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„Ich möchte keine Ketten!“
Die Grüne Kordula Schulz-Asche über die Apotheken, das EuGH-Urteil und ihre Stamm-Apothekerin
DAZ: Sie waren jetzt Ihre erste Legislaturperiode im Bundestag und haben sich gleich einen Namen als Gesundheitspolitikerin gemacht. Wie sieht denn Ihre persönliche Bilanz nach vier Jahren im Bundestag aus?
Kordula Schulz-Asche: Ich bin ja im Gesundheitsausschuss und im Unterausschuss bürgerschaftliches Engagement tätig, und beides liegt mir sehr. Im Landtag hat man, was Gesundheitspolitik angeht, doch sehr beschränkte Gestaltungsmöglichkeiten – vor allem, wenn man in der Opposition ist. Mir hat die Arbeit im Bundestag sehr viel Spaß gemacht, und ich hoffe, dass ich in der nächsten Legislaturperiode weitermachen kann.
Ich glaube, dass unser gesamtes Gesundheitswesen vor einer extremen Herausforderung steht. Und zwar sowohl in der ärztlichen als auch in der pharmazeutischen als auch in der pflegerischen Betreuung. Wir haben einen Zuwachs von älteren Menschen mit zunehmender Immobilität, außerdem ein wachsendes Maß an Multimorbidität. Gleichzeitig betrifft der demografische Wandel nicht nur die Patienten, sondern auch die hochqualifizierten Heilberufe. In dieser Situation müssen wir in allen Regionen Deutschlands eine gute Gesundheitsversorgung sicherstellen. Die Apotheken vor Ort gehören für mich unbedingt dazu.
Sommerinterviews vor der Bundestagswahl
Die Bundestagswahl rückt immer näher. Höchste Zeit, in Erfahrung zu bringen, wie die einzelnen Parteien zum Gesundheitssystem im Allgemeinen und der Apotheke im Speziellen stehen. Die Deutsche Apotheker Zeitung führt deshalb in diesem Sommer Interviews mit den Gesundheitsexperten derjenigen Parteien, die eine Chance haben, in den nächsten Bundestag einzuziehen. Das Interview mit Kordula Schulz-Asche macht den Anfang dieser Serie.
DAZ: Wie sieht der Vorschlag der Grünen aus, mit dieser gesellschaftlichen Entwicklung umzugehen?
Schulz-Asche: Wir schlagen vor, in Gesundheitsregionen zu denken. In unserem Wahlprogramm finden Sie wenig zu einzelnen Berufsgruppen, sondern immer Generelles. Denn wir glauben, dass in der Gesundheitsregion alle Gesundheitsberufe miteinander kooperieren müssen, um miteinander die Patienten gut zu versorgen. Das Zweite ist, wie man eine entsprechende Vergütung für die einzelnen Leistungen der verschiedenen Gesundheitsberufe regelt. Deshalb ist es notwendig, dass wir uns zu Beginn der nächsten Legislaturperiode zusammensetzen, wenn wir das Gutachten aus dem Bundeswirtschaftsministerium zur Preisgestaltung haben. Und zwar zusammen mit Apothekern. Das wird eine große Herausforderung.
„Es muss für einen Apotheker möglich sein, zu beraten, ohne eine Packung verkaufen zu müssen.“
DAZ: Bei Projekten zu Gesundheitsregionen haben Apotheker die Erfahrung gemacht, dass sie hinten runterfallen. Wie könnte das Zusammenspiel der Gesundheitsberufe funktionieren, ohne dass es von einer Berufsgruppe dominiert wird?
Schulz-Asche: Das ist auch meine Erfahrung. Wir reden seit zehn Jahren über die mangelnde ärztliche Versorgung im ländlichen Raum, aber das Thema Apotheke war am Anfang nicht mit auf der Tagesordnung. Es ist tatsächlich ein Problem der Organisationsstrukturen. Die Ärzteschaft ist sehr gut organisiert durch die Kassenärztliche Vereinigung, die Kammern und auch die Gewerkschaft. Es kommt darauf an, den Apotheken bei solchen regionalen Ansätzen auch eine Stimme zu geben. Gerade im ländlichen Raum sind diese eher Einzelkämpfer.
