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Recht
„Die Situation ist nicht in Stein gemeißelt“
DAZ: Herr Douglas, ist das Urteil, mit dem der BGH einen Rechtsstreit zwischen der AKNR und DocMorris zurück an das OLG Köln verwiesen hat, tatsächlich geeignet, neue Hoffnung zu schöpfen, dass sich der EuGH ein weiteres Mal der Rx-Preisbindung annehmen wird?
Douglas: Durch die Ausführungen des BGH besteht in der Tat eine realistische Chance, dass sich der EuGH erneut mit dem deutschen Preisrecht befassen muss. Der BGH hat in seinen Gründen prägnant die bereits von anderer Seite geäußerte Kritik an dem Verfahren vor dem OLG Düsseldorf zusammengefasst.
Die entscheidende Frage ist dann aber, ob der EuGH möglicherweise bereit sein wird, eine andere Würdigung vorzunehmen. Dies ist schwierig vorherzusehen, zumal uns bisher nicht bekannt ist, welche Informationen in dem ersten Verfahren tatsächlich dem Gericht vorgelegt wurden. Wenn wir aber keine realistische Chance sehen würden, wären wir nicht die Richtigen für dieses Verfahren. Wir nehmen dies sportlich: Das Hinspiel ging empfindlich verloren, doch treten wir jetzt zum Rückspiel an und werden unser Bestes geben.
DAZ: Gab es schon einmal den Fall, dass der EuGH in der Sache nach gleichen Streitigkeiten unterschiedlich entschieden hat?
Douglas: Dies ist eine Frage für Chronisten. Uns würde es schon reichen, wenn nach einem erneuten EuGH Verfahren zur Rx-Preisbindung die Antwort auf diese Frage Ja ist.
DAZ: Wie gehen Sie und die AKNR nun vor? Bekommen Sie für das weitere Verfahren vor dem OLG Köln Unterstützung, z. B. von der ABDA?
Douglas: Wir analysieren gemeinsam die Entscheidung des BGH und werden die Informationen und Tatsachen sammeln, die aus unserer Sicht für den Fortgang des Verfahrens erforderlich sind. Dazu haben wir alle eingeladen mit uns zusammenzuarbeiten, denen die inhabergeführte Apotheke am Herzen liegt. Hierzu gehört selbstverständlich auch die ABDA. Wir glauben daher nicht, dass die ABDA sich dem verweigern wird. Warum auch?
DAZ: Falls der EuGH erneut angerufen werden sollte – wie lange könnte ein solches Verfahren dauern? Und was heißt das im Hinblick auf die bislang noch nicht gefundene politische Lösung als Antwort auf das EuGH-Urteil?
Douglas: Dies ist eine schwierige Frage. Aber aufgrund der bekannt langen Verfahrensdauern wird es einige Zeit brauchen. Die Politik wird jedoch sicherlich vor der Bundestagswahl am 24. September 2017 keine Lösung präsentieren. Wichtig ist uns im Moment auch zu zeigen, dass sich niemand sicher sein kann, dass die aktuelle Situation in Stein gemeißelt ist. Das Investment in eine niederländische Versandapotheke ist und bleibt ein Risikoinvestment.
DAZ: Für Wirbel sorgt auch die jüngst ergangene Entscheidung des Landgerichts München, das in DocMorris-Rx-Boni einen Verstoß gegen das Heilmittelwerberecht sieht – und sie daher unabhängig von der EuGH-Entscheidung für unzulässig erklärt hat.
Douglas: Diese Entscheidung ist erfreulich. Andere Gerichte, wie etwa das Landgericht Frankfurt haben, ohne dies im Detail zu begründen, die Auffassung vertreten, man müsse Arzneimittelpreisrecht und Heilmittelwerberecht gleichsetzen. Das Landgericht München hat nun detailliert aufgezeigt, dass dem nicht so ist und sich dabei als erstes Gericht, das sich mit der Frage der Übertragbarkeit der Entscheidung des EuGH auf das Heilmittelwerberecht auseinandersetzen musste, mit den unterschiedlichen Hintergründen der beiden Gesetze auseinandergesetzt.
DAZ: Könnten Sie das genauer erklären?
Douglas: Das Arzneimittelpreisrecht soll die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln schützen und somit ein Kollektivinteresse. Das Heilmittelwerbegesetz schützt den Einzelnen vor unsachlicher Beeinflussung und damit ein Individualrechtsgut. Aus Sicht des Rechts sind dies zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Zudem ist das Heilmittelwerberecht nicht an den Grundfreiheiten zu messen, sondern an der speziellen EU-Richtlinie 2001/83, dem Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel.
DAZ: Aber wäre § 7 HWG – die Norm, um die sich alles rankt und die selbst für Juristen eine echte Herausforderung ist – nach der EuGH-Rechtsprechung nicht auch als europarechtswidrig anzusehen?
Douglas: Theoretisch kann jede Norm europarechtswidrig sein. Aber dies wäre ein anderes Verfahren. Einen Automatismus, wonach aufgrund Überlegungen des EuGH in seiner Entscheidung vom 19. Oktober 2016 auch die Regelungen des HWG als europarechtswidrig eingeordnet werden müssen, gibt es jedenfalls nicht. Aufgrund der bereits beschriebenen unterschiedlichen Schutzzwecke sollte eine solche Übertragung auch nicht vorgenommen werden.
DAZ: Danke für das Gespräch!
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