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Aus den Ländern
Ein Advocatus diaboli und eine wichtige Satzungsänderung
Delegiertenversammlung der Apothekerkammer Nordrhein
Die CDU-Bundestagsfraktion stehe weiterhin hinter dem Plan des Bundesgesundheitsministers, den Versand mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu verbieten, stellte Dr. Georg Kippels klar, der für die CDU im Gesundheitsausschuss des Bundestags sitzt. Er stellte aber auch klar, dass es sich dabei nur um eine „notwendige Sofortmaßnahme“ handle, die die Apothekerschaft nicht von der Verantwortung enthebe, sich den anstehenden Veränderungen zu stellen. Er wolle auch nicht verhehlen, dass noch die Vergütungsfrage im Raum stehe, fuhr Kippels fort. „Das ganze Honorierungssystem wird in den kommenden Jahren einer grundlegenden Überprüfung unterzogen werden müssen“. Vorher gelte es jedoch, das deutsche System „sattelfest“ zu machen, auch vor den Begehrlichkeiten aus Europa. Dort sei das Verständnis für die sehr komplexen deutschen Besonderheiten leider nicht besonders ausgeprägt, fügte er an.
Kippels: „Kassen in der Pflicht“
Ausdrücklich nahm Kippels die gesetzlichen Krankenkassen in die Pflicht. Diese seien gegenüber den fortgesetzten Rechtsverstößen einzelner ausländischer Apotheken „ausgesprochen zurückhaltend“. Er warte auf ein klares Bekenntnis zu den deutschen Regelungen: „Ich habe noch kein Plädoyer für das bisherige System und gegen das Vorgehen von DocMorris feststellen können. Ich halte das für rechtlich bedenklich“, betonte Kippels. Klar sei für ihn, dass Rx-Boni, wenn sie gewährt werden, den Kassen zustehen und nicht den Versicherten. Immerhin handle es sich um Beitragsgelder.
Für den „tiefenentspannten“ Umgang der Kassen mit dieser Frage zeigte Kippels kein Verständnis: „Wenn die Krankenkassen ihren Verpflichtungen nicht gerecht werden, dann muss der Gesetzgeber aktiv werden.“
Kammer will weiterkämpfen
Auf rechtliche Aspekte ging relativ ausführlich die Kammerjustiziarin Dr. Bettina Mecking ein. Für sie ist nach der Niederlage vor dem EuGH in Luxemburg längst nicht das letzte Wort gesprochen. Jetzt zahle sich die Streitfreudigkeit aus, denn es gebe nun einige Verfahren, die man erneut vor den EuGH bringen könne, um dann – mit neuen Argumenten – hoffentlich ein anderes Ergebnis zu erzielen. Davon lasse man sich durch die aktuelle Schadensersatzklage, die DocMorris gegen die Kammer angestrengt hat, nicht abschrecken. Das sei eben das Risiko, wenn man einstweilige Verfügungen erwirkt, kommentierte Mecking. Engelen bestätigte, dass die Kammer weiterhin gegen DocMorris vorgehen werde. „Wir führen diese Verfahren nicht nur für die Kollegen in Nordrhein, sondern um alle deutschen Apotheker zu schützen“, betonte er.
Die Apotheker aus der Sicht des Advocatus diaboli
Anschließend überraschte Engelen die Delegierten mit der Ankündigung, als Advocatus diaboli einmal all die Argumente vorbringen zu wollen, die die „Gegner“ der Apotheker in der Debatte nutzen. Die folgende Aufzählung geriet rasch zur Generalabrechnung mit den Fehlschlägen, Misserfolgen und verpassten Chancen der Apothekerschaft und ihrer Standesvertretung, insbesondere der ABDA, in den letzten Jahren.
Beispielsweise habe man 2014 auf dem Apothekertag mit großer Verve das Perspektivpapier verabschiedet. Nur sei außer ARMIN von diesem Aufbruch nicht viel geblieben. Sollte dieses Pilotprojekt scheitern, stünden die Apotheker mit leeren Händen da, denn „wir haben kein anderes Projekt mehr, um das Perspektivpapier umzusetzen“, so Engelen. Beim Thema Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) stünden die Apotheker rund drei Jahre nach Verabschiedung des Perspektivpapiers generell nicht gut da: „Selbst wenn man die geriatrisch weitergebildeten Kollegen dazuzählt, haben wir in ganz Deutschland gerade mal 1500 in AMTS fortgebildete Apotheker“, rechnete er vor. Und diese gingen auch noch auf Rechnung einiger weniger Kammern, die hier ein sehr großes Engagement an den Tag legten. Damit komme rechnerisch nicht einmal auf jede zehnte Apotheke ein AMTS-Manager. „Und wo sind die validen Daten, um der Politik zu zeigen: Wir können das?“ Auch das könnte ein Grund sein, warum die Apotheker beim E-Health-Gesetz komplett „vom Schlitten gerutscht“ seien.
