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Was erwartet die Apotheker nach der Wahl?
Schwieriges Unterfangen Jamaika - Wer bestimmt künftig die Gesundheitspolitik?
Union und SPD mussten bei der Wahl am vergangenen Sonntag beide deutliche Verluste hinnehmen. Wahlsieger sind die wieder ins Parlament einrückende FDP und Neuzugang AfD. Nachdem sich die Sozialdemokraten sofort gegen eine Neuauflage der Großen Koalition ausgesprochen haben, stehen die Zeichen auf Jamaika: Ein Bündnis aus Union, FDP und Grünen ist rechnerisch die einzige Möglichkeit ohne die AfD, mit der keine der anderen Parteien koalieren möchte.
Jamaika: Viele Differenzen – auch in der Gesundheitspolitik
Ob Jamaika überhaupt machbar ist, ist fraglich. Die Wähler stehen einem solchen Bündnis ebenso skeptisch gegenüber wie die Anhänger der jeweiligen Parteien. Und auch thematisch gibt es in vielen Fragen große Meinungsunterschiede zwischen den Parteien – auch in der Gesundheitspolitik. So wollen die Grünen eine Bürgerversicherung für alle einführen, während Union und FDP das zweigliedrige Versicherungssystem erhalten wollen.
Große Differenzen offenbaren sich auch bei den Apothekenthemen. So will nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung nur die Union unbedingt das Rx-Versandverbot durchsetzen – ganz im Sinne der apothekerlichen Standesvertretung. Sowohl die FDP als auch die Grünen halten davon jedoch gar nichts. Die Liberalen sprachen vor der Wahl zwar von gleichen Wettbewerbsbedingungen für Versandhändler und Apotheker, die nötig seien – konkret wurden sie allerdings nicht. Die Grünen hingegen wollen ein Höchstpreismodell samt Boni-Deckel als Antwort auf den EuGH.
Auch bei grundsätzlicheren Apotheken-Themen könnte es schwer werden: Die Union steht zur inhabergeführten Apotheke vor Ort – für sie kommt eine Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes nicht infrage. Die Grünen wollen zumindest darüber nachdenken, ob man mit Mehrbesitz-Lösungen die Landversorgung sicherstellen könnte. Die FDP fordert in ihrem Wahlprogramm unumwunden die Aufhebung des Fremdbesitzverbots.
Gemeinsamkeit beim Honorar?
Einen gemeinsamen Ansatz könnten die drei Parteien an anderer Stelle finden: Sowohl die Grünen als auch die FDP fordern mehr Kompetenzen für die Apotheker. Geht es nach den Grünen, werden Apotheker bei Themen wie Medikationsplan und -management klarer eingebunden. Die FDP spricht von neuen Honorarkomponenten für Apotheker. Fest steht: Beide Parteien wollen das Apothekenhonorar grundsätzlich neu strukturieren, die Grünen reden sogar von einer Gebührenordnung für Apotheker. Auch die Union weiß, dass die Honorar-Diskussion ansteht, wenn das Bundeswirtschaftsministerium im November das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten zum Änderungsbedarf der Arzneimittelpreisverordnung vorgestellt hat.
Dass Jamaika grundsätzlich möglich ist, zeigt die Landesregierung von Schleswig-Holstein. Allerdings ist sie erst seit diesem Sommer am Ruder. Im Saarland ist ein solches Projekt dagegen bereits gescheitert. Und ob Erfahrungen auf Landesebene auch auf den Bund übertragbar sind, steht ohnehin auf einem anderen Blatt.
Für die Apotheker wird es nicht zuletzt darauf ankommen, wer in einer Jamaika-Koalition das Bundesgesundheitsministerium übernimmt. Mit der Union – vielleicht sogar Hermann Gröhe – dürften sich die Befürchtungen in Grenzen halten. Anders könnte es aussehen, wenn FDP oder Grüne dieses Amt übernehmen.
