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Phytoforschung

Weißdorn – was bleibt?

EMA sieht für Crataegus-Extrakte nur den „traditional use“ bei nervösen Herzbeschwerden

Kann Herzinsuffizienz mit Phytopharmaka behandelt werden? 1994 lautete die Antwort der Kommission E: Ja, bestimmte Weißdorn-Extrakte können beim Stadium NYHA II eingesetzt werden. Als Folge davon ist eine große Zahl entsprechender OTC-Präparate auf dem Markt. Doch wie sind diese Arzneimittel aus heutiger Sicht zu bewerten und wie sieht es mit ihrer Evidenzbasis aus? Ist es wirklich sinnvoll, eine so schwere Erkrankung wie die Herzinsuffizienz in der Selbstmedikation phytotherapeutisch zu behandeln? Die vor knapp einem Jahr publizierte HMPC-Monografie der EMA sagt „nein“ und gesteht Weißdorn-Extrakten aufgrund neuerer Erkenntnisse lediglich den Status für eine traditionelle Verwendung zum Beispiel bei nervösen Herzbeschwerden zu. | Von Robert Fürst und Ilse Zündorf

Die Gattung Weißdorn (Crataegus) wird bereits in antiken Werken über Heilmittel, wie zum Beispiel in „De Materia Medica“ von Dioskurides, erwähnt und findet sich auch in zahlreichen Kräuterbüchern des Mittelalters und der Neuzeit wieder. Beschrieben wurde die Anwendung zum Beispiel bei Steinleiden, Fluor vaginalis oder bei Diarrhö. Der Weißdorn scheint aber nie von besonderer arzneilicher Bedeutung gewesen zu sein. Das änderte sich, als die Herzwirkung Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt wurde. Dr. M. C. Jennings, Arzt in Chicago, veröffentlichte im Jahr 1896 im New York Medical Journal einen Artikel, in dem er über ­seine positiven Erfahrungen bei der Behandlung von 43 Patienten berichtete, die an verschiedenen Formen von Herzerkrankungen litten und mit einem Weißdorn-Fluid­extrakt behandelt wurden. Diese Entdeckung war die Initialzündung für die Verwendung von Crataegus bei Herzinsuffizienz.

Bereits 1941 wurde Weißdorn in das Deutsche Arzneibuch aufgenommen. Erst sehr spät, im Jahr 2005, fand Crataegus schließlich Einzug in das Europäische Arzneibuch. Monografiert sind die beiden Drogen „Weißdornfrüchte“ und „Weißdornblätter mit Blüten“, wobei letztere die mit großem Abstand wichtigere Droge ist. Als Stammpflanzen sind verschiedene Weißdorn-Arten zugelassen (Tab. 1). Das Ausgangsmaterial für Weißdorn-Extrakte wird vor allem aus osteuropäischen Ländern importiert und stammt überwiegend aus Wildsammlung.

Beheimatet sind die Weißdorne in den gemäßigten Zonen der Nordhalbkugel und kommen vor allem in Nordamerika und Europa vor. Sie wachsen als sommergrüne, stark verzweigte und dornige Sträucher oder mittelgroße Bäume. Charakteristisch sind ihre ungeteilten und gestielten Blätter, die je nach Art unterschiedlich stark gebuchtet sind. Meistens kommen weiße, seltener rote Blüten vor, die in trugdoldigen Blütenständen angeordnet sind. Blütezeit ist Mai und Juni; im August und September reifen die kleinen, kugeligen und meist roten Scheinfrüchte.

