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Deutscher Apothekertag 2017
Digitalisierung ja, aber ...
Eigentlich wäre für die Beratungen zu diesem Spezialthema ein Einführungsvortrag sinnvoll gewesen, der Begriffe klärt, der digitale Vorgänge erläutert. Dankenswerterweise meldete sich der Vorsitzende des Apothekerverbands Schleswig-Holstein, Dr. Peter Froese, der sich in diese Materie eingearbeitet hatte, mehrfach in der Antragsdiskussion zu Wort, um Missverständnisse auszuräumen und für klare Definitionen zu sorgen. Zudem hatte der AV Schleswig-Holstein gleich drei Anträge zum Thema Digitalisierung eingebracht, so dass er bereits in seiner Erläuterung der Anträge weitere Informationen dazu geben konnte.
Der Apothekerverband Nordrhein begrüßt prinzipiell die Vorteile der Digitalisierung, aber nicht um den Preis, dass Digitalisierung nur den kommerziellen Interessen einzelner Unternehmen dient. Die Aufrechterhaltung der flächendeckenden Versorgung durch die öffentlichen Apotheken sollte immer die oberste Maxime sein. Daher fordert der Apothekerverband den Gesetzgeber auf, bei allen Plänen zur Digitalisierung immer dafür Sorge zu tragen, dass die flächendeckende Arzneimittelversorgung durch öffentliche Apotheken vor Ort erhalten bleibt.
Als Chance für die Apotheker bezeichnete Froese den Einsatz von EDV-Systemen zur wissensgestützten Entscheidungsfindung in Apotheken. Solche Systeme, so der Antrag des AV Schleswig-Holstein, können Apotheker letztlich auch für Betreuung und Beratung der Patienten nutzen. Im weitesten Sinne geht es bei diesen Systemen um die Methode des „Deep Learnings“ von Rechnern, das bedeutet, dass sie auch umfangreiche natürlich-sprachliche Datenquellen wie Fachartikel und Publikationen mit strukturierten großen Datenmengen verknüpfen können. In anderen Fachbereichen der Forschung, der Versicherungswirtschaft, der Rechtsfindung oder Medizin werden solche Systeme bereits eingesetzt. Froese: „Wir müssen solche Systeme der Künstlichen Intelligenz (KI) prüfen, inwieweit sie uns helfen können. Wenn wir es nicht tun, dann macht es die wilde Welt da draußen sowieso.“ Ihm sei es wichtig, dass solche Systeme den persönlichen Filter des Heilberufs durchlaufen. ABDA-Präsident Schmidt begrüßte den Antrag, meinte aber, solche Systeme dürften die Rolle des Apothekers nicht gefährden. Man sollte den Gesetzgeber bitten, Mindestanforderungen einzuhalten.
Erneut stand ein Antrag der Apothekerkammer Hamburg zur Debatte, der sich dafür ausspricht, eine App zu entwickeln, mit der die ABDA-Datenbank auf mobilen Endgeräten (Smartphones, Tablets) zur Verfügung steht. Dies könne Apothekern bei ihrer Tätigkeit unterwegs (im Heim, bei der Krankenhaus-Visite etc.) helfen. Im letzten Jahr sah die ABDA hier mögliche Probleme darin, wer eine solche App entwickeln solle, da die ABDA-Töchter selbst wohl nicht in die App-Entwicklung einsteigen wollen, sondern nur die Daten generieren. Damit dieser Antrag nicht abgelehnt wird, beantragte die Kammer Hamburg vorsorglich, ihn in einen Ausschuss zu verweisen, um ihn in Ruhe diskutieren zu können.
Patientenakte, Patientenfach oder „Gesundheitscloud“
Die deutschen Apotheker wollen endlich die elektronische Patientenakte, auf die Arzt und Apotheker zugreifen können, und das elektronische Patientenfach, auf das der Patient zugreifen kann, um seine Arzt- und Gesundheitsbefunde einsehen zu können. Der Antrag der Apothekerkammer Westfalen-Lippe fordert die Bundesregierung auf, die Arbeiten an diesen Projekten zu intensivieren und notfalls ein weiteres E-Health-Gesetz zu beschleunigen. Hört sich einfach an, ist aber komplex wegen unterschiedlicher Interessen der Beteiligten wie beispielsweise Gematik und Krankenkassen. Gabriele Overwiening, Präsidentin der AK Westfalen-Lippe, erläuterte den Antrag und wies darauf hin, dass die Apotheker in der Gematik bei der elektronischen Patientenakte mitarbeiten: „Unser Wort wird hier gehört!“ Der sichere Weg über die Gematik sei also der bessere Weg, dies bezwecke der Antrag. Das elektronische Patientenfach dagegen könnte schon bald auch zu einer Gesundheitscloud für den Patienten ausgebaut werden, in der er seine kompletten Gesundheitsdaten, die Daten von Fitness-Trackern und mehr speichern kann. Möglicherweise werden hier auch private Anbieter mitmischen wollen. Daher sollten sich, so ein Redebeitrag von Claudia Korf, Abt. Wirtschaft, Soziales und Verträge (WISO) der ABDA, Ärzte und Apotheker eher um die E-Patientenakte kümmern. Das E-Patientenfach könnten dagegen die Krankenkassen vorantreiben. Die beiden Anträge zu diesen Themen nahm die Hauptversammlung an.
