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Deutscher Apothekertag 2017
Rückenwind für Rx-Versandverbot
Zur Sicherstellung der Versorgung ist der Gesetzgeber gefordert, aber auch die Selbstverwaltung
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016, nach der die Arzneimittelpreisverordnung nicht für den Arzneimittelversand aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Deutschland gilt, hat den Geschäftsführenden ABDA-Vorstand und die Landesapothekerkammer Hessen veranlasst, der Forderung an den Gesetzgeber nach einem Rx-Versandverbot mit einem Votum des Deutschen Apothekertags Nachdruck zu verleihen. Das Rx-Versandverbot wird zur Sicherstellung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung als zwingend notwendig erachtet. Der entsprechende Antrag wurde einstimmig angenommen.
Darüber hinaus sprach sich die Hauptversammlung der Apothekerinnen und Apotheker dafür aus, zukunftsweisende Konzepte zur Weiterentwicklung der wohnortnahen Versorgung zu entwickeln und umzusetzen, die die Versorgung der Bevölkerung durch Apotheken vor Ort stärkt. Eingebracht worden war der Antrag von der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz. Da Rheinland-Pfalz ein Flächenland sei, gebe es hier immer wieder Probleme mit der Notdienstversorgung, so die Begründung. Wenn dann eine Apotheke schließen muss, stellt sich die Frage, wie es weitergehen soll. Zweigapotheke? Notapotheke oder Rezeptsammelstelle immer nur in Form eines Blechkastens? Hier ist nach Ansicht der LAK Rheinland-Pfalz auch vor dem Hintergrund neuer technischer Entwicklungen viel Luft nach oben. Auch kann sich die Kammer eine Weiterentwicklung der kollegialen Zusammenarbeit zum Beispiel bei der Herstellung von Rezepturen oder in der interdisziplinären Versorgung vorstellen. Ursprünglich hatte die LAK Rheinland-Pfalz ihren Antrag auch an den Gesetzgeber adressiert. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt sah darin jedoch ein problematisches Signal: „Apotheker wollen Gesetze ändern, weil sie keine andere Möglichkeit sehen!“ Nun soll zunächst innerhalb der apothekerlichen Selbstverwaltung versucht werden, bestehende Systeme auszubauen und deren Potenzial zu nutzen.
Kampf gegen Liefer- und Versorgungsengpässe
Obwohl die Problematik der Lieferengpässe schon seit Langem thematisiert und diskutiert wird, hat sich die Situation nicht verbessert. Im Gegenteil! Erstmals wurde auf einem Deutschen Apothekertag bestätigt, dass aus Lieferengpässen immer häufiger Versorgungsengpässe geworden sind. Vor diesem Hintergrund fordert die Hauptversammlung in einem mit großer Mehrheit verabschiedeten Leitantrag den Gesetzgeber auf, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, die nicht in bloßen kurzfristigen Zwangsmaßnahmen bestehen, sondern die vielfältigen Ursachen für Lieferengpässe ins Visier nehmen. Eine sichere Verfügbarkeit von Arzneimitteln zur Versorgung der Bevölkerung ist zu gewährleisten. Bei Rabattvertragsabschlüssen dürfe nicht nur der billigste Preis die Vergabe diktieren, die Versorgungssicherheit müsse mit berücksichtigt werden. Ausschreibungen für versorgungskritische Wirkstoffe bzw. Arzneimittel für lebensbedrohliche, schwerwiegende und seltene Erkrankungen sowie für Arzneimittel mit geringer therapeutischer Breite und wenigen Anbietern müssten per Gesetz gestoppt werden.
In einem Ad-hoc-Antrag zur Nicht-Lieferbarkeit von „Notfall“-Arzneimitteln wurde der Gesetzgeber aufgefordert, sicherzustellen, dass bei Nicht-Verfügbarkeit zugelassener Arzneimittel keine qualitativ minderwertige Ware abgegeben wird, bei der allein der abgebende Apotheker und der anwendende Arzt das Haftungsrisiko tragen müssen (siehe Kommentar „Systemwechsel“).
Antibiotika in Europa herstellen
Zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei Antibiotika, aber auch von Multiresistenzen wurde in einem weiteren Antrag die zukünftige Bundesregierung aufgefordert, sich intensiv für die Förderung der Antibiotika-Produktion und die Erforschung neuer antibiotisch wirksamer Substanzen innerhalb Europas einzusetzen.
Einhaltung der Lieferkette
Immer wieder können Großhändler ihrer gesetzlichen Lieferverpflichtung nicht mehr nachkommen, auch wenn die Defekte grundsätzlich über den Hersteller zu beziehen sind. Den Apotheken bleibt dann nur die aufwendige Direktbestellung oder die Bestellung über Pharma Mall und auch dann erhalten sie oft genug die Ware nicht in ausreichender Menge. Deshalb fordert die Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker den Gesetz- bzw. den Verordnungsgeber auf, die Einhaltung der Lieferkette „Pharmazeutische Industrie – Pharmazeutischer Großhandel – Apotheke“ im Interesse der Patientinnen und Patienten mit geeigneten Maßnahmen sicherzustellen. Der pharmazeutische Großhandel müsse wieder in die Lage versetzt werden, seine Rolle als herstellerneutraler Vollversorger auszufüllen, heißt es in der Begründung des mit großer Mehrheit verabschiedeten Antrags. Und zwar so, dass der Bedarf von Patienten werktäglich innerhalb einer angemessenen Zeit durch die mit dem Großhandel in Geschäftsbeziehung stehende Apotheke gedeckt werden kann. Zudem wird gefordert, dass die vorzuhaltenden Arzneimittel mindestens dem durchschnittlichen Be darf von zwei Wochen entsprechen müssen.