Tab. 1: Stammpflanzen für die beiden offizinellen Weißdorn-Drogen.
Crataegus-Art
Weißdornblätter mit Blüten
Weißdorn-früchte
C. monogyna Jacq.
+
+
C. laevigata (Poir.) DC.
+
+
C. monogyna x C. laevigata (Hybride)
+
+
C. pentagyna Waldst. & Kit. ex Willd.
+
C. nigra Waldst. & Kit.
+
C. azarolus L.
+

Inhaltsstoffe, Extrakte und Fertigarzneimittel

Zwei Inhaltsstoffgruppen werden in Weißdorn-Extrakten als wesentlich angesehen: die zu den Polyphenolen gehörenden Flavonoide und oligomeren Procyanidine (OPC). In der Droge „Weißdornblätter mit Blüten“ sind ca. 1,5 bis 2,5% Flavonoide und ca. 1 bis 4% OPC enthalten. Das Europäische Arzneibuch schreibt einen Mindestgehalt von 1,5% Flavonoiden (berechnet als Hyperosid) vor. Charakteristisch oder gar ein Alleinstellungsmerkmal für Weißdorn sind diese Substanzen jedoch nicht, beide Stoffklassen kommen im Pflanzenreich weit verbreitet vor. Neben den dominanten Polyphenolen sind als weitere Inhaltsstoffe pentazyklische Triterpensäuren sowie Amine, Xanthine, Polysaccharide, Aminosäuren und Mineralstoffe enthalten.

Die mit weitem Abstand wichtigsten Weißdorn-Extrakte aus der Droge „Weißdornblätter mit Blüten“ sind die beiden quantifizierten Trockenextrakte WS 1442® und LI 132®, deren Charakteristika in Tabelle 2 aufgeführt sind. Interessanterweise ist WS 1442® auf einen definierten Gehalt an oligomeren Procyanidinen eingestellt, während LI 132® auf die Flavonoide quantifiziert wird. Damit wird deutlich, dass sich die pharmakologische Wirkung des Weißdorns nicht auf einzelne Substanzen zurückführen lässt. Vielmehr gilt der Grundgedanke der Phyto­therapie: Der Wirkstoff ist das Vielstoffgemisch, und die Inhaltsstoffe sind in ihrer Gesamtheit für die Wirksamkeit nötig.

Tab. 2: Charakteristika der Weißdornblätter-mit-Blüten-Trockenextrakte WS 1442® und LI 132®
Extraktbezeichnung
WS 1442®
LI 132®
Auszugsmittel
Ethanol 45% (V/V)
Methanol 70% (V/V)
Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV)
4 – 7 : 1
4 – 7 : 1
quantifiziert auf
18,75% oligomere Procyanidine
2,2% Flavonoide
Präparat
Crataegutt®
Faros®
Indikation
nachlassende Leistungsfähigkeit des Herzens entsprechend Stadium II nach NYHA
Hersteller
Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG
MCM Klosterfrau Vertriebs-GmbH (früher: Lichtwer Pharma GmbH)

Beide Trockenextrakte sind phytochemisch gut charakterisiert und in den letzten Jahrzehnten intensiv in präklinischen und klinischen Studien untersucht worden, sodass ein Großteil der Erkenntnisse, die wir über die Wirkung des Weißdorns haben, auf diesen Extrakten basiert. Daher nimmt auch die Kommission-E-Monografie zu „Weißdornblättern mit Blüten“ aus dem Jahr 1994 Bezug auf genau diese beiden Extrakte: Für die Indikation „nachlassende Leistungsfähigkeit des Herzens entsprechend Stadium II nach NYHA“ dürfen nur Extrakte verwendet werden, die ein ­Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV) von 4 – 7 : 1 aufweisen und mit dem Auszugsmittel Ethanol 45% oder Methanol 70% hergestellt werden. Die Tagesdosis, verteilt auf zwei oder drei Einzelgaben, kann sich im Bereich von 160 bis 900 mg bewegen. Eine Übersicht über die zahlreichen auf dem Markt befindlichen Präparate, die diese Vorgaben erfüllen, findet sich in Tabelle 3.

