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Recht
„Das wäre eine signifikante Umverteilung“
AEP-Chef Jens Graefe über das bevorstehende BGH-Verfahren zu den Großhandels-Skonti
DAZ: Herr Graefe, jetzt muss der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden, ob der pharmazeutische Großhandel bei Rx-Arzneimitteln weiterhin Preisnachlässe geben darf, die höher sind als 3,15 Prozent. Welche Auswirkungen hätte es für die Apotheken, wenn der BGH diese Rabattbegrenzung bestätigen würde?
Jens Graefe: Das wäre auf jeden Fall eine Begrenzung des Wettbewerbs im Pharmagroßhandel. Denn das Angebot der Großhändler würde gleicher werden – aber auch wieder noch intransparenter. Wenn der BGH entscheidet, dass auch Skonti zu den Rabatten zählen und die Rabatte gleichzeitig begrenzt, würde es kaum noch eine Incentivierung für eine kurzes Zahlungsziel geben.
Den stärkeren Effekt würde es aber sicher geben, weil es auf Grundlage eines solchen Urteils zu flächendeckendend Konditionskürzungen kommen würde. Die ersten Vorstöße in diese Richtung sind ja schon vor dem Termin zu sehen, obwohl wirklich keiner wissen kann, wie die Meinung des BGH sein wird. Ich gehe fest davon aus, dass das der Hintergrund der ursprünglichen Klage war: der Wettbewerb im Pharmahandel soll begrenzt werden.
DAZ: Was würde es denn für die Großhandlungen bedeuten, wenn der BGH die Rabatte begrenzt?
Graefe: Ganz zentral ist: Es wird nicht nur über die Begrenzung der Rabatte auf die prozentuale Marge der Großhändler von 3,15 Prozent gestritten, sondern auch darüber, wie „hart“ diese Grenze ist und ob ein Skonto zusätzlich dazu gewährt werden kann. Fakt ist, dass wir einen „harten“ Herstellerabgabepreis haben – und alle Hersteller den Großhändlern zusätzliche Skonti gewähren. Wenn es – wie das OLG Bamberg sagt – eine harte Rabattgrenze gibt und ein Skonto gleichzeitig ein Rabatt ist, dann dürfen auch die Hersteller in der Konsequenz keinen Skonto mehr geben. Als Folge würden in der ganzen Supply Chain ungefähr 1,5 Prozent Marge fehlen, die am Ende 1 zu 1 in der Apotheke aufschlagen. Das heißt, eine Bestätigung des Bamberger Urteils würde eine signifikante Umverteilung von der Apotheke zur Industrie bedeuten – wenn das Urteil wirklich angewendet wird.
DAZ: Die Apotheken wären also doppelt getroffen …
Graefe: Genau. Wenn Marge in der Supply Chain fehlt, bleibt dem Großhändler gar nichts anderes übrig, als das weiterzugeben – so üppig ist seine Marge nicht, dass er darauf verzichten könnte. Und 1,5 Prozent sind eine ganze Menge.
DAZ: Sie sagen: „Wenn das Urteil wirklich angewendet wird ...“ Glauben Sie, dass Rabattbeschränkungen umgangen würden?
Graefe: Der Kreativität sind da ja schon heute kaum Grenzen gesetzt. Neben den Skonti gibt es Werbekostenzuschüsse, Genossenschaftsausschüttungen, Rückvergütungen, Bonuszahlungen, Datenverträge und vieles mehr. Ich habe in der Großhandelsbranche eine geflügelte Weisheit gelernt: Das Wasser findet immer seinen Weg.
Dabei ist eines ganz wichtig: Aus der Annahme von Skonti besteht für die Apotheker heute und auch in der Zukunft, selbst nach einem entsprechenden Urteil, keinerlei Gefahr! Der Arzneimittelbezug ist dort explizit ausgeklammert worden. Anspruchsgegner wäre nur der Großhändler, der Apotheker müsste weder irgendetwas zurückzahlen noch würde er sich strafbar machen!
DAZ: Welche Auswirkungen hätte denn eine Bestätigung des Bamberger Urteils für AEP?
Graefe: Das kann ich noch nicht sagen. In diesem Fall müssten wir uns ganz intensiv mit dem Urteil und seiner Begründung auseinandersetzen. Da wird es dann auf Nuancen ankommen. Fakt ist, dass wir heute einen Skonto auf ein extrem kurzes Zahlungsziel geben – und das in angemessener Höhe, wie ich finde. Das tun aber nicht nur wir, das wird flächendeckend so getan. Wir sind damit nur sehr offen und ehrlich umgegangen. Kurz gesagt: Das ist dann kein AEP-Problem, das ist ein flächendeckendes Thema.
DAZ: Würden Sie vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, wenn der BGH so entscheidet?
Graefe: Wir müssen das Urteil abwarten. Aber das Verfahren hat inzwischen so viele verfassungsrechtliche Aspekte, dass ich das zumindest nicht ausschließen will. Eines unserer Argumente war immer: Wenn es eine harte Rabattgrenze gäbe und die Skonti einbezogen wären, dann wären Artikel 3 des Grundgesetzes – die Gleichheit – und Artikel 12 – die Berufsfreiheit – massiv verletzt. Denn es würde nur ein Aspekt der Konditionen angegriffen und die anderen nicht.
Da aber der BGH die verfassungsrechtlichen Aspekte mit berücksichtigt, hoffe ich, dass eine solche Entscheidung gar nicht nötig sein wird.
DAZ: Sie haben die Vermutung geäußert, dass das Verfahren ein Versuch von einem oder mehreren Großhändlern sei, um den Preiswettbewerb einzufangen. Wie steht es um die wirtschaftliche Situation der deutschen Pharma-Großhändler?
