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Interpharm 2017 – ApothekenRechtTag
Rx: Plan B, C oder D? Wie geht es weiter?
Die Optionen des Gesetzgebers nach dem Aus für das Rx-Versandverbot
Das EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016, das in seiner Kürze zahlreiche ungewöhnliche und nicht nachvollziehbare Feststellungen traf, ist in den vergangenen Monaten breit diskutiert worden. Doch so sehr man auch an ihm zweifelt – es ist in der Welt und erlaubt EU-Versandapotheken einen Preiswettbewerb, wie man ihn in Deutschland nicht haben wollte. Werden die EU-Versender nun mit ihren Rabatten die Kunden so sehr ködern, dass die hiesigen Apotheken existenziell getroffen sind? Keine Frage: Der Gesetzgeber ist gefordert. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) reagierte prompt mit einem Gesetzentwurf für ein Rx-Versandhandelsverbot – und damit ganz im Sinne der ABDA. Doch der Koalitionspartner, die SPD im Bund, will nicht mitziehen. Und sogar der CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble sorgte mit seinen Befürchtungen zu einer etwaigen Staatshaftung für Gegenwind. Auch die Krankenkassen wollen den Rx-Versand beibehalten, schielen bereits auf Selektivverträge mit Versandapotheken. Noch machen sie zwar keine Werbung bei ihren Versicherten für die niederländischen Versender. Aber das könnte sich ändern, meint Douglas: Nachdem ihnen „das Spielzeug der Zyto-Rabattverträge aus der Hand genommen“ wurde, wollten sie den Apotheken derzeit „erst recht nichts Gutes“. Streit sieht der Anwalt hier schon vorprogrammiert – und der kann sich vor den Sozialgerichten in die Länge ziehen. Noch ist nicht klar, wie viele Kunden schon zur holländischen Konkurrenz abgewandert sind. „Die meisten Kunden verabschieden sich nicht von ihrer Präsenzapotheke, wenn sie ins Internet wechseln“, gibt Douglas zu bedenken.
Europarechtlich „gute Überlebenschance“
Dabei hätte das Rx-Versandverbot aus Douglas‘ Sicht möglicherweise ein gangbarer Weg sein können. Jedenfalls auf europäischer Ebene hätte es seiner Meinung nach eine „gute Überlebenschance“ gehabt. Und das nicht nur wegen des ersten DocMorris-Urteils von 2003 und entsprechenden Andeutungen des Generalanwalts im jüngsten Verfahren. Auch der Gemeinschaftskodex für Arzneimittel gehe davon aus, dass es im Ermessen der Mitgliedstaaten steht, ob sie ein solches Verbot wollen oder nicht (Art. 85 c RL EG/2001/83). Vor diesem Hintergrund meint Douglas, dass für Gröhes Gesetzentwurf nicht einmal ein Notifizierungsverfahren nötig gewesen wäre. Allerdings ist Douglas nicht sicher, ob sich die verfassungsrechtlichen Probleme im Hinblick auf die – teilweise seit zwölf Jahren – bestehenden Versandapotheken aus dem Weg hätten räumen lassen.
Doch da die große Koalition beim Rx-Versand ohnehin nicht weiterkommt, sind alternative Lösungen gefragt – die allerdings allesamt problematisch sind. Wo wäre etwa bei einer Höchstpreisregelung, wie sie verschiedentlich vorgeschlagen wurde, die Grenze zu ziehen und wie wäre sie zu rechtfertigen? Außerdem stünde den Apotheken in diesem Fall letztlich noch weniger Geld zur Verfügung, die Auswirkungen wären schlimmer für die flächendeckende Versorgung als die Ist-Situation. Eine Überführung des gesamten Arzneimittelpreisrechts ins Sozialgesetzbuch 5. Buch wäre laut Douglas zwar möglich. Den Vertragsparteien wäre dann überlassen, was genau sie in ihrem Rahmenvertrag vereinbaren. Man könnte hier wohl auch einen gewissen Wettbewerb regeln. Ganz sicher ist aber auch hier nicht, ob diese Regeln einer Überprüfung durch das EU-Recht entzogen wäre. Das „Schlimmste aus allen Welten“ wäre für Douglas ein Boni-Deckel für Ausländer und ein Verbot für Inländer. Dafür gäbe es keinerlei Rechtfertigung.