Tab. 3: Fertigarzneimittel, die einen Kommission-E-konformen Weißdorn-Trockenextrakt enthalten (Auswahl).
Präparat
Anbieter
DEV
Auszugsmittel
empfohlene Dosis Extrakt/Tag
Ardeycordal®
Ardeypharm
4 – 7 : 1
Methanol 70% (V/V)
300 – 450 mg
Bomacorin®
Hevert
4 – 7 : 1
Ethanol 45% (V/V)
900 mg
Chronocard® N
Cesra
4 – 7 : 1
Ethanol 45% (V/V)
240 – 480 mg
Craegium® novo
Hexal
4 – 7 : 1
Ethanol 45% (V/V)
900 mg
Crataegus® AL
Aliud
4 – 7 : 1
Ethanol 45% (V/V)
900 mg
Crataegus Verla® cor
Verla-Pharm
4 – 7 : 1
Ethanol 45% (V/V)
900 mg
Crataegutt® novo
Schwabe
4 – 6,6 : 1
Ethanol 45% (V/V)
900 mg
Cratae-loges®
Loges
4 – 7 : 1
Ethanol 45% (V/V)
900 mg
Esbericard® novo
Schaper & Brümmer
4 – 7 : 1
Ethanol 45% (V/V)
350 – 700 mg
Faros®
Klosterfrau
4 – 7 : 1
Methanol 70% (V/V)
600 – 900 mg
Koro-Nyhadin®
Robugen
4 – 7 : 1
Ethanol 45% (V/V)
900 mg
Ky-Cor® novo
Cheplapharm
4 – 7 : 1
Ethanol 45% (V/V)
600 – 900 mg
Natucor® forte
Rodisma-Med
4 – 7 : 1
Ethanol 45% (V/V)
900 mg
Protecor® Weißdorn
Salus Pharma
4 – 7 : 1
Ethanol 45% (V/V)
900 mg
Weißdorn-ratiopharm®
Ratiopharm
4 – 7 : 1
Ethanol 45% (V/V)
900 mg

Pharmakologie

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Herzwirkung des Weißdorns intensiv beforscht. Untersuchungen an tierischen und menschlichen Kardiomyozyten ergaben, dass Weißdorn-Extrakte eine positiv inotrope Wirkung haben, also die Kontraktionskraft des Herzens steigern, was im Vergleich zu anderen positiv-inotropen Sub­stanzen (z. B. herzwirksamen Steroidglykosiden) aber energetisch deutlich ökonomischer erreicht wird. Ein interessantes Phänomen ist die durch Crataegus verursachte Verlängerung sowohl der Refraktärperiode als auch des gesamten Aktionspotenzials der Herzmuskelzelle, was auf eine antiarrhythmische Wirkung hindeutet und wohl auf einer Beeinflussung von Kaliumkanälen beruht.

Zudem konnte in Tierversuchen eine Schutzwirkung von Weißdorn gegen Ischämie-Reperfusionsschäden des Herzens (z. B. bei wiederhergestellter Durchblutung nach Verschluss einer Koronararterie) nachgewiesen werden. Eine von den Weißdorn-Inhaltsstoffen ausgehende antioxidative und entzündungshemmende Wirkung wird als Grundlage für diese kardioprotektive Wirkung angesehen. Zusätzlich scheint Weißdorn auf das kardiale Remodelling, das heißt auf die der Herzinsuffizienz zugrunde liegenden zellulären Umbauprozesse (z. B. Hypertrophie der Herzmuskelzellen) einen positiven Einfluss zu nehmen.

Nicht nur Kardiomyozyten, sondern auch Endothelzellen werden durch Crataegus beeinflusst: Im Tierversuch wurde ein durchblutungsfördernder Effekt auf die Herzkranzgefäße beobachtet, der auf eine Gefäßerweiterung infolge einer erhöhten Verfügbarkeit von Stickstoffmonoxid (NO) zurückzuführen ist. Auch die bei der Herzinsuffizienz verringerte Barriere­funktion von Endothelzellen, die mit der Bildung von Ödemen einhergeht, wird durch Weißdorn positiv beeinflusst.

