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Kongresse
Ohne Wandel keinen Fortschritt
Pharmakotherapie-Symposium zeigt Wege für eine bessere und sichere Arzneimitteltherapie auf
So verwies Frank Dieckerhoff, Vorstandsmitglied der Apothekerkammer Westfalen- Lippe, auf das ApoAMTS-Projekt seiner Kammer, das bislang schon 812 ApoAMTS-Manager ausgebildet und 369 Ausbildungsapotheken zertifiziert hat. Das Projekt Athina der Apothekerkammer Nordrhein wurde inzwischen auf die Kammerbereiche Baden-Württemberg, Bremen, Hessen und Niedersachen ausgedehnt. In Sachsen und Thüringen wird seit Juli 2016 im Rahmen der Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen (ARMIN) das Medikationsmanagement umgesetzt, eine Dienstleistung, in deren Genuss dort die Versicherten des Projektpartners AOK plus kommen können.
Die Keimzelle
Eine Keimzelle für die Bewegung der patientenorientierten Pharmazie in Deutschland ist die University of Florida in Gainesville mit Prof. Dr. Hartmut Derendorf, der dort seit 1983 lehrt und vielen deutschen Pharmazeuten die Möglichkeit geboten hat, sich in Klinischer Pharmazie fort- und weiterzubilden. Einige haben dort ein Studium zum Doctor of Pharmacy absolviert. Von ihrem pharmakotherapeutischen Wissen profitieren nicht nur Patienten, sondern auch Ärzte und Pflegekräfte. Zudem sind sie gefragte Referenten. So beispielsweise die PharmDs Ina Richling und Isabell Waltering, die im Rahmen des Pharmakotherapiesymposiums den Teilnehmern das ABCDE der Herzinsuffizienztherapie näher brachten. Dabei gaben sie viele wertvolle Tipps für die Apothekenpraxis – beispielsweise bei der Auswahl des richtigen Schmerzmittels, wenn niedrigdosierte ASS verordnet ist.
Zuvor hatte schon der Kardiologe Dr. Christian Fechtrup neue Entwicklungen und neue Leitlinien der Herzinsuffizienztherapie vorgestellt. Ein besonderes Augenmerk richtete er dabei auf die bahnbrechenden Ergebnisse der PARADIGM-Studie mit einer Kombination aus Valsartan und dem Neprilysin-Inhibitor Sacubitril (Entresto®) und der EMPA-REG-Outcome-Studie mit dem Antidiabetikum Empagliflozin (Jardiance®). In der PARADIGM-Studie war die Kombination aus Valsartan und Sacubitril der Vergleichstherapie mit Enalapril in der Therapie der Herzinsuffizienz so überlegen, dass die Studie vorzeitig abgebrochen wurde. In der EMPA-REG-Outcome-Studie konnte der SGLT2-Hemmer Empagliflozin die kardiovaskuläre Mortalität von Hochrisikopatienten mit Diabetes mellitus Typ 2 signifikant senken, seitdem wird diskutiert, ob es sich um ein Alleinstellungsmerkmal oder einen Klasseneffekt handelt. Vieles deutet auf einen Klasseneffekt hin.
Ein Steckenpferd von Olaf Rose ist die Pharmakotherapie der Dyslipidämie. Für den Kongress konnte er mit Prof. Dr. Gerold Mönnig, Universitätsklinikum Münster, einen Kliniker und mit Dr. Dr. Heinz Giesen, Münster, einen Allgemeinmediziner und Gesundheitsnetzwerker gewinnen. Aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchteten die drei Referenten Fallbeispiele, die Aussagekraft und den praktischen Nutzen unterschiedlicher Risikoscores und die Frage, wie die Lipidzielwerte erreicht werden sollen: Fire and Forget, also maximale Reduktion des LDL-Cholesterols mit hochdosierter Statin-Therapie oder Treat to Target mit einem schrittweisen Herantasten an die optimale Dosis? In den USA setzt man auf Fire and Forget, in Europa eher auf Treat to Target. Egal wie, entscheidend für das Erreichen des Therapieziels ist die Adhärenz des Patienten. Diese wiederum lässt sich deutlich verbessern, wenn der Patient verstanden hat, was sein Risikoscore bedeutet. So arbeitet der PROCAM-Schnelltest, basierend auf dem PROCAM-Score mit einem Tacho, der das Herzinfarktrisiko angibt. Eindrucksvoller und besser verständlich ist jedoch die Bestimmung des Herzalters auf Basis des PROCAM-Schnelltests (www.assmann-stiftung.de).