DAZ: In der zu Ende gehenden Legislaturperiode gab es viele Diskussionen über die Honorierung der Apotheker, demnächst wird auch das vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragte Gutachten dazu fertig. Sie haben sich mehrfach gegen eine Erhöhung des Packungshonorars ausgesprochen.
Schulz-Asche: Man muss sich überlegen, was honoriert werden soll. Das heutige Modell ist für viele Apotheken Gold wert – für andere nur Sand. Die Beratungsleistung ist ein hoher Wert der Apotheken vor Ort und muss dementsprechend auch eigenständig honoriert werden. Es muss für einen Apotheker auch möglich sein, zu beraten, ohne eine Packung verkaufen zu müssen. Der zweite Punkt ist, dass man sich überlegen muss, wie man die Existenz von Apotheken im ländlichen Raum sichert.
DAZ: Das heißt also: Abkehr vom einheitlichen Abgabehonorar für einzelne Packungen und dafür neue Honorierungskomponenten wie eine Beratungspauschale?
Schulz-Asche: Das wird in diese Richtung gehen. Das Entscheidende ist, dass man versucht, gemeinsam mit den Vertretern der Apotheker eine Lösung zu finden. Die Patienten müssen versorgt werden, und dafür muss man Organisations- und Finanzierungsstrukturen finden. Das kann nicht die Politik alleine bestimmen. Deshalb ist ein Dialog zwischen der Apothekerschaft und der Politik der richtige Weg. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es auch unter Apothekern unterschiedliche Interessen gibt.
DAZ: Haben Sie die Erwartung, dass die Apotheker Ideen und Vorschläge liefern, oder ist das eine politische Aufgabe?
Schulz-Asche: Ich weiß, dass es durchaus sehr interessierte und engagierte Apotheker gibt, die solche Konzepte und Lösungen haben. Ich bin ja seit dem EuGH-Urteil mit einer Reihe von Apothekern in ständiger Diskussion. Man muss schauen, ob die unterschiedlichen Vorschläge, die jeder aus der Lage seiner Apotheke heraus macht, untereinander kompatibel sind.
DAZ: Die Standesvertretung haben Sie jetzt gar nicht erwähnt. Absichtlich?
Schulz-Asche: Die Standesvertretung hat ihre Rolle. Sie muss alle ihre Mitglieder gegenüber der Politik vertreten, was auch sinnvoll ist. Aber wenn wir innovative neue Lösungen finden wollen, dann sind einzelne Apotheker die bessere Anlaufstelle. Diese sind ja alle auch Mitglied der Standesvertretung.
DAZ: Sie haben eben das EuGH-Urteil angesprochen. Waren Sie denn von dem Urteil, so wie es am 19. Oktober verkündet wurde, überrascht?
Schulz-Asche: Nein, besonders überrascht war ich nicht. Wovon ich allerdings überrascht war, war, dass das Rx-Versandhandelsverbot schon diskutiert wurde, bevor das Urteil da war. Und mich hat auch überrascht, dass sich danach nichts mehr geändert hat, sondern die Antwort immer die gleiche geblieben ist.
„Die Diskussion über das Versandhandelsverbot hat eine schnelle Lösung verhindert.“
DAZ: Zum Versandhandelsverbot haben Sie sich ja relativ schnell ablehnend positioniert. Verstehen Sie die Sorge der deutschen Apotheker, dass durch das Urteil das bestehende System grundlegend verändert, manche sagen auch zerstört werden könnte?