Herzinsuffizienz und ihre Therapie

Bei einer chronischen Herzinsuffizienz ist das Herz infolge einer herabgesetzten Pumpleistung nicht mehr in der Lage, die peripheren Organe adäquat mit Blut – und damit auch mit Sauerstoff und Nährstoffen – zu versorgen. Wie relevant das Krankheitsbild ist, sieht man daran, dass im Jahr 2015 ca. 47.000 Personen daran verstarben, was die Herzinsuffizienz nach der chronisch-ischämischen Herzerkrankung und dem akuten Myokardinfarkt und noch vor dem Lungen-/Bronchialkarzinom zur dritthäufigsten Todesursache in Deutschland macht. Die Leitsymptome einer Herzinsuffizienz sind: Atemnot, Leistungsminderung (inadäquate Erschöpfung nach Belastung) und Müdigkeit, Flüssigkeits­retention (Ödeme im Bauch und in den Beinen), ein häufig nachts auftretender trockener Husten und vermehrtes nächtliches Wasserlassen.

In den „2016 Guidelines for the Diagnosis and Treatment of Acute and Chronic Heart Failure“ der ESC (European Society of Cardiology) sind die evidenzbasierte Diagnostik und Therapie der Erkrankung gemäß dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zusammengefasst [1]. Demnach verläuft die Pharmakotherapie nach einem Stufenschema, das sich am Schweregrad der Erkrankung ausrichtet. ACE-Hemmer, Mineralocorticoid-Rezeptor-Antagonisten und Betablocker verbessern erwiesenermaßen das Überleben der Patienten und gehören damit zur Basistherapie. Seit Kurzem steht mit Valsartan/Sacubitril (Entresto®), dem ersten Angiotensin-­Rezeptor-/Neprilysin-Inhibitor (ARNI), ein neues, hocheffek­tives Therapieprinzip als Ersatz für ACE-Hemmer zur Verfügung.

Klinische Studien

Nach heutigem Standard müssen klinische Studien, die die Wirksamkeit eines Arzneistoffes bei Herzinsuffizienz untersuchen, die Senkung der Morbiditäts- und Mortalitätsrate als primäre Endpunkte erfassen. An dieser Vorgabe orientierte sich auch das Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) bei der Erstellung der Monografie zu „Weißdornblättern mit Blüten“, die im Juni 2016 veröffentlicht wurde [2]. In die Bewertung der Droge durch das HMPC flossen u. a. zwölf randomisierte, kontrollierte Studien (RCTs) ein, die im Zeitraum von 1986 bis 2009 durchgeführt worden waren. Nur in einer dieser Studien, der sogenannten SPICE-Studie, wurde die Mortalität als Endpunkt erfasst. Alle anderen waren auf Veränderungen von Parametern ausgelegt, die aus heutiger Sicht als sekundär betrachtet werden, wie z. B. das Druck-Frequenz-Produkt als Maß für den myokardialen Sauerstoffverbrauch, die Belastungstoleranz oder subjektive Empfindungen (Erschöpfung, Atemnot). In den älteren Studien wurden die Weißdorn-Extrakte noch als Monotherapie gegen Placebo getestet, während es in den jüngeren Studien nicht mehr als ethisch vertretbar galt, den Patienten die lebenszeitverlängernde Leitlinien-Therapie vorzuenthalten, sodass Crataegus-Extrakte hier als Add-on-Therapie angewendet wurden. Ein weiteres Manko dieser Studien ist, dass jeweils nur wenige Probanden (36 bis 209) über relativ kurze Zeiträume (vier Wochen bis sechs Monate) therapiert und beobachtet wurden. Trotz dieser Limitationen konnte in einem 2008 veröffentlichten systematischen Review der Cochrane Col­laboration gezeigt werden, dass die oben erwähnten sekundären Parameter durch eine Therapie mit Crataegus-Extrakten signifikant verbessert werden [3].

