Thema Organtransplantation

Abstoßung verhindern

Immunsuppressive Therapie erfordert lebenslang besondere Disziplin

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Nach einer Organtransplantation ist die Einnahme von Immunsuppressiva lebenslang notwendig. Die Patienten werden vom Arzt instruiert, die Einnahmeschemata ihrer Medikamente genau einzuhalten. Doch ebenso müssen Wechselwirkungen mit anderen Wirkstoffen, insbesondere in der Selbstmedikation, sowie mit Nahrungsmitteln beachtet werden. Die Beratung in der Apotheke kann wertvolle Unterstützung bieten. | Von Claudia Bruhn

In den ersten Wochen nach einer Transplantation besteht das Risiko einer akuten Abstoßung des fremden Organs. Doch auch später sind jederzeit eine Abstoßungsreaktion oder ein Funktionsverlust möglich. Fehler oder Nachlässigkeiten bei der Einnahme der verordneten Medikamente können über Leben oder Tod entscheiden. Sinken die Blutkonzentrationen der Immunsuppressiva unter die als wirksam ermittelten Spiegel, droht die Abstoßung des Transplantats. Sind sie höher als notwendig, steigen die Nebenwirkungsraten. Zudem nimmt dann die unter Immunsuppression ohnehin reduzierte Abwehrfähigkeit gegen Infektionserreger weiter ab, sodass sich schon ein banaler Schnupfen zu einem großen gesundheitlichen Problem entwickeln kann.

Patienten werden daher im Transplantationszentrum instruiert, ohne ausdrückliche Aufforderung durch den Arzt die Dosis oder das Einnahmeintervall ihrer Medikamente auf keinen Fall zu verändern. In den Monaten nach dem Eingriff finden regelmäßig Blutspiegelkontrollen statt, nach denen gegebenenfalls eine Dosisanpassung vorgenommen wird. Ziel ist es, die Balance zwischen einer ausreichend wirksamen Immunsuppression und einer guten Verträglichkeit zu finden.

Dosierung individuell und phasenorientiert

Direkt nach dem Eingriff ist das Risiko für eine Transplantatabstoßung extrem hoch. Zur Prophylaxe einer Abstoßungsreaktion beginnt man daher in vielen Fällen bereits vor der Operation mit der Gabe von Immunsuppressiva (Induktionstherapie). Daran schließt sich eine etwa dreimonatige Phase an, in der weiterhin ein sehr hohes Abstoßungsrisiko besteht (initiale Erhaltungstherapie). In dieser Zeit erhält der Patient eine individuell zusammengestellte Kombinationstherapie (siehe Tabelle). Nach vier bis sechs Monaten können Anzahl und Dosen der Immunsuppressiva meist schrittweise reduziert werden, sodass der Patient nur noch zwei oder sogar nur noch ein Medikament dauerhaft einnehmen muss (Langzeit-Erhaltungstherapie). Das Monitoring erfolgt dann nicht mehr so engmaschig wie in den vorangegangenen Phasen, in der Regel vierteljährlich. Dennoch müssen der Patient und seine Angehörigen sowie Betreuungspersonen weiterhin auf mögliche Anzeichen einer Abstoßungsreaktion achten. Dazu zählen allgemeine Symptome wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit, Blutdruckanstieg, Gewichtszunahme oder Fieber sowie Beschwerden wie Schmerzen in der Region des transplantierten Organs oder eine Vergrößerung des Transplantats. Für die verschiedenen Organe gibt es darüber hinaus spezifische Anzeichen (s. Kasten).

Cave! Abstoßung

Spezifische Warnzeichen nach

Nierentransplantation:

  • Abnahme der Urinmenge
  • Ödeme

Lebertransplantation:

  • gelbliche Verfärbung von Augen und Haut
  • heller Stuhl

Herztransplantation:

  • schnelles Ermüden
  • Atemnot
  • Ödeme
  • Arrhythmien

Pankreas-Transplantation:

  • Hyperglykämie

Wirkstoffgruppen und Beratungsschwerpunkte

Allgemein besteht unter Immunsuppression eine erhöhte Infektanfälligkeit sowie ein gesteigertes Risiko für die Entwicklung von Tumoren, insbesondere Lymphome und maligne Hautveränderungen. Dieses hängt vermutlich eher von der Dosis und der Dauer der Medikation als von der Verwendung eines bestimmten Wirkstoffes ab. Um das Hautkrebs­risiko zu reduzieren, sollten sich Patienten nur kurzzeitig und mit schützender Kleidung der Sonne aussetzen und außerdem ein Sonnenschutzmittel mit hohem Lichtschutzfaktor (50+) anwenden.

