Arzneimittel und Therapie

Hilft die Spritze ins kaputte Knie wirklich?

Zweifel an der Sinnhaftigkeit der intraartikulären Injektion von Glucocorticoiden

rr | Wenn das Knie wegen Verschleißerscheinungen schmerzt, gibt es nicht viel, was man den Beschwerden entgegensetzen kann. Die verfügbare Pharmakotherapie zielt allein auf die Bekämpfung der klinischen Symptome. Eine Injektion von Glucocorticoiden in die Gelenkhöhle verschafft nur kurzzeitig Linderung. Nun kommen sogar Bedenken auf, dass diese Maßnahme mehr schadet als hilft.

Das Kniegelenk ist das größte Gelenk des Körpers und verbindet Oberschenkelknochen, Schienbein und Kniescheibe. Die Gelenkflächen sind mit hyalinem Knorpel überzogen, der sich unter der Wirkung übertragener Kräfte verformt. Nutzt dieser Puffer ab, wird der Druck auf den darunter liegenden Knochen größer. Im Spätsta­dium einer Arthrose reibt schließlich Knochen auf Knochen, und das Knie schmerzt bei jeder Bewegung.

Foto: reineg – Fotolia.com
Mit Cortison gegen die Ent­zündung. Darauf wollen Ortho­päden bei Kniegelenkarthrose nicht verzichten.

Schleichender Prozess

Kniearthrose hat man nicht von heute auf morgen. Es handelt sich um einen schleichenden Prozess. Typische Symp­tome sind Schmerzen beim Treppensteigen, beim Anlaufen, unter Belastung, nach langem Sitzen, das alles noch verstärkt bei feucht-kaltem Wetter. Häufig wird bei Kniearthrose eine Entzündung der inneren Schicht der Gelenkkapsel (Synovitis) beobachtet, die mit dem Knorpelabbau in Zusammenhang gebracht wird. Studien bestätigten die Präsenz von mononuklearen Zellen und proinflammatorischen Mediatoren. Eine Hemmung der Entzündung wäre bei Arthrose demnach zumindest theoretisch sinnvoll.

Eine kausale Therapie, die den strukturellen Abbau bei Kniearthrose stoppen kann, gibt es bisher nicht. Die beste Strategie ist noch immer die Prophylaxe, das heißt kniegelenkbelastende Noxen sollten wenn möglich beseitigt und abgestellt werden. Werden die Gelenkbeschwerden behandlungsbedürftig, zählen die Bekämpfung der klinischen Symptome und nach Möglichkeit die Hemmung der Progredienz zu den obersten Therapiezielen. Die Optionen reichen von Krankengymnastik über orthopädische Heil- und Hilfsmittel und medikamentösen Therapien bis hin zu operativen Interventionen. Letztere sollen jedoch erst dann in Erwägung gezogen werden, wenn alle konventionellen Maßnahmen ausgeschöpft sind.

Neben der Anpassung der Lebens­weise sollte wenn nötig auch eine Gewichtsreduktion angestrebt werden, um die Gelenke zu entlasten. Bewegung ist das A und O, allerdings sollte sie gelenkschonend sein (z. B. Schwimmen, Radfahren, Gymnastik) und nur mit dem richtigen Schuhwerk erfolgen. Als physiotherapeutische Maßnahmen kommen unter anderem Ultraschall, Elektrotherapie und Kälte-/Wärmetherapie infrage. Das Tragen von Knieorthesen kann die Schmerzen lindern und die Funktion des Knies verbessern. Von der Substitution von Glucosamin und Chondroitinsulfat wird wegen mangelhafter Evidenz mittlerweile abgeraten.