Nur die SPICE-Studie, die über zwei Jahre lief und 2681 Probanden einschloss, erfüllt die heutigen Ansprüche an eine aussagekräftige Studie und erlaubt eine Bewertung hinsichtlich Mortalitätsunterschieden. Leider konnte keine statistisch signifikante Auswirkung des verwendeten Crataegus-Extrakts auf die Mortalität nachgewiesen werden. Bei genauerer Auswertung der Daten (Subgruppenanalyse) zeigte sich jedoch, dass Studienteilnehmer, die mit Weißdorn behandelt wurden und an einer Herzinsuffizienz mit geringerem Schweregrad litten, auch eine signifikant geringere Mortalität aufwiesen. Daraus könnte man die Hypothese ableiten, dass besonders Patienten in frühen Stadien dieser progredienten Erkrankung profitieren könnten. Leider wird aufgrund des insgesamt negativen Ausgangs der ­SPICE-Studie wohl in absehbarer Zeit keine klinische Studie aufgesetzt werden, die diese Hypothese bestätigen könnte.

Weißdorn in der traditionellen Anwendung

Das HMPC kam aufgrund der verfügbaren klinischen Stu­dien und der veränderten Standards in der Therapie der Herzinsuffizienz zu der Auffassung, dass die über 20 Jahre alte Positivmonografie der Kommission E nicht mehr zutreffend ist. Somit konnte der Droge „Weißdornblätter mit Blüten“ der Status des well established use, der als Mindestmaß eine gute klinische Studie als Wirksamkeitsbeleg benötigt, nicht zuerkannt werden (siehe Kasten „Rechtlicher Status“). Stattdessen wurde der Droge und einer Vielzahl von Zubereitungen daraus (Tab. 4) bescheinigt, dass sie „basierend auf ihrer langjährigen Anwendung zur Linderung vorübergehender nervöser Herzbeschwerden, wie Herzklopfen, angewendet werden können, nachdem schwere Erkrankungen durch einen Arzt ausgeschlossen wurden. Diese Arzneimittel können ebenfalls zur Besserung des Befindens bei nervlicher Belastung und zur Schlafunterstützung angewendet werden“ [2]. Die letztgenannten Indikationen beruhen auf der traditionellen Verwendung der Droge in Frankreich und haben in Deutschland keine große Bedeutung.

Rechtlicher Status von Phytopharmaka

Vollzulassung: Genauso wie bei chemisch-synthetischen Arzneimitteln müssen präklinische und klinische Daten für das spezielle Präparat die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit im beantragten Indikationsgebiet nachweisen.

„Well-established use“: Wirksamkeit und Unbedenklichkeit werden bibliografisch nachgewiesen, d. h. durch Verweis auf existierende Studien. Die HMPC-Monografien spielen hierbei eine wesentliche Rolle. Eigene präklinische und klinische Daten sind nicht erforderlich.

„Traditional use“: Dieses Registrierungsverfahren erfordert lediglich den Nachweis einer langjährigen Erfahrung mit dem Präparat. Erkennbar sind diese Phytopharmaka an dem Hinweis „traditionell angewendet bei …“.

Interessanterweise waren mit dem Einsatzgebiet „nervöse Herzbeschwerden, wie Herzklopfen“ einige Mitglieder des HMPC nicht einverstanden [4]. Die Vertreter Italiens, der Niederlande, Griechenlands, Großbritanniens und Irlands wiesen darauf hin, dass ihrer Meinung nach diese Indikation für ein traditionelles pflanzliches Arzneimittel nicht zulässig ist. Dabei nehmen sie Bezug auf folgenden Passus der Richtlinie 2004/24/EG: „Ihre Anwendungsgebiete entsprechen ausschließlich denen traditioneller pflanzlicher Arzneimittel, die nach ihrer Zusammensetzung und ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt und konzipiert sind, ohne ärztliche Aufsicht zwecks Stellung einer Diagnose, Verschreibung oder Überwachung der Behandlung angewendet zu werden“ [5]. Sie halten eine Anwendung in der Selbstmedikation für ungeeignet, da Herzbeschwerden regelmäßig durch einen Arzt überwacht werden sollten.