Treten unter Immunsuppression Hautreaktionen oder Infektionen auf, sollten sie ihren Arzt konsultieren, da dies auch ein Hinweis auf eine Neutropenie sein kann. Der Arzt wird dann eine Blutbildkontrolle veranlassen.

Die Anwendung von attenuierten Lebendimpfstoffen soll unter einer Behandlung mit Immunsuppressiva vermieden werden. Totimpfstoffe können eventuell weniger wirksam sein. Eine Impfung gegen Influenza wird empfohlen, jedoch nicht mit dem (nur für Kinder und Jugendliche zugelassenen) Lebendimpfstoff Fluenz®. Mit Influenza-Lebendimpfstoff Geimpfte sollten laut Fachinformation in den ersten ein bis zwei Wochen nach der Impfung einen engen Kontakt zu Transplantatempfängern vermeiden. Vorsichtshalber ist dies auch bei anderen mit Lebendimpfstoff geimpften Personen anzuraten, auch wenn eine Übertragung von Impfviren bei vielen Präparaten bisher nicht nachgewiesen wurde.

Im Alltag müssen Patienten nach Organtransplantation eine Reihe von Hygieneregeln einhalten. Sie sollten:

  • größere Menschenansammlungen meiden,
  • Fuß- und Fingernägel regelmäßig auf möglichen Pilz­befall untersuchen, da sich Pilzinfektionen unter Immunsuppression leichter ausbreiten können,
  • keine Topfpflanzen umtopfen, da Blumenerde häufig Schimmelpilze bzw. -sporen enthält,
  • den Kontakt zu Tieren meiden (insbesondere in den ersten Monaten nach der Transplantation), da diese zahlreiche Krankheitserreger übertragen können.

Neben diesen allgemeinen Risiken sind bei den einzelnen Wirkstoffen spezifische unerwünschte Wirkungen zu beachten. Die Beratung in der Apotheke kann dazu beitragen, Interaktionen zu verhindern und Nebenwirkungen zu mildern.

Tab.: Arzneimittel bei Organtransplantation Transplantatempfänger müssen lebenslang eine medikamentöse Immunsuppression einnehmen. Initial wird üblicherweise eine Kombination aus zwei bis drei Substanzen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen eingesetzt. Nach zwei bis vier Monaten werden die Patienten auf eine niedrige Erhaltungsdosis meist nur eines Medikaments eingestellt.
Wirkstoff
Präparate (Auswahl)
Darreichungsformen
Anwendung nach
Calcineurin-Inhibitoren
Ciclosporin
Sandimmun®, Sandimmun® Optoral®
Weichkapseln, Lsg. zum Einnehmen, Konzentrat für Injektionslsg.
Organ- und Knochenmarkstransplantation
Immunosporin®
Weichkapseln
Ciquorin®
Weichkapseln
Ciclosporin® Pro
Weichkapseln, Lsg. zum Einnehmen
Tacrolimus
Advagraf®
retardierte Hartkapsel
Nieren- und Lebertransplantation
Prograf®
unretardierte Hartkapsel
Nieren-, Leber- und Herztransplantation
Modigraf®
Granulat zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen
Nieren-, Leber- und Herztransplantation (auch Kinder > 1 Jahr)
Envarsus®
Retardtablette
Nieren- und Lebertransplantation
Generika, z. B. von Heumann
unretardierte Hartkapseln
Nieren-, Leber- und Herztransplantation
mTOR-Inhibitoren
Everolimus
Certican®
Tabletten, Tabletten zur Herstellung einer Suspension
Nieren-, Leber- und Herztransplantation
Sirolimus
Rapamune®
überzogene Tabletten, Lösung zum Einnehmen
Nierentransplantation
Zytostatika
Azathioprin
Imurek®
Generika, z. B. von ratiopharm
Filmtabletten, Pulver zur Herstellung einer Injektionslösung
Nieren-, Leber-, Herz-, Lungen- oder Pankreastransplantation
Cyclophosphamid
Endoxan®
Tabletten, Pulver zur Herstellung einer Injektionslösung
nicht bei Organtransplantation; nur zur Konditionierung vor allogener Knochenmarkstransplantation
Mycophenolatmofetil
Cellcept®
Generika, z. B. von Heumann
Myfenax®
Filmtabletten, Kapseln, orale ­Suspension, Pulver zur Herstellung einer Injektionslösung
Hartkapseln, Filmtabletten
Nieren-, Leber- und Herztransplantation, Nierentransplation auch bei Kindern (> zwei Jahre)
Mycophenolsäure
Myfortic®
Tabletten
nur bei Erwachsenen zur Nierentransplantation zugelassen
Glucocorticoide
Prednisolon
Solu-Decortin® H, Prednisolut®
Pulver und Lösungsmittel für eine Injektions- oder Infusionslösung
Nierentransplantation
Methylpednisolon
Urbason®, - solubile®,
Generika
Tabletten, Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung/Infusionslösung
Transplantation im Rahmen üblicher Kombinationstherapien
Antikörper und Fusionsproteine
Basiliximab
Simulect®
Pulver zur Herstellung einer ­Injektions- oder Infusionslösung
De-novo-Nierentransplantation bei Erwachsenen und Kindern (ein bis 17 Jahre)
Belatacept
Nulojix®
Pulver zur Herstellung einer ­Injektionslösung
Nierentransplantation bei Erwachsenen