Schmerzen lindern, Entzündung hemmen

Bei der Pharmakotherapie liegt der Fokus auf Analgesie und Entzündungshemmung. Möglich ist der Einsatz von nicht-steroidalen Antirheumatika (oral oder topisch), Glucocorticoiden und Opioiden. Glucocorticoide können direkt in die Gelenkhöhle appliziert werden. Die Idee hinter dieser Maßnahme ist, die antiphlogistischen Arzneistoffe in hoher Konzentration an den Ort des Geschehens zu bringen. Am besten eignen sich dafür Glucocorticoide mit einer langen Halbwertszeit in kristalliner Lösung mit nur geringer Kristallgröße, zum Beispiel Triamcinolonacetonid. Ein Cochrane-Review kam im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass die intraartikuläre Gabe von Glucocorticoiden einen moderaten Effekt auf die Schmerzen hatte und sechs Wochen nach der Injektion mit einer Verbesserung der Körperfunktion gerechnet werden kann, die jedoch nicht von Dauer ist. Aber schaden kann eine Cortison-Spritze nicht – oder doch?

Zweifel an Glucocorticoiden

Eine randomisierte, Placebo-kontrollierte, doppelblinde Studie mit 140 Patienten untersuchte den Einfluss einer intraartikulären Injektion von 40 mg Triamcinolonacetonid, die alle drei Monate über zwei Jahre gegeben wurde, auf den Verlauf von Knorpelabbau und Knieschmerzen. Die Patienten der Vergleichsgruppe erhielten reine Kochsalzlösung. Das Ergebnis der Studie ist ernüchternd: Die Triamcinolon-Spritze hatte keinerlei Auswirkungen auf die Entzündung, der Erguss blieb jedenfalls unter der Intervention bestehen. Zwischen den beiden Gruppen wurden keine Unterschiede in der Schmerzreduktion beobachtet. Im Gegenteil führte Triamcinolon zu einem signifikant größeren Verlust von Knorpelgewebe als Placebo mit einer durchschnittlichen Veränderung der Knorpeldicke von -0,21 mm vs. -0,10 mm.

Obwohl der Knorpelabbau nicht zu einer Verschlechterung der Symptome führte, geht der Verlust von Knorpelgewebe jedoch mit einem erhöhten Risiko für Langzeitschäden einher, so die Studienautoren. Ihr Urteil lautete deshalb: Die intraartikuläre Injektion von Glucocorticoiden scheint keine sinnvolle Behandlungsoption bei Kniearthrose zu sein. Sie stelle sogar die Rolle von Entzündungen bei Kniearthrose infrage.

Keine neue Erkenntnis

Professor Dr. Johannes Stöve vom St. Marienkrankenhaus in Ludwigshafen arbeitet derzeit gemeinsam mit anderen Autoren an der deutschen Leitlinie zur Kniearthrose, die sich an Orthopäden, Unfallchirurgen, Internisten und Rheumatologen richten soll. Seiner Ansicht nach ist und bleibt die intraartikuläre Gabe von Glucocorticoiden bei einer entzündlichen Phase eine Therapieoption. Dafür kommen grundsätzlich alle Patienten infrage, bei denen keine Kontraindikationen für Steroide bestehen. Dass Glucocorticoide auch negative Wirkungen auf den Knorpel haben, ist schon länger bekannt, weshalb die aktuelle Studie wohl keine Auswirkung auf die Therapieempfehlungen haben wird. Diesem Risiko trage man Rechnung, indem man das Spritzen auf maximal dreimal pro Jahr beschränkt. Vorsicht ist zudem bei Patienten geboten, die gleichzeitig an Diabetes mellitus erkrankt sind, da es unter der Therapie zu einem Anstieg des HbA1c-Werts kommen kann.

Dass andere Studien zu abweichenden Ergebnissen kamen, begründen die Studienautoren damit, dass meist „konventionelles“ Röntgen als Verfahren gewählt wurde, um den Verlauf der Arthrose zu beobachten. McAlindon et al. halten diese Methode für ungeeignet, da sie unempfindlich ist bei Kniearthrose und kleine Veränderungen im Knorpelabbau nicht erfassen kann. Aus diesem Grund setzten sie in ihrer Untersuchung die Magnetresonanztomografie (MRT) ein, die Knorpel- und Weichteilgewebestrukturen direkt abbildet. Prof. Stöve hält auch diese Methode für ungeeignet. Eine Beurteilung der Arthrose ist aufgrund des langsamen und heterogenen Verlaufs grundsätzlich schwierig. Im Praxisalltag greift man zur Primärdiagnose und Verlaufsbeurteilung weiterhin auf Röntgenuntersuchungen zurück.