Schulz-Asche: Ich habe viel Verständnis dafür, dass man in der aktuellen Situation verunsichert ist. Das hat, glaube ich, gar nicht nur mit dem Urteil zu tun, sondern auch damit, dass sich die Versorgungslandschaft insgesamt stark verändert. Dass in solchen Situationen Einflüsse von außen wie das Urteil zu weiterer Verunsicherung führen, ist nachvollziehbar. Wir als Grüne haben als Erste gesagt, dass wir uns dringend positionieren müssen. Wir haben dann eine Veranstaltung organisiert, die auch viel Beachtung gefunden hat.
DAZ: Das Fachgespräch am 18. November im Bundestag, an dem auch ABDA-Präsident Friedemann Schmidt und DocMorris-Vorstand Max Müller teilgenommen haben …
Schulz-Asche: Wir hatten ein ganz breit aufgestelltes Podium und haben gefragt „Was sind denn jetzt Lösungswege?“ Ich habe immer gesagt, weshalb ich das Versandhandelsverbot in dieser Situation falsch finde und aus europa- und verfassungsrechtlichen Gründen für nicht umsetzbar halte. Deshalb brauchen wir zwei Lösungen: Die eine muss schnell gehen, damit die großen Versandapotheken nicht mit hohen Boni in den Markt einbrechen. Als Zweites brauchen wir außerdem eine grundsätzliche Überlegung, wie die Preisbindung und die Preisgestaltung aussehen könnten. Die Diskussion über das Versandhandelsverbot hat die schnelle Lösung verhindert. Ich bin sehr unzufrieden, wie das Ganze gelaufen ist, weil ich wirklich der Meinung bin, dass Apotheken, die im Moment schon um ihre Existenz kämpfen, zusätzlich Probleme bekommen werden.
DAZ: Wie hätten Sie denn kurzfristig auf das Urteil reagiert?
Schulz-Asche: Eine schnelle Lösung wäre gewesen, die Boni zumindest auf einen Höchstbetrag pro Rezept zu begrenzen. Damit standen wir auch nicht allein. Dann hätte man eine Lösung gehabt, mit der man zumindest über die Wahl kommt. Nach der Wahl, mit dem Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums in der Hand, hätte man in Ruhe diskutieren können, wie man den ganzen Preisbereich neu aufstellt.
DAZ: Auch beim Boni-Deckel gibt es Zweifel, ob dieser vor dem EuGH standhalten würde. Auch er sei eine Preisbeschränkung, die ein Handelshemmnis gleicher Art darstellt.
Schulz-Asche: Der EuGH hat nicht gesagt, dass eine Boni-Beschränkung problematisch ist, sondern die Preisbindung – da gibt es schon Unterschiede. Außerdem hat der EuGH der Bundesregierung vorgeworfen, dass sie nicht nachgewiesen habe, dass die Preisbindung für die flächendeckende Versorgung notwendig ist oder diese erhält. Vermutlich würde es auch mit einem Boni-Deckel zu einem neuen Gerichtsverfahren kommen. Aber das wäre ein anderes Verfahren.
DAZ: Der zweite Einwand gegen Ihren Vorschlag ist, dass selbst kleine Boni schon für viele Apotheken existenzbedrohend wären. Besonders gefährdet seien dabei ausgerechnet Apotheken, die nicht besonders profitabel, aber für die Versorgung wichtig sind.
Schulz-Asche: Das sehe ich ganz genauso. Deshalb sollten die beschränkten Boni eine kurzfristige Lösung sein. Das wird sicherlich einigen Apotheken wehtun, wenn man Boni von maximal einem Euro pro Rezept geben kann. Wer es sich nicht leisten kann, muss es aber nicht tun – und ich kann mir vorstellen, dass es im ländlichen Raum an bestimmten Standorten durchaus möglich ist, auf Boni zu verzichten. Boni bis zu 30 Euro pro Rezept, wie sie von niederländischen Versandapotheken beworben werden, hätte man meiner Meinung nach auf diese Weise aber verhindern können.
