde“, heißt es in der Pressemeldung weiter. In der Woche zuvor hatte der BVDVA eine weitere Pressemitteilung so überschrieben: „Honorar für Apotheker wurde in den letzten Jahren kontinuierlich erhöht.“
Es scheint, als ob in postfaktischen Zeiten Tatsachen zur Ansichtssache würden.
Benjamin Wessinger
1 Kommentar
Tatsachen zur Ansichtssache
von Bernd Jas am 25.01.2017 um 14:30 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.