Viele Fragen offen

Die Aussagekraft der Studie wird durch einige Punkte limitiert. Erstens: Die Symptome der Kniearthrose wurden nur alle drei Monate erfasst. In früheren Studien wurde die größte Besserung bereits vier bis sechs Wochen nach der Injektion beobachtet. Dieser Zeitpunkt wurde in der Studie von McAlindon verpasst. Zweitens: Die Studienteilnehmer durften weitere Arzneimittel einnehmen, sodass eine Verzerrung der Ergebnisse durch Komedikationen nicht auszuschließen ist. Sie wurden lediglich gebeten, nicht-steroidale Antirheumatika während der Studie abzusetzen. Drittens: Die Applikationsmethode ließ von vornherein einen starken Placebo-Effekt erwarten. Sein Einfluss auf das Ergebnis ist ungewiss. Viertens: Es wurden nur Patienten eingeschlossen, bei denen eine Synovitis im Ultraschall nachgewiesen wurde. Eventuell ist dieses bildgebende Verfahren nicht geeignet, um Entzündungen im Gelenk aufzudecken. Möglicherweise waren auch Dosierung und Injektionsintervall von Triamcinolon nicht ausreichend. Zudem ist bekannt, dass einige Patienten gar nicht auf intraartikulär verabreichte Glucocorticoide ansprechen. Vermutlich fehlt bei ihnen die entzündliche Komponente. Auch hält sich die Hypothese, dass bereits die Injektion von Kochsalzlösung eine Wirkung auf die Beschwerden hat. Die Studienautoren gehen in diesem Fall allerdings von einem starken Placebo-Effekt aus. Das bessere Abschneiden von Kochsalzlösung in der aktuellen Studie ist wahrscheinlich eher auf die nachteiligen Effekte von Triamcinolon zurückzuführen.

Bei der Kniearthrose gilt, für den Patienten individuell die optimale Therapie zu generieren, die seine Leiden lindert. Bisher gibt es keine klare Empfehlung für oder gegen intraartikuläre Injektionen von Glucocorticoiden bei Kniearthrose. Die Leitlinie des National Institute for Health and Care Excellence (NICE) rät dazu, diese Therapieoption nur ergänzend zu den genannten Therapieoptionen einzusetzen. Die Veröffentlichung der deutschen Leitlinienempfehlungen ist für Ende Juni geplant. |

Quelle

McAlindon TE et al. Effect of Intra-articular Triamcinolone vs Saline on Knee Cartilage Volume and Pain in Patients With Knee Osteoarthritis. JAMA 2017;317(19):1967-1975

da Costa BR et al. Intra-articular Corticosteroids for Osteoarthritis of the Knee. JAMA 2016;316(24):2671-2672

Felson DT. Intra-articular Corticosteroids and Knee Osteoarthritis. JAMA 2016;316(24):2607-2608

Michael JWP et al. Epidemiologie, Ätiologie, Diagnostik und Therapie der Gonarthrose. Dtsch Ärztebl 2010;107(9):152-162

NICE Clinical guideline. Osteoarthritis: care and management. Stand: Februar 2014

Das könnte Sie auch interessieren

Wirkt Zoledronsäure gegen Knorpelschwund?

Bisphosphonat bei Kniearthrose

Intraartikuläre Applikation in die Hüfte kann raschen Gelenkzerfall begünstigen

Cortison-Injektionen mit Folgen

Wann Kniebeschwerden ein Fall für die Selbstmedikation sind

Knietief im Schmerz

Hyaluronsäure punktet, Paracetamol fällt ab

Welche Therapie hilft bei Arthrose im Knie?

Wie kommen topische NSAR im schmerzenden Gewebe an?

Unter die Haut

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.