Die einzige Apothekerin
Im neuen Bundestag wird genau eine Apothekerin vertreten sein: Sylvia Gabelmann (Die Linke) hat über die NRW-Landesliste den Einzug geschafft. „Ich fühle mich auf jeden Fall jetzt als Ansprechpartnerin für die Apothekerschaft“, sagte Gabelmann nach der Wahl. Gesundheitspolitik ist zwar nur einer ihrer Schwerpunkte – „aber der Wahlkampf hat mir eigentlich jetzt erst recht Lust gemacht, mich in dem Bereich im Bundestag zu engagieren“. Gabelmann ist Jahrgang 1958, studierte Pharmazie an der Uni Frankfurt und erhielt 1989 die Approbation. Seit 2008 ist sie Mitglied der Partei Die Linke und seit Juni 2016 stellvertretende Landessprecherin NRW. Bislang war der CDU-Politiker Michael Fuchs der einzige Pharmazeut im Bundestag. Der 69-Jährige war aus Altersgründen nicht mehr zur Wahl angetreten.
Bekannte Gesichter in der Gesundheitspolitik
Eindeutiger ist die Situation, wenn es um bekannte Gesundheitspolitiker im neuen Bundestag geht: Bundesgesundheitsminister Gröhe hat in NRW erneut sein Direktmandat geholt. Ebenso sein Parteikollege Rudolf Henke, der gegen Ex-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) angetreten war. Der SPD-Politiker Karl Lauterbach holte ebenfalls sein Direktmandat – was zuvor keine ausgemachte Sache war. In Hessen holte Edgar Franke (SPD) ein Direktmandat. Der in der CDU-Fraktion für Arzneimittelthemen zuständige Michael Hennrich sicherte sich ebenfalls über sein Direktmandat den Platz im Bundestag. Er musste zwar deutliche Verluste hinnehmen – doch am Ende reichte es. Das Gleiche gilt für die baden-württembergischen Gesundheitspolitikerinnen Kathrin Maag und Annette Widmann-Mauz. Auch der in der Unionsfraktion für Gesundheitsthemen zuständige stellvertretende Fraktionsvorsitzende Georg Nüßlein aus Bayern verlor bei den Erststimmen, zieht aber erneut als Direktkandidat ein. Dorothee Bär (CSU) ist ebenfalls wieder dabei.
Die SPD-Apothekenexpertin Sabine Dittmar wird über die bayerische Landesliste einziehen. Das Gleiche gilt für ihre Kollegin Martina Stamm-Fibich. Die derzeitige gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Hilde Mattheis, erhält einen Sitz über die Landesliste Baden-Württemberg. Die zwei Gesundheitspolitikerinnen der Grünen Maria Klein-Schmeink (NRW) und Kordula Schulz-Asche (Hessen) werden ebenfalls wieder dem Bundestag angehören. Für die Linken ist Kathrin Vogler erneut ins Parlament eingezogen. Auch ihr Kollege Harald Weinberg hat einen Platz im Bundestag bekommen.
Schmidt: Verlässliche Strukturen sichern
ABDA-Präsident Friedemann Schmidt reagierte mit einem Video-Statement auf die Wahl: „Was das Ergebnis für die Gesundheitspolitik bedeutet, kann man kaum prognostizieren. Dazu sind die Vorstellungen der Parteien, die für eine Regierungsbildung infrage kommen, einfach zu unterschiedlich.“ Zu den Koalitionsoptionen äußerte sich Schmidt nicht. Vielmehr erklärt er auf der ABDA-Webseite, „dass man aus dem Wahlergebnis ableiten muss, dass viele Menschen in Deutschland mit der politischen Situation trotz guter wirtschaftlicher Zahlen unzufrieden sind, sonst hätten sie so nicht gewählt. Jede neue Regierung muss sich dieser Verunsicherung stellen.“ Und weiter: „Deswegen ist es so wichtig, dass eine neue Bundesregierung großen Wert darauf legt, dass insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge, also auch im Gesundheitsbereich, eine Planbarkeit herrscht. Die Menschen müssen sich darauf verlassen, dass die Strukturen da sind und verlässlich funktionieren. Dem wird man sich als allererstes stellen müssen, und das entspricht auch unseren Forderungen an eine neue Bundesregierung – ganz egal, wie sie aussieht.“
Ungewissheit bei FDP und AfD
Unklar ist, wer künftig für die Liberalen und die AfD Gesundheitspolitik betreiben wird. Die AfD hat das Thema bislang gar nicht bedient. Bei der FDP haben sich in den vergangenen Monaten zumindest die stellvertretende Bundesvorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann aus Düsseldorf sowie Christine Aschenberg-Dugnus beschäftigt. Letztere saß bereits von 2009 bis 2013 im Parlament und war damals Mitglied des Gesundheitsausschusses. |
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