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Die Seite 3
Was nun?
Das war’s wohl mit dem Rx-Versandverbot. Die SPD kann sich auf Bundesebene einfach nicht dazu durchringen, auch wenn sie bisher nicht schlüssig erklären kann, warum eigentlich nicht – wer einer Maut nur für ausländische Autobahn-Nutzer zustimmen kann, sollte für das Rx-Versandverbot (das immerhin in drei Viertel der EU-Länder gilt) lieber keine europarechtlichen Bedenken anmelden. Bleibt die vage Hoffnung, dass der Plan von Gesundheitsminister Gröhe es tatsächlich in den nächsten Koalitionsvertrag schafft, wie es der CSU-Politiker Georg Nüßlein in Aussicht stellt (s. „Aus für Rx-Versandverbot – und nun?“, S. 11 dieser DAZ). Nur muss auch den Vorhaben im Koalitionsvertrag der Koalitionspartner zustimmen – und wenn die Union nicht gerade mit der Linkspartei regieren will, sieht es für diesen Plan nicht allzu rosig aus. Denn auch FDP und Grüne lehnen das Rx-Versandverbot ab ...
Wie also soll es nun weitergehen? Angesichts der auf dem Tisch liegenden Alternativ-Vorschläge zum Rx-Versandverbot ist vielleicht die beste Lösung – nichts tun. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Analyse von Thomas Müller-Bohn Anfang des Jahres („Pest oder Cholera“, DAZ 2017, Nr. 3, S. 22), in der schlüssig dargelegt wird, dass ein „sanfter“ Preiswettbewerb mit auf 1 oder 2 Euro gedeckelten Boni für die Apotheken insgesamt schlechter zu verkraften wäre als der Status quo mit ungleichen Regeln. Denn der Umsatz einer schließenden Apotheke „wandert“ zu einer anderen Apotheke. Das kann dieser helfen, profitabel zu bleiben – so zynisch dass für denjenigen klingen mag, der seine Apotheke schließen muss. Wenn dieser Umsatz aber durch Boni per se unprofitabel ist, schädigt er die verbleibenden Apotheken zusätzlich, statt sie zu stützen.
Auf der Interpharm in Bonn wurde ein Gutachten vorgestellt, das belegt, dass ein Rx-Versandverbot wettbewerbs- und wohlfahrtsökonomisch geeignet ist, die flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Bei dieser Vorstellung und auch beim ApothekenRechtTag wurde heiß diskutiert, ob es nicht aussichtsreich sein könnte, ein weiteres Gerichtsverfahren zur Vorlage beim EuGH zu bringen. Denn an mehreren Stellen rügen die EuGH-Richter in ihrer Urteilsbegründung, dass von den Prozessbeteiligten aufseiten der Apotheker nicht hinreichend belegt worden sei, inwiefern die Aufhebung der Arzneimittelpreisbindung für ausländische Kapitalgesellschaften zu einer Durchlöcherung des Apotheken-Netzes und einer Gefährdung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung in Deutschland führe. Diese „Lücke im Tatsächlichen“ soll nun durch das vorgestellte May/Bauer/Dettling-Gutachten geschlossen werden.
Das könnte die Gelegenheit bieten, ein Urteil zu revidieren, das der Stuttgarter Rechtsanwalt Dr. Heinz-Uwe Dettling in Bonn als bösartiges „Nicht-Urteil“ bezeichnete. Denn es widerspreche fundamentalen Grundsätzen der EU, der Rechtsprechung des EuGH selber sowie dem Grundgesetz. Alles in allem, so Dettling, sei die Entscheidung eines höchsten Gerichts nicht würdig (s. „EuGH-Urteil ist ein ‚juristisches Nullum‘“, S. 12 dieser DAZ).
Doch selbst wenn ein solches neues EuGH-Urteil ergehen sollte, muss weiter für den Erhalt des heutigen, bewährten und gut funktionierenden Apothekensystems gekämpft werden. Denn in jeder realistischen Regierungskonstellation gibt es mindestens einen Koalitionspartner, der sich aktuell nicht zu einem wirksamen Schutz der deutschen Vor-Ort-Apotheken durchringen kann. Und so ernüchternd es ist: Es ist durchaus fraglich, ob selbst ein neues EuGH-Verfahren – so sinnvoll es auch ist – an dieser Einstellung etwas ändern würde. Andererseits: Sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat haben die Rx-Versandhandelsgegner ein zahlenmäßiges Übergewicht. Dass es nicht genutzt wird, ist besonders bitter und dem Umstand geschuldet, dass die SPD auf Bundesebene ihre Blockadehaltung nicht aufgibt, Union und Linke nicht miteinander können und die Bundesländer in dieser Frage faktisch nichts mitzubestimmen haben.
Verrückte Versandhandelswelt.
Benjamin Wessinger
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