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Darf Ginkgo ins Drogerieregal?

Bundesgerichtshof muss entscheiden

hfd/ral | Ein Zwist zwischen den Traditionsunternehmen Schwabe aus Karlsruhe und Klosterfrau aus Köln wird die Unternehmen wie auch die deutsche Gerichtsbarkeit noch ein zehntes Jahr beschäftigen: Seit 2008 streiten die Firmen um die Frage, inwiefern Ginkgo-Prä­parate mit Tagesdosierungen von 100 Milligramm apothekenpflichtig sind. Klosterfrau vertrieb „Klosterfrau Ginkgo Plus“ unter anderem auch in Drogeriemärkten, was Schwabe ein Dorn im Auge war – die Pharmafirma vertreibt Ginkgo-Extrakte unter den Namen Tebonin® und Rökan® als Arzneimittel. Der Streit hat mittlerweile den Bundesgerichtshof erreicht.

In einem ersten Urteil hatte das Landgericht Bielefeld im November 2009 die Verkehrsfähigkeit des Produktes von Klosterfrau bestätigt, während Schwabe in der nächsten Instanz Erfolg hatte: Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm urteilte im November vergangenen Jahres (Az. I-4 U 1/10), dass Klosterfrau sein Ginkgo-Präparat nicht ohne arzneimittelrechtliche Zulassung vermarkten darf. Schwabe hatte vor Gericht erfolgreich argumentiert, dass es wegen seines Gehalts an Flavonglykosiden und Terpenlactonen über eine pharmakologische Wirkung verfügt. Auch seien im Rahmen von humanpharmakologischen Studien bei monographiekonformen Ginkgo-Extrakten signifikante pharmakologische Wirkungen bei Tagesdosierungen von deutlich unter 100 Milligramm Extrakt wissenschaftlich nachgewiesen worden. Dies seien die „Steigerung der Gedächtnisleistung und des Lernvermögens“, die „Förderung der Durchblutung vorzugsweise im Bereich der Mikrozirkulation“, eine „Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes“, die „Inaktivierung toxischer Sauerstoffradikale“ sowie ein „Antagonismus gegenüber PAF“. Zudem sei die Verkehrsauf­fassung in Bezug auf Ginkgo-biloba-­Extrakte von der jahrzehntelangen ­Verwendung als Arzneistoff geprägt, erklärte Schwabe. Ohnehin sei das ­Produkt von Klosterfrau nicht als Lebensmittel verkehrsfähig, da es sich bei dem Ginkgo-biloba-Extrakt um ­einen den Lebensmittelzusatzstoffen gleichgestellten Stoff handele, der ­wegen fehlender Zulassung nicht in Verkehr gebracht werden dürfe.

Tee-Vergleich konnte nicht überzeugen

Klosterfrau hatte vorgebracht, es handele sich nicht um ein Funktionsarzneimittel, sondern ein Nahrungsergänzungs- bzw. Lebensmittel. In der Konzentration von 100 Milligramm verfüge der Extrakt über keine pharmakologische Wirkung. Es handele sich auch nicht um ein Präsentationsarzneimittel: Eine durch die Präsentation hervorgerufene Verkehrserwartung in Bezug auf ein Arzneimittel liege nicht vor.

Die Richter am OLG Hamm waren davon nicht überzeugt – wie auch nicht von dem Argument von Klosterfrau, Ginkgo werde seit langer Zeit in einer Vielzahl von Lebens- bzw. Nahrungsergänzungsmitteln verwendet – z. B. in Teeprodukten.

Das Gericht untersagte Klosterfrau nicht nur, sein Ginkgo-Präparat ohne Zulassung als Arzneimittel zu vertreiben, sondern verurteilte das Unternehmen auch dazu, Schwabe mitzuteilen, welchen Umsatz und Gewinn es seit 2008 mit seinem Produkt gemacht hatte. Gleichzeitig ließen die Richter die Revision beim Bundesgerichtshof zu, der seit Februar dieses Jahres mit dem Fall betraut ist (Az. BGH I ZR 9/17).

Reaktionen der Unternehmen

Zwar könnte Klosterfrau gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000 Euro sein Produkt weiterhin vertreiben, doch entschied sich die Kölner ­Firma offenbar dagegen: Auf der Homepage ist das Präparat aktuell nicht gelistet. Auf Nachfrage von DAZ.online wollte sich das Unternehmen hierzu nicht äußern. „Zu strategischen Themen nehmen wir keine Stellung“, erklärte ein Sprecher.

Schwabe hingegen verschickte unter der Überschrift „Ginkgo-Präparate müssen aus der Drogerie verschwinden“ eine Pressemitteilung, in der die Firma betont, dass erste Konsequenzen bereits im Markt sichtbar seien: „Anbieter wie dm kennzeichnen das aktuelle Produkt von Klosterfrau auf der Homepage als ‚Nicht mehr im Verkauf‘“, schreibt sie. Das Urteil werde auch für andere Anbieter von Ginkgo-Produkten Folgen haben, erklärt Schwabe. „Es wird als richtungsweisend angesehen, da zukünftig nicht mehr nur das Produkt der Firma Klosterfrau, sondern auch alle anderen Nahrungsergänzungsmittel mit entsprechenden Ginkgo-Extrakten nicht mehr verkehrsfähig sind und daher ­außerhalb der Apotheke in Drogerie und Lebensmitteleinzelhandel nicht mehr vertrieben werden dürfen.“

dm hinterfragt Sortiment

Bislang sind noch viele Ginkgo-Präparate außerhalb von Apotheken zu finden – bei „dm“ sind aktuell vier Extrakte erhältlich. Nach Informationen von DAZ.online ist die Drogeriekette derzeit jedoch in Kontakt mit Herstellern, um die Auswirkungen eines Urteils zur Apothekenpflicht zu prüfen. Das Produkt von Klosterfrau hat „dm“ bereits im Februar 2016 aus dem Sortiment genommen. „Grund hierfür war eine gerichtliche Verfügung des Unternehmens Dr. Schwabe gegen das Unternehmen Klosterfrau“, erklärte dazu dm-Geschäftsführer Sebastian Bayer auf Anfrage von DAZ.online. |

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