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Ist die SPD doch kompromissbereit?
Rx-Versandverbot: Lauterbach stellt Zuzahlungserlass für Chroniker als Bedingung
Seit Wochen ringen Union und SPD um die Konsequenzen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe hat sich schnell auf einen Lösungsweg festgelegt: Er will den Versand verschreibungspflichtiger Arzneimittel in Deutschland wieder verbieten. Dazu hat er auch schon einen Referentenentwurf vorgelegt. Das Problem: Der Koalitionspartner SPD stellt sich quer, allen voran Karl Lauterbach. Dass Handlungsbedarf besteht, streitet auch er nicht ab. Aber statt den Bürgern die Möglichkeit zu nehmen, Rx-Arzneimittel im Versand zu beziehen, will er Apotheker künftig auch für Beratungsleistungen honorieren. Das ist kein einfach umzusetzender Vorschlag. Auch Gröhe steht weiter zu seinen eigenen Plänen. Und dazu zählt auch, die SPD vom Versandverbot zu überzeugen.
Offenbar kommt nun Bewegung in die Gespräche. Das lässt Lauterbachs Tweet vom vergangenen Wochenende zumindest vermuten. Wörtlich schrieb er bei Twitter: „CDU will Versandhandelsverbot für Apothekerlobby. Patienten verlören Boni für Zuzahlung. Für SPD nur möglich, wenn Zuzahlung für Chroniker ganz wegfiele.“ Auf eine Nachfrage direkt bei Twitter reagierte Lauterbach zunächst nicht.
Mit SPD-Partei-Spitze abgestimmt?
Doch der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) vom Dienstag bestätigte er die Pläne und erklärte sogar, der Positionswechsel sei mit der Parteispitze abgesprochen. Lauterbach betonte zudem, dass es nicht um einen generellen Zuzahlungserlass gehe, sondern nur um die Freistellung von Chronikern – und auch hier nur für Arzneimittel. Er begründete dies auch damit, dass andere Instrumente zur Befreiung von Zuzahlungen – etwa Rabatttverträge oder günstige Preise weit unter Festbetrag – immer weniger zum Tragen kämen. Nicht zuletzt weil die Kassen die Finanzierungsvorteile einbehielten und nicht an ihre Mitglieder weitergäben.
Die SPD-Gesundheitspolitikerinnen Sabine Dittmar und Hilde Mattheis wollten sich auf Nachfrage der DAZ zunächst nicht zu dem Thema äußern. Auch nicht nach einem Gespräch in der Arbeitsgruppe Gesundheit der SPD am Dienstagvormittag, wo der mögliche Kompromiss diskutiert wurde. Ein ruhiges Gespräch mit einem klaren Ergebnis war es offenbar nicht. Lauterbach wollte im Anschluss kein weiteres Statement gegenüber der DAZ abgeben. Aus Koalitionskreisen war jedoch zu hören, dass sich offenbar mehr SPD-Politiker für ein Versandverbot öffnen – wenn es denn handwerklich stimmig ist. Vorerst bleibt es also spannend, wie die SPD sich verhalten wird. Dabei ist nicht zu vergessen, dass die Sozialdemokraten in den Ländern dem Versandverbot offener gegenüberstehen als im Bund. So hatte Bayern Ende November mithilfe mehrerer Bundesländer, in denen die SPD mitregiert, im Bundesrat einen Antrag gegen den Rx-Versandhandel beschlossen. Die niedersächsische Gesundheitsministerin Cornelia Rundt (SPD) hatte Apothekern in ihrem Land nach dem EuGH-Urteil ausdrücklich mitgeteilt, dass sie das Rx-Versandverbot unterstützen werde. Und auch die NRW-Sozialdemokraten stehen Medienberichten zufolge hinter Gröhes Gesetzentwurf.
Gegen Lauterbachs Bedingung würden sich wohl auch die Apotheker nicht wehren – wenngleich die Standesvertretung die neuen Vorschläge noch nicht kommentieren möchte.
Hennrich widerspricht
Widerspruch erntete Lauterbachs Vorstoß hingegen beim CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich. Dieser sagte der FAZ: „Das ist ein Danaergeschenk, ein vergiftetes Angebot.“ Wenn nach dem Wegfall der Praxisgebühr jetzt auch noch die Zuzahlung für chronisch Kranke falle, könne man die Zuzahlung als Finanzierungsinstrument gleich ganz aufgeben. Es gehe um einen höheren dreistelligen Millionenbetrag.
In der Tat würde sich der Gesetzgeber überlegen müssen, wo er die verlorenen Euros an anderer Stelle wieder einsparen könnte, sollte er sich für einen Zuzahlungsverzicht entscheiden. Der GKV-Spitzenverband hob in einer Stellungnahme zum Lauterbach-Vorstoß erstaunlicherweise nicht auf diesen Punkt ab. Dennoch lehnt er ihn natürlich ab. „Ein Versandhandelsverbot wäre im 21. Jahrhundert nicht zeitgemäß und würde auch durch eine Zuzahlungsbefreiung für Chroniker nicht zeitgemäßer“, erklärte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Johann Magnus von Stackelberg. |
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