Kordula Schulz-Asche
Die Grüne Kordula Schulz-Asche ist seit 2013 Bundestagsabgeordnete. Sie ist ordentliches Mitglied im Gesundheitsausschuss und Sprecherin ihrer Fraktion für Prävention und Gesundheitswirtschaft sowie Bürgerschaftliches Engagement.
Zuvor war sie zehn Jahre lang Abgeordnete im Hessischen Landtag, wo sie Sprecherin für Sozial-, Demografie-, Gesundheits- und Behindertenpolitik und stellvertretende Fraktionsvorsitzende war. Von 1983 bis ‘85 war sie für die Alternative Liste im Berliner Abgeordnetenhaus die jüngste Fraktionsvorsitzende in der deutschen Geschichte.
Schulz-Asche ist ausgebildete Krankenschwester und hat Kommunikationswissenschaften studiert. Von 1986 bis 1998 lebte sie in verschiedenen afrikanischen Ländern. Sie arbeitete für verschiedene Entwicklungsorganisationen im Bereich Gesundheitsaufklärung und bei der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ).
DAZ: Sie haben einmal gesagt, Sie hätten noch nie in einer Versandapotheke bestellt. Haben Sie denn eine Stamm-Apotheke?
Schulz-Asche: Ja, das stimmt, ich habe noch nie in der Versandapotheke bestellt. Und ich habe eine Stamm-Apotheke.
„Viele junge Apotheker möchten sich gar nicht selbstständig niederlassen, sondern lieber angestellt arbeiten. Das ist ein gesellschaftlicher Wandel, den man beobachtet.“
DAZ: Was ist besonders an dieser Apotheke?
Schulz-Asche: Ich habe einen tollen Hausarzt, zu dem meine ganze Familie seit vielen Jahren geht. Und wenn ich bei ihm aus der Tür komme, ist nebenan eine kleine, aber feine Apotheke. Die Apothekerin ist immer hilfsbereit – aber auch mal streng, wenn sie den Eindruck hat, dass man sich nicht an ihre Angaben hält. Die sagt auch mal mit Nachdruck: „Das müssen Sie anders machen!“ So wie ich mir eine richtig gute Apothekerin vorstelle. Ich bin hochzufrieden.
DAZ: Was macht für Sie generell eine gute Apotheke aus?
Schulz-Asche: Eine gute Apotheke muss drei Sachen leisten: Zuerst ist eine Apotheke mehr als eine Verkaufsstelle. Ein Patient sollte wissen, dass er dort eine erste Anlaufstelle hat, an die er sich in allen Gesundheitsfragen wenden kann, ohne gleich zum Arzt gehen zu müssen.
Das Zweite ist die pharmazeutische Leistung. Zu schauen, was braucht der Patient an Arzneimitteln, was nimmt er schon. Dem Patienten die Arzneimittel zu empfehlen, die zu ihm persönlich passen. Das ist etwas, was nur ein Apotheker vor Ort leisten kann, der den Patienten sieht, seine Familie kennt und der auch weiß, was er noch alles sonst so einkauft in der Apotheke.
Das Dritte ist die hochqualifizierte Beratung, die sich auf verschreibungspflichtige Arzneimittel bezieht, die ja oft in Therapiekonzepte eingebunden sind. Zum Beispiel, wenn ein Tumorpatient mit einer Erkältung in die Apotheke kommt, dessen Therapiekonzept mit dieser an sich banalen leichteren Erkrankung in Zusammenhang zu bringen. Dazu kommt das Beantworten von komplexen pharmazeutischen Fragestellungen – und dem Patienten das alles vermitteln zu können. Diese Beratung wird an Bedeutung zunehmen. Da denke ich, dass einige Apotheken Nachholbedarf haben. Es könnte auch sein, dass sich hier einzelne Apotheken spezialisieren und mit Schwerpunktpraxen zusammenarbeiten. Das haben wir schon im Bereich der Zytostatika, wo sich ganz natürliche Partnerschaften zwischen dem örtlichen Apotheker und einer Schwerpunktpraxis gebildet haben. Das kann auch in anderen Bereichen passieren.