Erst Leidensdruck, dann „großer Wurf“?
Doch im Moment spricht ohnehin vieles dafür, dass vor der Wahl politisch nichts mehr passiert. Dazu passt auch, dass die Apothekenvergütung gerade im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums umfassend überprüft wird – und zeitnah zur Bundestagswahl wird das Gutachten präsentiert werden. Douglas geht davon aus, dass der Gesetzgeber im kommenden Jahr darauf fußend einen „großen Wurf“ mit grundlegenden Veränderungen plant – dafür könnte ihm auch der jetzt aufgebaute „Leidensdruck“ bei den Apothekern hilfreich sein.
Wie wirkt die EuGH-Entscheidung auf die nationale Rechtsprechung?
Derweil bleibt spannend, wie die nationalen Gerichte mit der bestehenden Inländerdiskriminierung umgehen. Douglas verwies darauf, dass nationale Regelungen nach der Rechtsprechung nun einem „besonderen Rechtfertigungsdruck im Lichte der europäischen Konkurrenz“ unterliegen. Im Einzelfall müssen Regelungen erneut auf ihre Geeignetheit, ein gesetzgeberisches Ziel zu erreichen, überprüft werden. Im vorliegenden Fall werden die Gerichte zum Beispiel die tatsächlichen Auswirkungen der Inländerdiskriminierung auf den deutschen Apothekenmarkt zu prüfen haben. Und diese, so meint Douglas, werden sicher nicht zu bestreiten sein. Das bedeute allerdings nicht, dass die deutschen Apotheken dann ebenso behandelt werden müssten wie EU-ausländische. Denkbar wäre aber, sich wieder an die Rechtslage nach September 2010 anzunähern, als der Bundesgerichtshof die Geringwertigkeitsschwelle ins Spiel gebracht hat. So habe etwa kürzlich das Oberverwaltungsgericht Münster in einigen Verfahren, in denen die Aufsicht Apotheken geringfügige Zugaben untersagt hatte, die Behörde aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen, ob sie im Lichte der EuGH-Entscheidung ihr Ermessen nicht überdenken müsse. Die Behörde verneinte dies – nun wird es bald einen Termin vor Gericht geben. Ein anderer Fall ist gerade in Niedersachsen anhängig: Hier hat das Landgericht Lüneburg in einem einstweiligen Verfügungsverfahren kürzlich 50-Cent-Gutscheine, die für jeden Apothekeneinkauf für nicht spürbar und damit zulässig erachtet. Douglas meint, solche Verfahren müsse man nicht kritisch sehen. Ihren Zweck sieht er darin, „die Reichweite des EuGH-Urteils auf die Rechtsprechung auszutesten, um den Druck auf den Gesetzgeber zu erhöhen, eine Regelung zu schaffen, mit der alle leben können“.
Auch weitere Verfahren werden in der näheren Zukunft näher zu beobachten sein. So hat jüngst das Oberlandesgericht Stuttgart entschieden, dass die Zuzahlungsquittungen von DocMorris „zur Vorlage bei der Krankenkasse“ das Risiko zu einer betrügerischen Verwendung durch die Versicherten bergen. Denn tatsächlich sei der ausgewiesene Betrag gar nicht geleistet worden. Hier sei nun spannend, wie die Kassen das (noch nicht rechtskräftige) Urteil aufnehmen, zumal sie deutsche Apotheken gerne wegen weniger schwerwiegenden Verstößen retaxieren. Ein weiteres Verfahren wird es im Hinblick auf Privatpatienten geben, die ebenfalls eine solche Quittung bekommen.
Wie Douglas berichtete, mischen nun auch die Verbraucherzentralen mit, die Anforderungen beim Versand zu schärfen. So fand vergangene Woche am Landgericht Konstanz eine Verhandlung statt, in der es unter anderem um das Widerrufsrecht bei Arzneimittellieferungen geht, das gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt ist.
Douglas’ Fazit: Da der Gesetzgeber vor der Bundestagswahl im September nicht mehr auf das EuGH-Urteil reagieren wird, seien Apotheker nun gefordert, individuell auf die Bedürfnisse zu reagieren, die Kunden zur Abwanderung zum Versand veranlassen können. Und dabei müssten sie im Zweifel auch bereit sein, Grenzen zu überschreiten. |
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