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Qualitäts- statt Preiswettbewerb

Ein Gutachten des Bundesverbands der Freien Berufe zeigt: Preisbindung ist bei Vertrauensgütern sinnvoll

Von Thomas Müller-Bohn | Nach den üblichen Regeln der Marktwirtschaft sorgt eine freie Preisbildung für eine gute Versorgung zu möglichst niedrigen Preisen. Doch diese Logik funktioniert nicht immer, beispielsweise nicht bei den typischen Leistungen der freien Berufe. Dies zeigt ein Gutachten, das kürzlich im Auftrag des Bundesverbands der Freien Berufe erstellt wurde und das sich ohne Mühe auf Arzneimittel aus Apotheken übertragen lässt.

Der Hintergrund für die Erstellung des Gutachtens dürfte das von der Europäischen Union geplante Dienstleistungspaket gewesen sein. Doch der Abschnitt über Preisregulierungen widerspricht zugleich der Grundidee des EuGH-Urteils zur Rx-Preisbindung, was allerdings nicht explizit angesprochen wird. Auch ABDA-Hauptgeschäftsführer Schmitz wies in seinem Geschäftsbericht beim Deutschen Apothekertag auf das Gutachten hin. Es zeige, dass die Einschränkung des Preiswettbewerbs bei Vertrauensgütern zu besserer Qualität führe. So bestätige auch dieses Gutachten den Sinn der Preisregulierung bei Rx-Arzneimitteln, bei denen das Vertrauen eine große Bedeutung habe.

Das Gutachten mit dem Titel „Aspekte der Deregulierung bei Freien Berufen“ wurde vom „Düsseldorfer Institute for Competition Economics“ (DICE) erstellt und am 1. Juni 2017 vorgelegt. Die Autoren sind Prof. Dr. Justus Haucap und Prof. Dr. Alexander Rasch vom DICE sowie Dr. Christian Waibel von der ETH Zürich. Haucap war von 2008 bis 2012 Vorsitzender der Monopolkommission. In dieser Funktion hatte er eine umfangreiche Deregulierung des deutschen Apothekensystems gefordert. Die Apotheken sollten demnach über eine Beratungsgebühr honoriert werden, die sie in Grenzen frei kalkulieren sollten, forderte Haucap noch im Jahr 2011.

Ergebnisse des Gutachtens

Das nun vorgelegte Gutachten kommt zu anderen Ergebnissen. Es betrachtet Deregulierungen unter Berücksichtigung der speziellen Marktcharakteristika freiberuflicher Tätigkeiten und leitet folgende Konsequenzen ab:

  • Eine Liberalisierung des Marktzutritts führe bei diesen Tätigkeiten meist zu einer ineffizient hohen Anbieterzahl und niedriger Qualität.
  • Preisuntergrenzen könnten in Märkten mit asymmetrischer Information die Qualität der Leistungen sichern und die Markteffizienz verbessern.
  • Bei der Einschätzung der Produktivitätsentwicklung müssten die fehlenden Möglichkeiten zur Rationalisierbarkeit und Delegierbarkeit freiberuflicher Dienstleistungen beachtet werden.
  • Der Regulierungsindikator der OECD könne zu einer verzerrten Darstellung der tatsächlichen Regulierungsdichte und -wirkung führen.

Erkenntnisse zur Preisbindung

Die hier interessierende Argumentation zur Preisbindung beruht auf der asymmetrischen Information, die für sogenannte Vertrauensgüter typisch ist. Dies sind Güter oder Dienstleistungen, bei denen der Anbieter über Expertenwissen verfügt und im Gegensatz zum Leistungsempfänger dessen Leistungsbedarf kennt. Als experimentelle Evidenz dazu verweisen die Autoren auf ein spieltheoretisches Experiment von Mimra, Rasch und Waibel, das 2016 publiziert wurde. Demnach verhindert Preiswettbewerb den Aufbau von Reputation. Bei festen Preisen bauen die Anbieter dagegen mithilfe der Qualität Reputation auf. Der Anteil von Leistungen zu geringer Qualität ist bei regulierten Preisen meist geringer als bei Preiswettbewerb. Für die Kunden wird die Qualität bei festen Preisen zur entscheidenden Größe, bei Preiswettbewerb ist es dagegen der Preis.

Außerdem stützt sich das Gutachten auf ein theoretisches Modell, das Pesendorfer und Wolinsky 2003 vorgestellt haben. Dabei geht es um eine Konstellation, bei der zunächst eine Diagnose nötig ist, bevor die Leistung erbracht wird. Dann führt Preiswettbewerb zu niedrigen Preisen und geringen Anstrengungen bei der Diagnose. Durch die notwendigen Zweitmeinungen wird dies letztlich ineffektiv, während eine Preisuntergrenze die Markteffizienz erhöht.

Folgen für den Preiswettbewerb

Die Gutachter folgern: „In Vertrauensgütermärkten führt Regulierung, die den Preiswettbewerb einschränkt, zu mehr Qualität und höherer Markteffizienz (d. h. zu Wohlfahrtsgewinnen).“ Der Grund für diesen Unterschied zu klassischen Märkten sei die Informationsasymmetrie. Die Verbraucher würden sich an den Preisen orientieren, weil sie die Qualität von Vertrauensgütern nicht einschätzen können. Dies führe zu einer zu starken Fokussierung auf den Preis. Anbieter könnten Gewinne fast nur noch durch Leistungen mit niedriger Qualität realisieren. Doch dies lasse sich durch Preisuntergrenzen verhindern.

Übertragung auf Apotheken

Die hier entscheidende Informationsasymmetrie ist für viele Leistungen freier Berufe typisch, aber das Gutachten geht nicht auf die Anwendung bei einzelnen Berufen ein, auch nicht auf Apotheken. Für die Übertragung auf Apotheken dürfte entscheidend sein, dass Apotheken Arzneimittel und die dazugehörige Beratung als Gesamtpaket anbieten. Die Arzneimittel unterscheiden sich zwischen verschiedenen Apotheken hinsichtlich ihrer Qualität nicht. Zusätzliche Aspekte wie die Erreichbarkeit der Apotheke und die Freundlichkeit des Personals können die Patienten selbst bewerten. Doch die entscheidende Informationsasymmetrie besteht bei der fachlichen Qualität der Beratung. Wenn der Preis zum maßgeblichen Wettbewerbskriterium wird, hätten die Apotheken einen Anreiz, ihre fachlichen Bemühungen zu verringern und sich stattdessen über den Preis zu profilieren. So liefert das Gutachten in Verbindung mit der hier dargestellten Übertragung auf Apotheken ein weiteres Argument für die Rx-Preisbindung als konstitutives Element eines leistungsfähigen Apothekensystems. |

Das Gutachten finden Sie auf der Homepage des Bundesverbandes der Freien Berufe unter www.freie-berufe.de. Wenn Sie den Webcode S8TW2 auf DAZ.online in das Suchfenster eingeben, gelangen Sie direkt zum Gutachten.

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