Calcineurin-Inhibitoren als Basistherapeutika

Ciclosporin und Tacrolimus gehören zu den wichtigsten Wirkstoffen im Rahmen einer Organtransplantation. Beide Substanzen hemmen die Aktivität der Proteinphosphatase Calcineurin auf unterschiedliche Weise. Ciclosporin bindet dazu in einer T-Zelle, die durch als fremd erkannte Proteinfragmente des Transplantats aktiviert wurde, an das cytosolische Protein Immunophilin, Tacrolimus dagegen an das verwandte Makrophilin (FKBP-12). Die dabei entstandenen Komplexe bewirken, dass Calcineurin den Transkriptionsfaktor NF-AT nicht aktivieren kann und dieser nicht in den Zellkern wandert. Dieser Schritt wäre jedoch notwendig, um im Zellkern einer T-Zelle die genetische Information für Interleukin 2 (IL-2) abzulesen und die IL-2-mRNA zu synthetisieren. Unterbleibt das, kann die T-Zelle nicht weiter proliferieren bzw. weitere T-Zellen können nicht aktiviert werden und die Immunabwehr wird geschwächt. Tacrolimus blockiert darüber hinaus die Aktivierung von B-Zellen.

Die Nebenwirkungen von Ciclosporin und Tacrolimus sind zahlreich, jedoch stark dosisabhängig. Daher kann dem Patienten im Rahmen der Beratung in der Apotheke in Aussicht gestellt werden, dass nach wenigen Monaten, wenn eine Dosisreduktion möglich ist, die Beschwerden abnehmen werden.

Zu den wichtigsten Nebenwirkungen von Tacrolimus zählen Kopfschmerzen, Übelkeit und Durchfall, Tremor und Schlaflosigkeit. Blutdruck sowie auch Blutzucker können ansteigen, da der Wirkstoff die Insulinsekretion hemmt. Daher kann die Apotheke über die Kontrolluntersuchungen hinaus entsprechende Bestimmungen anbieten. Unter den möglichen Veränderungen des Elektrolythaushaltes verdient vor allem der Kalium-Spiegel besondere Beachtung, beispielsweise bei gleichzeitiger Verordnung von Wirkstoffen mit den gleichen Nebenwirkungen (z. B. kaliumsparende Diuretika wie Spironolacton). Kaliumreiche Lebensmittel (z. B. Bananen, getrocknete Datteln) sollten gemieden werden. Auch unter Ciclosporin kann sich infolge einer erhöhten Natrium-Reabsorption eine arterielle Hypertonie entwickeln.

Wechselwirkungen und Darreichungsformen beeinflussen die Bioverfügbarkeit

Tacrolimus und Ciclosporin werden durch CYP3A4 verstoffwechselt. Daher kann eine Komedikation mit Induktoren dieses Cytochrom-P-450-Isoenzyms (insbesondere Rifampicin, Phenytoin) zu einem Abfall der Wirkstoffkonzentrationen im Blut führen und eine Abstoßungsreaktion zur Folge haben. In der Selbstmedikation muss deshalb auch von der Einnahme des CYP3A4-Induktors Johanniskrautextrakt abgeraten werden. CYP3A4-Inhibitoren wie das Flavonoid Naringenin im Grapefruitsaft können die Plasmaspiegel erhöhen und dadurch die Nebenwirkungen verstärken. Daher ist ein Verzicht auf Grapefruitsaft essenziell.