Netzwerk für Heilberufler
Ein Ad-hoc-Antrag von Dr. Otto Quintus Russe und Kollegen setzte sich dafür ein, zeitnah ein eigenes sicheres Netz für Apothekerinnen und Apotheker aufzubauen. Ein solches Netz war zwar bereits auf dem Apothekertag 2015 beschlossen worden, aber bis heute ist es nicht umgesetzt. Der Antrag stieß auf große Zustimmung, zumal ein solches Netz zur Unterstützung der heilberuflichen Tätigkeit schon überfällig ist.
Wunsch der Landesapothekerkammern von Hessen und Baden-Württemberg war es, eine Plattform und Regeln zu entwickeln, die es dem Arzt oder Notdienstapotheken ermöglichen, die Verfügbarkeit von Arzneimitteln in Notdienstapotheken in einem definierten Umkreis zu prüfen. Die anfängliche hessische Idee, eine App hierfür zu entwickeln, wurde rasch fallen gelassen – hier regte sich zu sehr Widerstand, da man fürchtete, über eine solche App könnten Außenstehende und Mitbewerber in das Warenlager der Notdienstapotheke Einblick nehmen. Die baden-württembergische Variante, die eine wie auch immer ausgestaltete und nicht näher erläuterte Plattform und Regeln befürwortete, war für beide Kammern konsensfähig, aber nicht für das Plenum. Digitalisierungsskeptiker meinten, ein Telefonanruf tut’s auch oder man könne doch im Notdienst so manches mit Augenmaß und auf dem kleinen Dienstweg regeln. Die Missverständnisse konnten nicht ausgeräumt werden. Und bevor eine prinzipiell sinnvolle Idee, mit der man dem Patienten unnötige Wege ersparen kann, vollkommen abgelehnt wurde, verwies das Plenum den Antrag auf Anregung von Kammerpräsident Hanke in einen Ausschuss.
Eine Forderung des Apothekertags war, einen alltagstauglichen und professionellen Arzt-Apotheker-Kommunikationsdienst einzurichten. Wie der schleswig-holsteinische Verbandschef Froese hierzu erläuterte, wolle man damit neben Telefon und Fax eine weitere Plattform zur Kommunikation zwischen Arzt und Apotheker schaffen. Der Antrag stieß auf große Zustimmung, auch beim ABDA-Präsidenten, zumal eine solche Kommunikationsplattform auch Bestandteil des Perspektivpapiers sei. Schmidt: „Wir sind schon mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Gespräch.“
Ein weiterer Antrag aus Schleswig-Holstein sprach sich dafür aus, eine eigene Schnittstelle einzurichten, um den Austausch von Retaxationsdaten zwischen Apotheken und Apothekerverbänden zu gewährleisten. Froese erklärte, dass der datenschutzkonforme Austausch der Daten nicht in Richtung GKV gehen solle. Der Antrag wurde angenommen.
Zum Schluss noch ein Antrag aus der Praxis: Da man in der Apotheke immer wieder nach älteren Arzneimitteln und Medizinprodukten gefragt werde, die bereits seit Längerem außer Handel seien, regte die Sächsische Landesapothekerkammer an, in Zukunft alle relevanten Daten solcher nicht mehr im Verkehr befindlichen Arzneimittel mindestens fünf statt bislang zwei Jahre zur Verfügung zu stellen. So könne man die Zusammensetzung dieser älteren Präparate einsehen und den Patienten gegebenenfalls mit ähnlichen Präparaten, die sich im Handel befinden, oder mit eigenen Zubereitungen helfen. Der Antrag stieß auf breite Zustimmung. |
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