DAZ: Glauben Sie, dass das heutige inhabergeführte System das Richtige ist, um diese Versorgung weiterhin flächendeckend zu sichern? Vor der letzten Bundestagswahl haben Sie gesagt, das Fremd- und Mehrbesitzverbot sei dafür nicht zwingend notwendig.
Schulz-Asche: Unser System hat sich bewährt, ich möchte keine Apothekenketten. Ich möchte keine Situation wie bei den Optikern, wo riesige Ketten den Markt bestimmen. Aber es gibt eine zunehmende Anzahl von Apothekern, die sich nicht selbstständig niederlassen will, sondern lieber in der Apotheke eines anderen angestellt sein möchte. Das ist ein gesellschaftlicher Wandel, den man bei vielen jungen Menschen mit hochqualifizierter Ausbildung beobachten kann.
Es müssen ja nicht nur die Patienten angemessen versorgt werden, sondern auch die Apothekerinnen und Apotheker die ihnen genehmen Formen des Arbeitens finden. Aber das Wichtigste ist – und daran werden sich alle Reformen in Zukunft messen lassen müssen –, die flächendeckende Versorgung sicherzustellen.
DAZ: Also werden Änderungen im Apothekensystem eher aus dem Berufsstand heraus angestoßen werden?
Schulz-Asche: Wir haben zurzeit auf dem Apothekenmarkt ein ungleichmäßiges Wachstum, auch im ländlichen Raum. Wir haben Orte, die gar nicht mehr versorgt sind. Andere Apotheken in größeren Orten profitieren davon, weil zunehmend die Bewohner aus dem Umland zu den Ärzten und damit auch zu den Apotheken kommen. Wenn man solche starken Strukturveränderungen innerhalb einer Versorgungsgruppe hat, dann muss man zusammen mit den Betroffenen im Einzelfall überlegen, welche Möglichkeiten es gibt. Wenn es keine Apotheke mehr gibt, könnte vielleicht auch ein Apotheker eine Filiale gründen, der schon drei Filialen hat. Man müsste abwägen, was wichtiger ist: die Versorgung oder das Mehrbesitzverbot. Und wenn es nicht anders geht, muss eben die Kommune die Apotheke betreiben und einen Apotheker anstellen – diese Möglichkeit gibt es ja heute schon, auch wenn das bisher nicht nötig war.
DAZ: Kann der Versand in solchen Situationen die Versorgung sicherstellen?
Schulz-Asche: Ich sehe den Versand als Ergänzung, nicht als Ersatz.
DAZ: Ist er als Ergänzung notwendig?
Schulz-Asche: Es gibt in Deutschland den Arzneimittelversand seit 13 Jahren und von 2004 bis 2012 übrigens auch schon mit Boni, ohne dass sein Marktanteil wesentlich zugenommen hätte. Es ist eine in Deutschland etablierte Form des Vertriebs. Solange es keine Verwerfungen gibt, die auf den Vertriebsweg zurückzuführen sind und nicht auf extreme Boni, stellt er kein Problem dar. Es gibt ja auch viele deutsche Apotheker, die selbst als Versandhändler tätig sind. Das hat mich in dieser Diskussion schon gestört, dass hier nicht immer sauber argumentiert wurde. Das gilt übrigens auch für die Länder, in denen der Rx-Versand verboten ist. Dort hat er eben nie existiert. Das ist schon etwas anderes, als wenn ein etabliertes Geschäft wieder abgeschafft wird.
DAZ: Kommen wir noch zu einem anderen Thema: Ein Problem für die Apotheken, Hersteller und Patienten sind zunehmend die Arzneimittel-Lieferengpässe. Welche Lösungsansätze sehen Sie hier?
