Aus der Hochschule

Der Darm und sein Mikrobiom

In Tübingen hat das Tübiom-Projekt begonnen – Teilnahme noch möglich

Eine Ausgründung der Universität Tübingen bündelt die Forschungen über die menschliche Darmflora. Dass das Mikrobiom in einer Be­ziehung zu pathogenetischen Prozessen im gesamten Körper steht, gilt als sicher, ist aber dennoch nicht viel mehr als eine Hypothese. Das Tübiom-Projekt soll hier neue Erkenntnisse bringen.

Tausende von Bakterienarten besiedeln den menschlichen Darm und machen ihn zu einem der spannendsten Forschungsgebiete unserer Zeit. 100 Billionen Bakterien, Hefen, Pilze, Viren sind für die Nährstofftransformation, die Vitaminversorgung, die Reifung der Schleimhautimmunität, aber auch für die Kommunikation zwischen Darm und Gehirn und für pathogenetische Prozesse wie die Tumorprogression verantwortlich oder mitverantwortlich.

Das Verhältnis der beiden großen Bakteriengruppen Firmicutes (grampositiv) und Bacteroidetes (gramnegativ) zueinander liegt in der Kindheit bei 0,4, steigt bei Erwachsenen auf fast 11,0 und sinkt im Alter wieder auf 0,6. Ein ungesundes Verhältnis wird als Ursache für chronische Erkrankungen wie Adipositas und Diabetes vermutet. „Mikrobiom und Diabetes/metabolisches Syndrom“ ist übrigens ein Thema auf dem diesjährigen Internistenkongress vom 29. April bis 2. Mai in Mannheim.

Auch einzelne Bakterienspezies können nutzen oder schaden. So soll eine hohe Anzahl von Eubacterium limosum bei Patienten mit hämatologischen ­Malignomen ein geringeres Risiko für Rezidive anzeigen [1]. Dagegen kann Clostridium difficile durch seine rasante Vermehrung bei einer Antibiose bekanntlich schwere Schäden verursachen. Viele in Lebensmitteln enthaltene Bakterienarten gelten als Probiotika. Andererseits locken die Bakterien im Darm Bakteriophagen an – mit welchen Auswirkungen außer einer „Darmgrippe“, ist oft noch unbekannt.

Die Zusammensetzung des Darm-­Mikrobioms schwankt – sowohl von Mensch zu Mensch als auch bei jedem Individuum im Laufe der Zeit. Dabei ist es weitgehend ungeklärt, welche Schwankungen normal sind und welche auf eine vorhandene oder zukünftige Erkrankung hindeuten. Zu den vielen Faktoren, die unser Darm-Mikrobiom beeinflussen, ge­hören die Ernährung, die Einnahme von Arzneimitteln und das Alter. Die Erkenntnisse darüber sind aber noch ziemlich vage. Auch die Frage, welcher Lebensstil sich über das Darm-Mikrobiom möglichst positiv auf unsere Gesundheit auswirkt, ist bislang nicht zu beantworten.

Darmbakterien und Alzheimer

Die bisherigen Erkenntnisse zum ­Mikrobiom stammen von einigen Tierversuchen mit Extrapolationen auf den Menschen sowie von Beobachtungs­studien – nicht selten mit widersprüchlichen Ergebnissen. Umso wichtiger sind aktuelle Forschungsprojekte in mehreren Ländern. Bereits seit 2007 läuft in Amerika das Human Micro­biom Project (http://hmpdacc.org), und im Januar 2017 startete in Tübingen das Tübiom-Projekt (www.tuebiom.de). Eines seiner Ziele ist, künftig einen Gesundheitscheck durch die Analyse des Darm-Mikrobioms durchführen zu können. Die Zusammenhänge zwischen typischen Varianten des Darm-Mikrobioms mit der Gesundheit und dem Lebensstil sollen offenbar werden. Wissenschaftler der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Tübingen, die am Tübiom-Projekt mitarbeiten, hoffen sogar, einen Zusammenhang zwischen dem Mikrobiom und der Alzheimer-Krankheit nach­weisen zu können.

Verantwortlich für das Tübiom-Projekt ist die CeMeT GmbH, eine Ausgliederung der Universität Tübingen (Center for Metagenomics). Die Teilnahme ist freiwillig und kostenlos. Die Teilnehmer geben eine Stuhlprobe ab und füllen einen Fragebogen aus, danach werden ihre Daten und Angaben anonymisiert gespeichert. Nach der Analyse ihres Mikrobioms werden die Teilnehmer über die Ergebnisse informiert.

Wer beim Tübiom-Projekt mitmacht, leistet einen Beitrag zur Wissenschaft, er erhält aber auch Wissen über sich selbst, das ihm sonst nicht verfügbar wäre. Die Projektleiter wünschen sich 10.000 Teilnehmer – Gesunde, Kranke und Neugierige. |

Literatur

[1] Peled JU et al. Intestinal Microbiota and Relapse After Hematopoietic-Cell Transplantation. J Clin Oncol; Epub 15.3.2017

Heike Heuer/cae

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