Tab. 4: Drogen, Zubereitungen und Arzneiformen,die in der HMPC-Monografie „Weißdornblätter mit Blüten“ für den „traditional use“ aufgeführt sind.
Drogen und Zubereitungen
  • zerkleinerte Droge
  • pulverisierte Droge
  • Trockenextrakt DEV 4 – 7 : 1; Extraktionsmittel: 70% (V/V) Methanol
  • Trockenextrakt DEV 4 – 7 : 1; Extraktionsmittel: 45 – 70% (V/V) Ethanol
  • Fluidextrakt DEV 1 : 0,9 – 1,1; Extraktionsmittel: 45% (V/V) Ethanol
  • Fluidextrakt DEV 1 : 2; Extraktionsmittel: 45% (V/V) Ethanol
  • Fluidextrakt DEV 1 : 19,2 – 20; Extraktions­mittel Süßwein
  • Frischpflanzenpresssaft aus Blättern und Blüten DEV 1 : 0,63 – 0,9
  • Frischpflanzenpresssaft aus Blättern und Blüten DEV 1 : 0,9 – 1,1
  • Tinktur DEV 1 : 3,5 – 4,5; Extraktions­mittel: 35% (V/V) Ethanol
  • Trockenextrakt DEV 4 – 5 : 1; Extraktionsmittel: Wasser
Arzneiformen
  • zerkleinerte Droge als Kräutertee für orale Anwendung
  • pulverisierte Droge in fester Arzneiform für orale Anwendung
  • Fluidextrakte, Frischpflanzenpresssäfte und Tinktur für orale Anwendung
  • Trockenextrakte in fester oder flüssiger Arzneiform für orale Anwendung

Fazit

Die Therapie der Herzinsuffizienz hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten stark verändert. Durch den heutigen, leitliniengerechten Einsatz von Arzneimitteln ist es möglich, die Morbiditäts- und Mortalitätsrate signifikant zu senken. Daran müssen sich alle Therapieformen messen lassen. Eine Monotherapie mit Crataegus-Extrakten gemäß Kommission-E-Monografie kommt nicht infrage und wäre eine Fehlbehandlung, da es hierzu keine entsprechenden Studien gibt. Die Add-on-Gabe von Weißdorn-Präparaten wurde zwar hinsichtlich einer Mortalitätsbeeinflussung untersucht, allerdings waren die Ergebnisse negativ. Somit konnte vom HMPC lediglich der traditional use, nicht aber der well-established use vergeben werden. Welche Konsequenzen diese Einschätzung für die auf dem Markt vorhandenen Präparate hat, ist noch unklar. |

Literatur

[1] European Society of Cardiology. Guidelines for the Diagnosis and Treatment of Acute and Chronic Heart Failure. Eur Heart J 2016;37:2129-2200

[2] European Union herbal monograph on Crataegus spp., folium cum flore. EMA/HMPC/159075/2014

[3] Guo R, Pittler ME, Ernst E. Hawthorn extract for treating chronic heart failure. Cochrane Database of Systematic Reviews 2008;1:CD005312

[4] Opinion of the HMPC on a European Union herbal monograph on Crataegus spp., folium cum flore. EMA/HMPC/244297/2016

[5] Richtlinie 2004/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004, Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 136:85-90

Autoren

Prof. Dr. Robert Fürst ist W3-Professor am Institut für Pharmazeutische Bio­logie der Universität Frankfurt; Forschungsschwerpunkt: molekulare Wirk­mechanismen von Naturstoffen


Dr. Ilse Zündorf ist Akademische Oberrätin am Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität Frankfurt; Forschungsschwerpunkt: monoklonale Antikörper

Institut für Pharmazeutische Biologie Biozentrum, Max-von-Laue-Straße 9, 60438 Frankfurt/Main

autor@deutsche-apotheker-zeitung.de

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