Ist ärztlicherseits ein Wechsel der Darreichungsformen gewünscht, muss dies unter Blutspiegel-Kontrolle erfolgen. Gegebenenfalls ist eine Dosisanpassung notwendig. Dies ist beispielsweise bei einer Umstellung zwischen den Tacrolimus-Präparaten Prograf®, Advagraf® und Envarsus® der Fall.

So wird bei einer Umstellung von Prograf® auf Advagraf® eine Dosiserhöhung um 8% empfohlen. Dagegen wird bei einer Umstellung von Prograf® bzw. Advagraf® auf Envarsus®, das eine höhere Bioverfügbarkeit als diese beiden Präparate besitzt, eine Dosisreduktion von 30% angeraten.

Keine Substitution

Ein Austausch in der Apotheke aufgrund von Rabattverträgen darf bei Ciclosporin und Tacrolimus nicht erfolgen, da beide Wirkstoffe aufgrund ihrer engen therapeutischen Breite in der Substitutionsausschlussliste enthalten sind.

Patienten sollten bei einer Verordnung von unretardierten Tacrolimus-Präparaten (z. B. Prograf®, Tacrolimus® Heumann) regelmäßig an die exakte Einhaltung des Zwölf-Stunden-Einnahmerhythmus erinnert werden. Alle Tacrolimus-Präparate müssen außerdem nüchtern, das heißt eine Stunde vor oder zwei bis drei Stunden nach dem Essen eingenommen werden. Nach der Entnahme aus der Blisterpackung sind die Kapseln sofort mit etwas Flüssigkeit, am besten Wasser, einzunehmen, da Tacrolimus hygroskopisch ist.

Proliferationshemmende Wirkstoffe mit unterschiedlichen Angriffspunkten

Zu diesen Wirkstoffen zählen die mTOR-Inhibitoren Sirolimus und sein synthetisches Derivat Everolimus sowie die Antimetaboliten Azathioprin, Mycophenolatmofetil und Myco­phenolsäure. Sirolimus und Everolimus bilden analog zu Tacrolimus einen Komplex mit FKBP-12. Dieser bindet an TOR(targets of rapamycin)-Proteine, die eine wichtige Rolle beim Ablauf des Zellzyklus spielen. Damit wird die Proliferation von T- und B-Zellen behindert, die Immunabwehr abgeschwächt (s. Kasten „Wirkungsmechanismen der Immunsuppressiva“).

Wirkungsmechanismen der Immunsuppressiva

Die Erkennung eines Antigens durch den T-Zell-Rezeptor (TZR) bewirkt eine Aktivierung der T-Zelle. Muromonab-CD3 ist gegen das CD3-Protein menschlicher T-Lymphozyten gerichtet und kann so die T-Zell-Rezeptor-vermittelte Signaltransduktion hemmen. Es ist derzeit in Deutschland nicht im Handel. Wird die T-Zelle aktiviert, binden verschiedene Transkriptionsfaktoren (NF-AT, AP-1, NF-κB) z. B. an die Promotorregion des IL-2-Gens und führen unter anderem zur IL-2-mRNA-Synthese. Ciclosporin und Tacrolimus hemmen die Aktivität der Proteinphosphatase Calcineurin und inhibieren somit die Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-AT. Basiliximab und Daclizumab verhindern, dass IL-2 am IL-2-Rezeptor binden kann und hemmen auf diese Weise die T-Zell-Proliferation. Daclizumab ist derzeit nur zur MS-Therapie zugelassen. Sirolimus und Everolimus greifen in die T-Zell-Proliferation ein, indem sie an mTOR-Proteine binden, deren Funktion für einen geregelten Ablauf des Zellzyklus wichtig ist. Mycophenolsäure hemmt die Inosin-Monophosphat-Dehydro­genase, welche ein wichtiges Enzym in der De-­novo-Purinsynthese ist. Der aktive Metabolit von Azathioprin (6-Mercaptopurin, 6-MP) hemmt den Zellzyklus, indem er ebenfalls die Purinnucleotid-Synthese blockiert. Darüber hinaus wird 6-MP auch als falscher Baustein in die DNA und RNA eingebaut.

