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Arzneimittel und Therapie
Wer hat Angst vor Cortison?
Warum viele Neurodermitis-Patienten Glucocorticoide meiden
Die Autoren des Reviews suchten zunächst in elektronischen Datenbanken wie Medline und PubMed nach Veröffentlichungen zu dieser Thematik im Zeitraum Januar 1949 bis Oktober 2016. Von den 490 gefundenen Artikeln erfüllten 16 die vorher definierten Einschlusskriterien. Die Zahl der Studienteilnehmer lag darin zwischen 73 und 2002.
Corticoid-Phobie scheint ein weltweites Phänomen zu sein, denn die Studien waren in 16 Ländern auf fast allen Kontinenten durchgeführt worden. Deutschland war mit zwei Veröffentlichungen einer Arbeitsgruppe des Berliner Allergie-Centrums-Charité unter Prof. Dr. Torsten Zuberbier vertreten. Die Häufigkeit der Cortison-Angst lag in den Studien zwischen 21,0% und 83,7%. Zwei Studien hatten die Therapieadhärenz zwischen Patienten mit und ohne Cortison-Angst verglichen. Es zeigte sich eine signifikant höhere Non-Adhärenzrate in den „Phobie-Gruppen“ (49,4% vs. 14,1% bzw. 29,3% vs. 9,8%).
Die Gründe für die Zurückhaltung bei der Anwendung von topischen Glucocorticoiden sind sehr unterschiedlich. In den ausgewerteten Studien lag die Angst vor Hautverdünnung bzw. vor Wachstums- und Entwicklungsverzögerungen auf Platz 1 bzw. 2. Aber auch Ängste vor Hautverblassung, vor Brennen beim Auftragen der Zubereitung, vor Hautalterung, Faltenbildung sowie unspezifischen Langzeitfolgen waren genannt worden.
Was ist Cortison-Angst?
Die Autoren des Reviews fanden bei ihren Recherchen heraus, dass die Messinstrumente zur Bestimmung des Grades der Cortison-Angst nicht standardisiert und die Definitionen uneinheitlich sind. Begriffe wie Corticoid-Phobie, Steroid-Phobie oder Steroid-Angst stehen für ein Spektrum von Emotionen, das von leichten Bedenken bis hin zu irrationalen Ängsten reicht.
Die in den Literaturquellen verwendeten Fragebögen waren mehr oder weniger umfangreich, die Zahl der Fragen lag zwischen einer und 69. Zukünftig sollten standardisierte Messinstrumente eingesetzt werden, um das Phänomen zu charakterisieren, so die Experten. Dann könnte auch die Effektivität von möglichen Interventionen eingeschätzt werden.
Wenn Fachkreise Angst schüren
Als Quellen für Informationen über Corticoide nutzten die Studienteilnehmer neben den Packungsbeilagen auch Printmedien, Fernsehen und das Internet. Oder sie holten sich bei Freunden oder Verwandten sowie Ärzten oder Apothekern Rat. Anderen Studien zufolge gibt es jedoch Grund zu der Annahme, dass in einigen Fällen die Beratung durch medizinische Fachkreise die Ängste der Patienten eher schürt als abbaut. So verschickte man z. B. 2016 in Frankreich an 500 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Apotheken standardisierte Fragebögen mit 50 Punkten. Darin wurden das Wissen und das Beratungsverhalten rund um die Behandlung mit topischen Glucocorticoiden bei Kindern und Jugendlichen mit atopischer Dermatitis erfragt. Die Auswertung ergab – bei einer Rücklaufquote von 39% –, dass unter Frankreichs Apothekern offenbar Vorbehalte gegen diese Therapieform bestehen. So würden einige von ihnen den Eltern Behandlungsempfehlungen geben, die nicht mit den französischen Leitlinien übereinstimmen. Dazu zählt beispielsweise der Rat, die verordnete Behandlung so lange wie möglich hinauszuzögern. Mehr als die Hälfte der Befragten war der Meinung, dass topische Steroide nicht länger als vier Tage eingesetzt werden sollten. In einer deutschen Untersuchung mit Patienten, die ein topisches Corticoid gegen allergische Rhinitis anwendeten, gaben diese an, von Ärzten und Apothekern nur wenige Informationen zu erhalten, sodass es ihnen an Vertrauen in die verordnete Therapie mangelte. |
Quelle
Li AW et al. Topical corticosteroid phobia in atopic dermatitis. A systematic review. JAMA Dermatol 2017, online 19. Juli 2017, DOI:10.1001/jamadermatol.2017.2437
Raffin D et al. Corticosteroid phobia among pharmacists regarding atopic dermatitis in children: a national french survey. Acta Derm Venereol 2016;96:177-180, DOI: 10.2340/00015555-2157
Zuberbier T et al. Use of topical steroids is largely restricted by irrational emotional concerns in both patients and physicians. Allergy 2008;63:1559-1565
S2k-Leitlinie Neurodermitis, Hrsg. Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG), AWMF-Registernummer: 013-027, Stand 03/2015, gültig bis 05/2018
Leitlinienempfehlung
Die aktuell gültige S2k-Leitlinie Neurodermitis empfiehlt in Anlehnung an internationale Empfehlungen eine Stufentherapie, die an den aktuellen Hautzustand angepasst ist. Ab Stufe 2 (leichte Ekzeme) können niedrig potente topische Glucocorticoide und/oder topische Calcineurininhibitoren zum Einsatz kommen. Diese Substanzen sollen konsequent ein- bis zweimal täglich bis zum Verschwinden der Läsionen angewendet werden.
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