Arzneimittel und Therapie

Ginkgo kann bei Demenz helfen

Metaanalyse untermauert Nutzen von EGb 761® bei leichten und mittelgradigen Formen

Phytopharmaka aus den Blättern von Ginkgo biloba spielen auf dem deutschen Arzneimittelmarkt seit Jahren eine bedeutende Rolle. Eine zusätzliche Aufwertung erfuhr die Heilpflanze zu Beginn des letzten Jahres, als der Spezialextrakt EGb 761® als Behandlungsoption in die Neufassung der S3-Leitlinie „Demenz“ aufgenommen wurde, die sich ausführlich mit der Diagnostik und den Therapiemöglichkeiten verschiedener Demenzformen befasst. Aktuell wird die klinische Wirksamkeit durch eine weitere Metaanalyse bestätigt.

In der Untersuchung von Zhang und Mitarbeitern wurden nun allerdings nicht erneut einzelne Studien bewertet, sondern die vorhandenen Metaanalysen kritisch unter die Lupe genommen. Eingeschlossen waren zehn systematische Reviews, die in den ­Jahren 2010 - 2015 publiziert wurden und den Einsatz von Ginkgo biloba bei leichter bis mittelgradiger Demenz zum Thema hatten. Die Qualität der Reviews wurde mittels eines standardisierten Punktesystems beurteilt und, von zwei Ausnahmen abgesehen, durchweg als gut beurteilt. Die Analyse der Studien erbrachte ein deutliches Ergebnis zugunsten der Anwendung von Ginkgo-Extrakten.

Alzheimer-Patienten profitieren

So verbesserte die Einnahme des Spezialextrakts EGb 761 die Kognition und die Bewältigung der Aktivitäten des täglichen Lebens sowie eventuell vorhandene neuropsychiatrische Symptome von Alzheimer-Patienten signifikant. Der Effekt war hierbei dosis­abhängig und konnte mit einer Tagesdosis von 240 mg des Extraktes erzielt werden. Gleichzeitig erwies sich der Extrakt als gut verträglich, speziell Symptome wie Schwindel, Tinnitus, Kopfschmerzen und Angina pectoris traten unter Verum seltener auf als unter Placebo.

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Unklare Ergebnisse bei leichten kognitiven Einschränkungen

Nicht ganz so eindeutig waren die Ergebnisse bei Patienten, die nur unter leichten kognitiven Einschränkungen litten. Auch bei diesem Patientenkollektiv konnte zwar eine Verbesserung der kognitiven Funktion gezeigt werden, die Bewältigung der Alltagsaufgaben wurde aber nicht positiv beeinflusst. Allerdings kritisieren die Autoren, dass möglicherweise die gewählten Kriterien nicht sensitiv genug waren, um leichte Verbesserungen ­sicher zu erfassen. Zudem machten sie zwei Studien ausfindig, die in keine der bisherigen Metaanalysen eingeflossen sind und in denen der Effekt von Ginkgo-Extrakten bei leichten kognitiven Störungen mit einem positiven Ergebnis untersucht wurde.

Forschungsbedarf in Sachen Prävention und ...

Schließlich widmeten sich die Autoren noch der Frage nach einem möglichen protektiven Effekt der Einnahme von Ginkgo-Extrakten. In der oben erwähnten S3-Leitlinie wird Ginkgo zur Prävention nicht empfohlen, da zwei aktuelle prospektiv angelegte Studien keinen positiven Effekt des Spezialextraktes bezüglich der Vorbeugung von Demenzerkrankungen nachweisen konnten. In diesem Zusammenhang sollte allerdings bedacht werden, dass Präventionsstudien methodisch aufgrund der Komplexität der beeinflussenden Faktoren problematisch sind und es häufig schwierig ist, einen ­signifikanten Effekt einer durchgeführten Intervention nachzuweisen. Außerdem erscheint der Beobachtungszeitraum mit fünf bis sechs Jahren etwas kurz. Zhang und Mitarbeiter zitieren neben diesen beiden Stu­dien eine große französische Untersuchung, die im Jahr 2013 publiziert wurde und in der die Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit bei gesunden Probanden über einen Zeitraum von 20 Jahren erfasst wurde. An dieser Studie, deren Daten im Rahmen der prospektiven Kohorten-Studie Paquid erhoben worden sind, nahmen über 3000 ältere Menschen teil. Hier konnten durchaus positive ­Effekte der Einnahme von EGb 761 ermittelt werden. Allerdings sind auch bei dieser Studie Schwächen vorhanden, so dass bezüglich der Frage nach einer protektiven Wirkung von Ginkgo weiterer Forschungsbedarf besteht.

... Tinnitus, Schwindel, pAVK

Ähnliches gilt auch für weitere Indikationen des Extraktes, wie Tinnitus, Schwindel oder die Verlängerung der schmerzfreien Geh­strecke bei arterieller Verschlusskrankheit (pAVK, Claudicatio intermittens). Bezüglich der Wirksamkeit bei Claudicatio intermittens kommt ein Cochrane Review von 2013 zu dem Schluss, dass die vorhandenen Studien keinen signifikanten Nutzen belegen. Bei Tinnitus und Schwindel muss man die Situation ­etwas differenzierter betrachten. Für eine Wirksamkeit bei Tinnitus als primärem Symptom sind laut eines Cochrane Reviews aus demselben Jahr ebenfalls keine ausreichenden Belege vorhanden. In Studien an Demenz-Patienten konnte aber durchaus eine Reduktion von Begleitsymptomen wie Schwindel und Tinnitus demonstriert werden.

Was bleibt für die Praxis?

Abschließend lässt sich für die Praxis fest­halten, dass eine leichte bis mittelschwere Demenzerkrankung insbesondere bei Vorliegen zusätzlicher Verhaltenssymptome mit der täglichen Gabe von 240 mg des Ginkgo-Spezialextraktes EGb 761 behandelt werden kann, für weitere Anwendungsgebiete ist nach derzeitigem Stand der Wissenschaft allerdings keine ausreichende Evidenz gegeben. |

Quellen

Zhang HF, Huang LB, Zhong YB, et al. An Overview of Systematic Reviews of Ginkgo biloba Extracts for Mild Cognitive Impairment and Dementia. Frontiers in Aging Neuroscience 2016;8:276.

Hilton MP, Zimmermann EF, Hunt WT. Ginkgo biloba for tinnitus. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013, CD003852.

Nicolaï SPA, Kruidenier LM, Bendermacher BLW, et al. Ginkgo biloba for intermittent claudication. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013, CD006888.

PD Dr. Kristina Jenett-Siems, Berlin

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