Masterkurs Klinische Pharmazie
Die University of Florida bietet mit einem Masterkurs Klinische Pharmazie deutschen Pharmazeuten die Möglichkeit, ihr Wissen in Klinischer Pharmazie zu vertiefen. Leiterin des Kurses ist Prof. Dr. Karen Whalen, PharmD, die zusammen mit Apothekerin Karen Eislage, Münster, einer Absolventin des Kurses, während des Pharmakotherapie-Symposiums Einblicke in das Programm gewährte. Interessenten finden weiterführende Informationen unter http://onlinemscp.pharmacy.ufl.edu/
Impulse aus Florida
Das Pharmakotherapie-Symposium wurde in Zusammenarbeit mit der University of Florida ausgerichtet. Neben Professor Dr. Hartmut Derendorf, der wieder eindrucksvoll die Unterschiede zwischen der Pharmazieausbildung in den USA und Deutschland aufzeigte und ein Plädoyer für eine Neuorientierung des Pharmaziestudiums in Deutschland hielt, kam mit Professor Paul Doering ein Altmeister der Lehre der University of Florida zu Wort. Doering ist Emeritus Distinguished Service Professor des Department of Pharmacotherapy and Translational Research des College of Pharmacy. Er verdeutlichte sehr schön, dass es ohne die Bereitschaft zur Veränderung auch in der Pharmazie keinen Fortschritt geben kann.
Dass man in den USA in Sachen Klinischer Pharmazie schon einige Schritte weiter ist als in Deutschland, führte der Vortrag „Pharmacogenomics implementet into daily work“ von Dekanin Prof. Julie Johnson, PharmD, der University of Florida vor Augen. Denn mithilfe der Genomanalyse unterschiedliche Metabolisierungstypen zu identifizieren ist das Eine. In klinischen Studien nachzuweisen, welche Auswirkungen tatsächlich drohen, wenn beispielsweise ein CYP2C19-Ultrarapid-Metabolizer oder Poor-Metabolizer mit Clopidogrel oder einem PPI behandelt wird, das ist Gegenstand der Forschungen, die Prof. Johnson weltweit führend durchführt.
Fortschritte in Deutschland
Doch wie sieht die Situation in Sachen AMTS und Medikationsanalyse in Deutschland aus? Das hinterfragte Dr. Hanna Seidling, Leiterin der Kooperationseinheit Klinische Pharmazie am Universitätsklinikum Heidelberg. Sie ist überzeugt, dass Medikationsanalyse und Medikationsmanagement einen entscheidenden Beitrag für eine bessere und sicherere Arzneimittelversorgung leisten können, doch es gibt noch viel zu tun. So fehlt es nicht zuletzt aufgrund der freien Arzt- und Apothekenwahl an strukturieren Prozessen. Zudem mahnte sie ein zwingendes Vieraugenprinzip bei der Arzneimittel-Abgabe an. Eine flächendeckende Implementierung von Medikationsanalyse und -management setze darüber hinaus die Freisetzung finanzieller Ressourcen voraus. Und diese werden nur bereitgestellt werden, wenn überzeugend dargelegt werden kann, dass mit diesen Maßnahmen die Effektivität der Arzneimitteltherapie gesteigert und Risiken minimiert werden können. Vor diesem Hintergrund werden und wurden unterschiedliche Studien durchgeführt und Projekte evaluiert, so beispielsweise die WestGem-Studie oder Projekte wie Athina und ApoAMTS. Dabei kann es nach Seidling nicht darum gehen, eine Senkung der Mortalität nachzuweisen. Vielmehr sei es notwendig, patientenorientierte Endpunkte festzulegen. Zudem muss geklärt werden, wer von Medikationsanalyse und -management am meisten profitiert. Dazu müssen Priorisierungswerkzeuge entwickelt werden. |
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