Graefe: Natürlich leiden die Großhändler unter dem Preiskampf. Vor allem aber leiden sie darunter, dass die alte Ruhe im Markt verschwunden ist. Es gibt immer noch viele, die glauben, dass das wieder vorbeigeht. Das wird aber nicht mehr vorbeigehen, die alten Zeiten kommen nicht wieder. Wenn heute ein Großhändler seine Konditionen kürzt, dann freut sich der nächste über neue Kunden.
DAZ: Müssen sich auch die Apotheken von der „guten alten Zeit“ verabschieden?
Graefe: Die Beziehung der Apotheken zu ihrem Großhändler hat sich professionalisiert – weil die Großhändler unter Druck stehen, aber auch weil die Apotheken unter Druck stehen. Aber natürlich auch, weil im Großhandel und in den Apotheken eine neue Generation übernimmt. Also ja, es verändert sich etwas – aber nicht nur wegen des BGH-Verfahrens.
„Motel One des Großhandels“ oder „Rosinenpicker“?
Unter dem Namen AEP direkt startete am 1. Oktober 2013 ein neuer Pharma-Großhändler, der aus dem Stand Apotheken in ganz Deutschland belieferte. Das gelang den Gründern Jens Graefe und Markus Eckermann, die beide langjährige Branchenerfahrung vorweisen können, durch eine Kooperation mit dem Logistik-Dienstleister Trans-o-flex. Auf eigene Fahrer und Fahrzeuge verzichtet AEP, wie sich der Großhandel heute nur noch nennt, genauso wie auf ein bundesweites Netz an Niederlassungen. Stattdessen werden alle Bestellungen vom einzigen Lager im unterfränkischen Alzenau bedient. Direkt nebenan hat Trans-o-flex ein großes Logistikzentrum, von dem aus die Bestellungen per sogenanntem „Nachtsprung“ in die Trans-o-flex-Verteilstationen gebracht werden, von wo aus die üblichen Großhandels-Wannen mit dem „normalen“ Paketdienst in die Apotheken gebracht werden. Dieser schlanken Logistik ist geschuldet, dass AEP nur einmal täglich liefern kann und die Ware erst am Tag nach der Bestellung eintrifft.
AEP-Geschäftsführer Graefe hat sein Konzept einmal mit dem der „Motel One“-Hotels verglichen: Eine Beschränkung auf das absolut Notwendige. Die etablierten Großhändler bezeichneten den Newcomer dagegen als „Rosinenpicker“, der zudem mit seinen transparenten Konditionen die Verhandlungsposition der Apotheker in der Honorarfrage schwäche.
Wie erfolgreich AEP mit seinem Konzept wirklich ist, bleibt unklar. Im Oktober 2015 erklärte AEP, man beliefere über 2800 Apotheken. Zu Umsätzen oder Gewinnaussichten von Tochterunternehmen äußere man sich jedoch nicht, hieß es von der österreichischen Post, der mit 40 Prozent größten Anteilseignerin bei AEP. Auch der AEP-Logistiker Trans-o-flex war eine solche Post-Tochter, inzwischen wurde der Paketdienst an Investoren verkauft.
DAZ: Das Skonti-Verfahren ist also eher eine weitere Etappe in einem sowieso stattfindenden Veränderungsprozess?
Graefe: Ja, ein weiterer Baustein. Aber wirklich etwas ändern würde sich erst, wenn im Großhandelsmarkt endlich offen und transparent und ehrlich gehandelt würde. Der Markt lebt immer noch davon, dass rechts geblinkt und links abgebogen wird. Nach wie vor werden Konditionen versprochen, die nicht gehalten werden. Und wenn ich es richtig sehe, hat sich in den letzten 3 Jahren kein Großhändler zu dem Verfahren, welches ja fundamentale Bedeutung für die Branche und die Apotheker hat, geäußert – bis heute.
Und derjenige, der hinter diesem Prozess steht, soll doch einfach offen und ehrlich sagen, warum er das gemacht hat. Jeder hat seine Interessen, das ist doch völlig legitim. Aber wenn ich Dritte benutze, um einen Prozess zu führen, dann ist das eben weder offen noch ehrlich – und auch nicht zukunftsgerichtet.
DAZ: Trauen Sie sich eine Prognose zu, wie der BGH entscheiden wird?
Graefe: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Wir haben hier zwei diametral gegensätzliche Urteile des Landgerichts und des Oberlandesgerichts. Das zeigt anscheinend, dass man den Sachverhalt so oder so sehen kann. Ich glaube aber, dass wegen der vorgetragenen Argumente und der verfassungsrechtlichen Aspekte der BGH irgendwo in der Mitte landen wird. Dafür spricht auch, dass doch der Gesetzgeber die Skonti – die ja landauf, landab gegeben werden – ganz offensichtlich nicht verbieten will.
DAZ: Wie könnte eine solche Entscheidung aussehen?
Graefe: Der BGH könnte zum Beispiel sagen: Ja, es dürfen nur Rabatte aus der 3,15-Prozent-Marge gegeben werden – aber ein Skonto ist eben kein Rabatt und darf zusätzlich gewährt werden, weil er eine echte Gegenleistung hat. Und mit einem solchen Urteil könnten doch alle zufrieden sein, weil es dann keinen radikalen Bruch gibt. Vielleicht wäre sogar derjenige, der hinter dem Verfahren steckt, damit gar nicht so unzufrieden, weil sonst doch ziemlich viel in Schieflage geraten könnte. |
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