Schulz-Asche: Es gibt um die zehn Gründe, warum es bei bestimmten Arzneimitteln oder Impfstoffen zu Lieferengpässen kommt, angefangen bei der Produktion im Ausland über gewollte Engpässe hin zu Problemen durch Rabattverträge. Jeder dieser Gründe muss gezielt angegangen werden. Diese Aufgabe wird in der nächsten Legislaturperiode oben auf der Liste stehen. Alle Beteiligten müssen sich zusammensetzen, da müssen auch das Paul-Ehrlich-Institut und das BfArM dabei sein. Auch die Apotheker sind wichtig, bei ihnen werden die Engpässe oft als erstes bemerkbar. Wir müssen auch schauen, ob man nicht Anreize schaffen kann, wieder mehr in Deutschland zu produzieren. Vor allem bei Generika ist es ein Problem, dass die Wirkstoffherstellung hier teurer ist als in Indien oder in China. Und für Unternehmen sollte es verpflichtend sein, Lieferprobleme rechtzeitig zu melden.
„Man muss abwägen, was wichtiger ist: Die Versorgung oder das Mehrbesitzverbot. Wenn es nicht anders geht, muss eben die Kommune die Apotheke betreiben.“
DAZ: Braucht es gesetzliche Regelungen? Die bisherigen Maßnahmen haben ja überwiegend appellativen Charakter.
Schulz-Asche: Eine Meldepflicht ist für die Unternehmen schon unangenehm. Das kann ich auch nachvollziehen. Aber das muss man hinnehmen. Wenn das Unternehmen selbst das Problem abstellen kann, ist das umso besser, dann braucht man nicht eingreifen. Deshalb finde ich eine Meldepflicht gut.
DAZ: Es waren auch schon weitergehende Maßnahmen im Gespräch: die verpflichtende Lagerhaltung für mehrere Wochen etwa oder Strafzahlungen. Sie würden aber vorerst auf die Meldepflicht setzen?
Schulz-Asche: Ja, weil ich von den anderen Maßnahmen überhaupt nichts halte. Viele essenzielle Arzneimittel sind teuer und nicht lange haltbar. Was soll mir das denn helfen, wenn ich die auf Lager habe? Das sind unglaubliche Kosten, die sind nur gerechtfertigt, wenn keine andere Lösung existiert. Ein Unternehmen schadet sich doch selbst, wenn öffentlich wird, dass es immer wieder Lieferprobleme hat. Daher sollte es ein großes Interesse daran haben, das zu verhindern.
DAZ: Wenn die Grünen nach der Bundestagswahl in die Regierung kämen, welches gesundheitspolitische Thema gehört Ihrer Meinung nach unbedingt in einen Koalitionsvertrag?
Schulz-Asche: Die Frage der Preisgestaltung bei den Apotheken gehört da meiner Meinung nach unbedingt rein. Dieses Problem muss gelöst werden. Ich hätte auch schon einen schönen Namen für den Weg zu einer solchen Regelung: der „Apothekendialog“, in Anlehnung an den Pharmadialog. Dann aber hoffentlich mit mehr Beteiligung des Parlaments und auch mit Ergebnissen, die mehr im Sinne der Patienten und Apotheker sind.
DAZ: Hätten Sie Lust, in einem solchen Regierungsbündnis Gesundheitsministerin zu werden?
Schulz-Asche: Das ist eine ganz gemeine Frage. Ich glaube, Gesundheitsministerin zu sein, ist eine der schwersten Aufgaben, die man in der Regierung haben kann, und ich weiß nicht, ob ich dafür die Nerven hätte.
DAZ: Gäbe es einen anderen Posten, den Sie lieber machen würden?
Schulz-Asche: Ja (lacht).
DAZ: Verraten Sie uns, welchen?
Schulz-Asche: Nein.
DAZ: Frau Schulz-Asche, vielen Dank für das Gespräch. |
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