TZR: T-Zell-Rezeptor; NF-AT: nuclear factor of activated T cells; AP-1: Aktivatorprotein 1; NF-κB: nuclear factor kappa B; MAP: mitogen activated protein; IKK: IκB-Kinase; IL-2: Interleukin 2; JAK3: Janus-Kinase 3; PI3K: Phosphoinositid-3-Kinase; mTOR: mammalian target of rapamycin

[nach: Mutschler et al. Arzneimittelwirkungen, 10. Auflage 2013]

Für die Wirkung von Azathioprin ist vor allem sein aktiver Metabolit 6-Mercaptopurin verantwortlich, der intrazellulär zu Thioguanin-Nukleotiden (TGN) umgewandelt wird. TGN und andere Metaboliten hemmen die De-novo-Purin-Synthese und Purin-Nukleotid-Umwandlungen.

Mycophenolatmofetil und sein aktiver Metabolit Mycophenol­säure hemmen die Inosin-Monophosphat-Dehydro­genase, die bei der De-novo-Guanosin-Nukleotidsynthese eine wichtige Rolle spielt. Während andere Zell­arten Purine wiederverwerten können, sind T- und B-Lymphozyten bei ihrer Proliferation auf die De-novo-Synthese angewiesen. Daher wirkt Mycophenolsäure auf Lymphozyten stärker zytostatisch als auf andere Zellen.

Sirolimus und Everolimus können unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden. Um Blutspiegel-Schwankungen zu minimieren, sollten sich die Patienten jedoch entweder für eine Einnahme mit oder ohne Nahrung entscheiden. Im Beratungsgespräch kann auch das höhere Risiko für Wundheilungsstörungen unter mTOR-Inhibitoren, auch im Bereich der Operationswunde, ein Thema sein. Davon können insbesondere Patienten mit einem Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 30 kg/m2 betroffen sein. Auch Über­empfindlichkeitsreaktionen wie anaphylaktische Reaktionen und Angioödeme wurden unter der Anwendung von ­Sirolimus und Everolimus berichtet.

Unter Azathioprin leiden die Patienten insbesondere unter gastrointestinalen Störungen wie Übelkeit, teilweise mit Erbrechen. Zur besseren Verträglichkeit sollten Azathioprin-Tabletten nach einer Mahlzeit eingenommen werden.

Mycophenolatmofetil wird gemeinsam mit Ciclosporin und Corticosteroiden verabreicht. Bei dieser Kombination wurden am häufigsten gastrointestinale Nebenwirkungen wie Durchfall und Erbrechen sowie Blutbildveränderungen (z. B. Leukopenie) beobachtet. Auch ist das Risiko für opportunistische Infektionen durch Bakterien, Pilze oder Protozoen erhöht.

Mycophenolatmofetil: Männer und Frauen müssen verhüten

Aufgrund des mutagenen und teratogenen Potenzials von Mycophenolatmofetil müssen Frauen im gebärfähigen Alter vor Beginn der Behandlung, während sowie noch für sechs Wochen nach deren Beendigung zwei zuverlässige Formen der Kontrazeption gleichzeitig anwenden. Sexuell aktiven Männern wird empfohlen, während der Behandlung und für mindestens 90 Tage nach Behandlungsende Kondome zu benutzen – auch dann, wenn sie sich in der Vergangenheit einer Sterilisationsbehandlung mit Vasektomie unterzogen haben. Partnerinnen von männlichen Patienten wird empfohlen, während der Behandlung und noch insgesamt 90 Tage nach der letzten Dosis von Mycophenolatmofetil eine wirksame Verhütungsmethode anzuwenden.

Schrittweise Reduktion der Cortison-Dosis

Corticosteroide wie Prednisolon oder Methylprednisolon spielen vor allem in den ersten Wochen nach der Transplantation eine wichtige Rolle und werden dann in hohen Dosen intravenös verabreicht. Anschließend erfolgt schrittweise eine Dosisreduktion. Gegebenenfalls ist auch in der Erhaltungsphase erneut eine Cortison-Gabe notwendig, falls eine akute Abstoßungsreaktion droht.

Für die Beratung in der Apotheke relevant ist beispielsweise die bekannte Nebenwirkung der Entwicklung von Magen-Darm-Ulzera. Unter hohen Cortison-Dosen können bestimmte Anzeichen wie Druckgefühl und Schmerzen jedoch auch fehlen. Bei Diabetikern ist zu bedenken, dass während der Anwendung von Cortison ein eventuell erhöhter Bedarf an Insulin oder oralen Antidiabetika besteht. Daher ist eine engmaschige Kontrolle der Blutzuckerwerte notwendig.