Hürden der Parenteralia-Versorgung
Auch Parenteralia, die keine Zytostatika sind, sollen in Zukunft nicht nur in Ausnahmefällen, sondern generell über eine andere Apotheke oder Krankenhausapotheke bezogen werden können. § 11 Abs. 3 Apothekengesetz soll entsprechend erweitert werden. An besondere Grenzen stößt die Abgabe von BtM-haltigen Parenteralia von einer Apotheke an eine andere in der ambulanten Versorgung von Palliativpatienten – Stichwort Versorgung mit Schmerzpumpen. Diese ist durch das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) nicht gedeckt. Daher fordert die Hauptversammlung den Gesetzgeber auf, die Ausnahmetatbestände der Erlaubnispflicht in § 4 Abs. 1 Nr. 1f im BtMG auf parenterale Darreichungsformen zur Deckung des nicht aufschiebbaren BtM-Bedarfs bei ambulant versorgten Palliativpatienten zu erweitern.
Teure Verwürfe
Zytostatika-herstellende Apotheken kämpfen immer wieder mit Verwürfen, die sich aus nicht praxistauglichen Packungsgrößen und fehlenden Haltbarkeitsdaten ergeben. Hier soll der Gesetzgeber dafür Sorge tragen, dass schon im Zulassungsverfahren pharmazeutische Unternehmen verpflichtet werden, nur solche Packungsgrößen in den Verkehr zu bringen, die einen größeren Verwurf bei der Herstellung üblicher Dosierungen vermeiden. Zudem sollen die Hersteller Stabilitätsdaten für Stammlösungen generieren, die eine Aussage über die Haltbarkeit von einer Woche erlauben.
Mehr Studienplätze und Stationsapotheker
Mindestens einen Stationsapotheker für 300 Klinikbetten! Diese Forderung soll zumindest in Niedersachsen schnellstmöglich im Rahmen der Änderung des Niedersächsischen Krankenhausgesetzes festgeschrieben werden. Die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg wünscht sich eine Ausweitung der Initiative. Ihr Antrag, mit dem der Gesetzgeber aufgefordert wird, die niedersächsische Initiative durch eine bundesgesetzliche Verankerung auszuweiten, wurde mit großer Mehrheit angenommen. Im gleichen Zug forderte die LAK Baden-Württemberg in einem weiteren positiv beschiedenen Antrag die Landesregierungen auf, das Studienplatzangebot für Pharmazie zu erweitern. Denn bei einer verpflichtenden Einführung von Stationsapothekern wird erwartet, dass verstärkt Apothekerinnen und Apotheker im Krankenhaus gebunden werden oder aus anderen Tätigkeitsbereichen wie der Offizin abwandern. Damit in der Offizin keine Personallücken entstehen, sollen rechtzeitig mehr Studienplätzen bereitgestellt werden. Zudem hat in Baden-Württemberg – durch konsequente Meldung freier Apothekerstellen an die Bundesagentur für Arbeit – der Apothekerberuf den offiziellen Status eines Mangelberufs. Das unterstreicht die Forderung nach Ausweitung der Studienplätze. Günther Hanke, Präsident der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg forderte die Kollegen aller Bundesländer auf, freie Apothekerstellen zu melden, um bundesweit eine offizielle Anerkennung als Mangelberuf zu erreichen und so der Forderung nach mehr Studienplätzen noch mehr Nachdruck zu verleihen.
Kritik an Aufsicht
In einem Ad-hoc-Antrag wurden die Aufsichtsbehörden aufgefordert, Augenmaß bei der Apothekeninspektion zu bewahren. Die Antragsteller wünschen, dass in Rezeptur und Labor auch Literatur jenseits der amtlichen berücksichtigt werden darf. Vor allem Apotheken, die sich auf TCM-Rezepturen spezialisiert haben, scheinen hier immer wieder in Konflikt zu geraten. Zudem kritisierten die Antragsteller eine nicht leistbare Annäherung an GMP-Richtlinien. In der Diskussion um diesen Antrag verwahrte sich Christian Bauer, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Pharmazieräte, gegenüber dem unterschwelligen Vorwurf, dass ehrenamtliche Pharmazieräte nicht kollegial seien und betonte, dass Vorschriften befolgt werden müssten. Vor allem die Jahrestreffen der Pharmazieräte dienten einer bundeseinheitlichen Umsetzung und Auslegung der gesetzlichen Vorgaben. Zudem gebe es immer die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. Doch es gebe auch Probleme. So seien in Sachen TCM-Spezialrezepturen Zertifikate notwendig, die die Verkehrsfähigkeit attestieren. Am Ende der Diskussionen wurde beschlossen, die komplexe Thematik in einem Ausschuss zu behandeln. |
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