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Die Seite 3
Lindner und der Fremdbesitz
Spätestens seit dem Parteitagsbeschluss, im Programm für die anstehende Bundestagswahl die Abschaffung des Fremdbesitzverbots bei Apotheken zu fordern, ist das Verhältnis der Apotheker zur FDP schwer erschüttert. Von der einstigen Partei der Mittelständler und Freiberufler, die viele Apotheker als ihre natürliche politische Heimat betrachtet haben, fühlen sie sich nicht mehr vertreten. Und tun dies auch kund: in den sozialen Netzwerken, in Leserbriefen, in persönlichen Schreiben an FDP-Politiker.
Letzteres hat auch der Vertrauensapotheker der sauerländischen Stadt Olpe, Ulf Ullenboom, getan und an FDP-Chef Christian Lindner geschrieben. Er sei „tief traurig und verbittert“, dass der Chef einer Partei, „die einmal dem Mittelstand verpflichtet war“, nun bereit sei, die Apotheken „über die Klinge“ springen zu lassen schrieb Ullenboom. In seiner Antwort versucht Lindner erkennbar, die Wogen der Verärgerung zu glätten – und distanziert sich nonchalant vom Parteitagsbeschluss seiner Partei: Er sei gegen diese Forderung und sehe „den Beschluss fachlich skeptisch“ (s. „Lindner sieht Apothekenketten-Beschluss ‚skeptisch‘“, DAZ.online, Meldung vom 23. Mai 2017). Ein FDP-Sprecher präzisiert auf Nachfrage der Kollegen von DAZ.online, „dass Herr Lindner, so wie auch die anderen führenden Fachpolitiker der FDP, eine isolierte Aufhebung des Fremdbesitzverbotes mit Skepsis sieht“. (Das erscheint nur logisch, wären Kapitalgesellschaften ohne Möglichkeit des Mehrbesitzes wohl auch kaum an deutschen Apotheken interessiert …)
Schon direkt nach dem Parteitag hatten FDP-Politiker versucht, den Beschluss, der die Axt an die Grundfesten des deutschen Apothekensystems legt, kleinzureden. „Während der teils unübersichtlichen Debatte ist dieser Halbsatz da reingekommen“, versuchte beispielsweise Lindners Stellvertreterin Strack-Zimmermann den Vorgang darzustellen. Der Antrag wurde jedoch schon vor dem Parteitag zur Übernahme empfohlen – im Antragsbuch, das wohl auch dem Parteivorstand vorgelegen haben dürfte ...
Lindner geht nun noch weiter und garniert seine Verteidigung mit herber Medienschelte: „Die Stimmung auf dem Parteitag war leider auch geprägt von den monatelangen, unterirdischen und denunziatorischen Kampagnen gewisser Apotheker-Medien“, schreibt er Ullenboom.
Fakt ist aber: Große Teile der FDP haben gleich nach dem EuGH-Urteil im Oktober solche neoliberalen Töne angeschlagen – auch Lindner selbst, der vom „Naturschutz“ gesprochen hat, den die Apotheker nicht in Anspruch nehmen könnten. Der Parteitagsbeschluss „passt“ genau in dieses Fahrwasser des ungezügelten Wettbewerbs, in das die FDP offenbar auch im Gesundheitswesen einbiegen möchte.
Erst einen unausgegorenen Beschluss fassen, dessen Konsequenzen den Delegierten womöglich nicht bewusst – vielleicht aber auch einfach egal waren. Diesen demokratisch zustandegekommenen Beschluss anschließend als bedauerlichen Betriebsunfall hinstellen. Und dann Medien, die über diese Vorgänge berichten, Denunziation und Kampagnen-Journalismus vorwerfen: Mit Verlaub, Herr Lindner, für eine Partei mit Regierungsambitionen ist das ein Armutszeugnis. Oder in Ihren eigenen Worten: unterirdisch.
Dr. Benjamin Wessinger
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