T-Zell-Blockade durch Antikörper

In der Frühphase nach der Transplantation kann der ­Anti-Lymphozyten-Antikörper Basiliximab zum Einsatz kommen. Basiliximab ist ein chimärer, monoklonaler human-muriner Antikörper (IgG1κ), der gegen die α-Kette (CD25-Antigen) des Interleukin-2-Rezeptors gerichtet ist, die auf der Oberfläche von T-Lymphozyten nach Antigenstimulation exprimiert wird. Basiliximab bindet mit hoher Affinität spezifisch an das CD25-Antigen von aktivierten T-Lymphozyten, die den hoch affinen Interleukin-2-Rezeptor (IL-2R) exprimieren, und verhindert damit die Bindung von Interleukin 2. Basiliximab kann in Kombination mit Ciclosporin (in Form der Mikroemulsion) und mit Corticosteroiden oder zur Dauerbehandlung mit einer Tripeltherapie, bestehend aus Ciclosporin-Mikroemulsion, Corticosteroiden und entweder Azathioprin oder Mycophenolatmofetil, gegeben werden. Bei beiden Therapieregimen wurde am häufigsten über Nebenwirkungen wie beispielsweise Obstipation und Diarrhö, Infektionen der Harnwege und der oberen Atemwege, Hypertonie, Hypercholesterolämie oder Gewichtszunahme berichtet.

Das lösliche Fusionsprotein Belatacept ist in Kombination mit Corticosteroiden und Mycophenolsäure (MPA) nach Nierentransplantation bei Erwachsenen indiziert. In der Induktionstherapie wird empfohlen, diesem Regime einen IL-2-Rezeptorantagonisten hinzuzufügen. Bei Belatacept handelt es sich um ein lösliches Fusionsprotein aus der modifizierten extrazellulären Domäne des humanen zytotoxischen T-Lymphozyten-assoziierten Antigens 4 (CTLA-4), gebunden an einen Teil der Fc-Domäne des humanen Immunglobulin G1-Antikörpers. Belatacept bindet die Moleküle CD80 und CD86 auf Antigen-präsentierenden Zellen. Dadurch blockiert es die CD28-vermittelte Kostimulation von T-Zellen, er wird deshalb auch als Kostimulationsblocker bezeichnet.

Zu den sehr häufigen Nebenwirkungen unter Belatacept zählen Infektionen (Harnwege, Respirationstrakt), Kopfschmerzen, Blutdruckanstieg und -abfall, gastrointestinale Beschwerden (Diarrhö, Obstipation, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen), Blutbildveränderungen (Leukopenie, Anämie) sowie Verschiebungen im Elektrolythaushalt (z. B. Hypophosphatämie, Hypokaliämie, Hyperkaliämie).

Da mögliche Risiken für die Embryonal- und Fetalentwicklung unbekannt sind, sollten Frauen im gebärfähigen Alter während der Behandlung mit Belatacept bzw. Basiliximab und bis zu acht bzw. 16 Wochen nach der letzten Dosis wirksame empfängnisverhütende Maßnahmen anwenden. |

Literatur

Mutschler E et al. Arzneimittelwirkungen. Lehrbuch der Pharmakologie, der klinischen Pharmakologie und Toxikologie. 10. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2012

Info Organtransplantation. Website des Bundesverbandes für Gesundheitsinformation und Verbraucherschutz –Info Gesundheit e.V., www.bgv-transplantation.de, Abruf am 26. Mai 2017

Fachinformationen der genannten Präparate

Vergleichsstudie ASTCOFF: Envarsus® bietet differentes pharmakokinetisches Profil. Information der Chiesi GmbH vom 12. September 2015, www.chiesi.de/neue-pharmakokinetik-daten-zu-oralen-tacrolimus-formulierungen, Abruf am 26. Mai 2017

Autorin

Dr. Claudia Bruhn ist Apothekerin und arbeitet als freie Medizinjournalistin. Sie schreibt seit 2001 regelmäßig Beiträge für die DAZ.

Lesen Sie hierzu auch den Artikel "Dein schönstes Geschenk - Organtransplantation ist eine kollektive Herausforderung" in dieser Ausgabe der DAZ.

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