Kahlschlag durch Digitalisierung?
Bei der Frage, wie mit der Digitalisierung umgegangen werden sollte, stehe der Berufsstand ohne Antworten da. Dabei handle es sich nicht um ein apothekenspezifisches, sondern um ein gesamtgesellschaftliches Problem: „Schauen Sie sich doch die Innenstädte an“, so Engelen: „Statt Fachgeschäften gibt es heute nur noch die großen Ketten, Cafés und Frittenbuden.“
Defizite sieht Engelen auch bei der Reaktion der Standesvertretung auf den (inzwischen geschlossenen) Arzneimittel-Automaten in Hüffenhardt. Man solle sich nur vorstellen, der Automat wäre nicht von DocMorris aufgestellt worden, sondern beispielsweise von einer Universität oder einem Forschungsinstitut entwickelt worden, um wirklich die Versorgung auf dem Land zu verbessern. „Was glauben Sie denn, wie dann unser Stand in der Politik wäre?“
Wenn das Rx-Versandverbot nicht kommt …
Auch dem vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen Honorargutachten habe die ABDA zu wenig entgegenzusetzen. „Dieses Gutachten wird belegen, dass wir Apotheker mit 8,35 Euro schon jetzt überbezahlt sind – da wette ich eine Flasche Champagner drauf“, zeigte sich Engelen überzeugt, dass das Ergebnis schon feststehe. Man bereite sich auf das vorhersehbare Ergebnis aber nicht ausreichend vor.
Schwarz sieht Engelen, wenn das Rx-Versandverbot auch in der nächsten Legislaturperiode nicht schnell kommt und die Krankenkassen Selektivverträge mit den Versendern abschließen. Wofür würden sich die in Rabattvertragsverhandlungen erprobten Kassen-Abteilungen wohl entscheiden, fragte Engelen: für die klar dokumentierten Abläufe einer großen Versandapotheke, die alle ihre Mitarbeiter regelmäßig schult und bestimmte Qualitätsparameter nachweisen kann? Oder für eine Versorgung durch viele einzelne Apotheken, wo die Qualität „weiterhin ins Belieben des Apothekenleiters gestellt“ sei?
Alle diese Punkte müssten endlich auf den Tisch kommen und offen diskutiert werden, forderte Engelen. Momentan habe man solchen Argumenten keine Konzepte und Vorschläge entgegenzusetzen – das müsse sich schnell ändern.
Engelen lud Vertreter der beiden nicht im Vorstand der Apothekerkammer Nordrhein vertretenen Fraktionen zur nächsten Vorstandssitzung Anfang Juli ein, um die Konsequenzen aus seinen Ausführungen zu diskutieren. Jetzt müssten die Apotheker zusammenstehen, für Opposition um der Opposition willen sei jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Die Delegierten der Oppositionsfraktionen sagten eine konstruktive Mitarbeit zu.
Quorum für wichtige Abstimmung gesenkt
Eine im Vorfeld der Delegiertenversammlung umstrittene Satzungsänderung bei der Zusatzversorgung für angestellte Apotheker ging letzten Endes relativ reibungslos über die Bühne. Weil die Apothekerkammer Nordrhein befürchtet, dass im Rahmen eines anhängigen Gerichtsverfahrens festgestellt werden könnte, dass der Zusatzversorgung die gesetzliche Grundlage fehlt und sie dann keine weiteren Auszahlungen mehr vornehmen dürfte, soll die Zusatzversorgung schnellstmöglich kontrolliert abgewickelt werden. Dazu ist nach der aktuellen Satzung jedoch eine Zweidrittelmehrheit der Delegierten der Kammerversammlung notwendig. Allerdings fehlen oft viele Delegierte in der Delegiertenversammlung, sodass das Quorum faktisch nicht erreicht werden kann. (Bei Einführung der Zusatzversorgung in den 1950er-Jahren gab es noch Stellvertreter für jeden Delegierten, sodass generell mehr Delegierte bei den Versammlungen anwesend sein konnten.) Deswegen hat die Versammlung nun das notwendige Quorum auf die absolute Mehrheit der Delegierten gesenkt, um in dieser Frage handlungsfähig zu sein.
Über die Auflösung der Zusatzversorgung und die Verwendung der Beitragsgelder wird die nächste Delegiertenversammlung im November entscheiden. |
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