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Aus den Ländern
Neues zu Cannabis, Mikrobiom und Antidiabetika
In seiner Eröffnung musste Dobbert zugeben, dass ihm die berufspolitischen Entwicklungen die Vorbereitung schwer gemacht haben. Am Donnerstag erst war im Bundestag das Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz beschlossen worden. So werden Apotheken wahrscheinlich ab 1. April für die Herstellung einer Rezeptur eine Fixpauschale in Höhe von 8,35 Euro erhalten, wovon allerdings noch der Kassenabschlag (1,77 Euro) abgezogen werden muss. Außerdem sieht das AMVSG vor, dass die Pauschale für Betäubungsmittel und T-Rezepte auf 2,91 Euro steigt. Positiv sei auch, so Dobbert, dass es keine exklusiven Verträge zwischen Krankenkassen und Apothekern zur Zytostatika-Versorgung mehr gibt. Auch bei den Impfstoffen gibt es Erfreuliches zu berichten: Da die Impfstoff-Rabattverträge abgeschafft wurden, werde sich hoffentlich auch die Lieferfähigkeit bei den Impfstoffen erhöhen. Neben diesen guten Nachrichten gab es aber auch nicht so gute. Diese betreffen die Diskussion zum Rx-Versandverbot. Zwar stehe Minister Gröhe „wie ein Fels in der Brandung“ zum Gesetzentwurf. Leider blockiere aber die SPD das neue Gesetz. Und dann – ganz aktuell – hat auch noch der GKV-Spitzenverband erklärt, dass die Kassen nicht auf Versandapotheken verzichten wollen. Die Gefahr sei sehr groß, dass nach den Wahlen im September möglicherweise ein Gesetz verabschiedet wird, in dem Rx-Boni bis zu einem Euro erlaubt sind. Dobbert sieht darin einen staatlich verordneten Bankrott, denn welche Apotheke kann es sich leisten, auf verschreibungspflichtige Arzneimittel einen Euro Rabatt zu geben? Ärgerlich auch die Vorwürfe, Apotheker verschlafen das digitale Zeitalter. Digitalisierung bedeute nicht, ein Rezept in einen Briefumschlag zu stecken, nach Holland zu senden und dann das Paket vom Postboten beim Nachbarn abzugeben. Die Digitalisierung in den Apotheken ist weit fortgeschritten! Die ABDA-Datenbank sei dafür ein gutes Beispiel.
Cannabis in aller Munde?
Dr. Christian Ude, Darmstadt, berichtete von anderen neuen Entwicklungen: Das Gesetz „Cannabis als Medizin“ erweitert nun die Möglichkeiten, Patienten mit Cannabis-Arzneimitteln zu behandeln und erlaubt die Verschreibung von Cannabis-Blüten und -Extrakten. Unter bestimmten Voraussetzungen können diese zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verschrieben werden. Es muss sehr genau unterschieden werden, ob die pflanzliche Droge, isolierte Pflanzeninhaltsstoffe oder ein Phytopharmakon eingesetzt wird. Aus wissenschaftlicher Sicht ist der Einsatz der pflanzlichen Droge als ein Rückschritt in eine „Steinzeitpharmazie“ zu bewerten, so Ude. Es sei in etwa so, als wenn man statt Digitalis-Tabletten einem Patienten rät, Fingerhut-Tee zu trinken. Bedacht werden muss, dass die klinische Datenlage bei Cannabis und seinen Zubereitungen nur mäßig und uneinheitlich ist. Der Patient muss nach § 3 Absatz 2 BtMG einen Antrag beim BfArM stellen. Dieser Antrag kann mit einem Formular erfolgen oder auch formlos. Es muss vom Arzt ein aussagekräftiger Arztbericht dazu vorliegen. Das BfArM kann dann die Erlaubnis erteilen, wenn eine Kopie des Ausweises vorgelegt wird sowie eine Erklärung, wie ein Zugriff Dritter verhindert werden soll. Der Arzt muss bei einer Verschreibung die Höchstmengen nach § 2 Abs. 1 BtMVV beachten. Die Angabe „Cannabis“ auf dem Rezept allein reicht nicht aus. Es müssen die Sorte oder der Gehalt an THC oder Cannabidiol zwingend angegeben werden. Theoretisch ist es auch möglich, mehrere Sorten parallel zu verordnen. In einem Patientengespräch sollte abgeklärt werden, ob schon gewisse Vorkenntnisse vorliegen. Ist der Patient informiert wie die Droge, der Extrakt bzw. das Fertigarzneimittel gelagert werden muss? Überlegt werden müsse auch, wo in der Apotheke zum Beispiel das Umfüllen stattfinden sollte. Auf dem normalen „Teearbeitsplatz“?
Neues zu Antidiabetika
Dr. Eric Martin, Marktheidenfeld, berichtete den aktuellen Stand in der Diabetes-Therapie. Die Störung der Insulin-Wirkung (Insulin-Resistenz) und eine Sekretionsstörung, die zu einem prandialen Insulin-Defizit führt, das sind die zwei relevanten Pathomechanismen des Typ-2-Diabetes. Bei Diabetikern führt die intravenöse Glucose-Aufnahme bei gleichen Blutzuckerspiegeln zu einer deutlich geringeren Insulin-Ausschüttung als orale Glucose. Ursache sind im Darm gebildete Hormone wie das Glucagon-like Peptide-1 (GLP-1), das die Insulin-Ausschüttung anregt. Das Inkretinhormon führt zudem zur vermehrten Insulin-Synthese und erhöht die Glucose-Empfindlichkeit der Betazellen. Allerdings ist die Halbwertszeit von GLP-1 nach intravenöser Gabe sehr kurz, da es durch die Dipeptidyl-Peptidase-4 (DPP-4) schnell abgebaut wird. DPP-4-Hemmer wie Sitagliptin und Saxagliptin hemmen den Abbau von GLP-1 und ermöglichen annähernd physiologische GLP-1-Spiegel. Mit GLP-1-Analoga wie Liraglutid und Exenatid kann eine Senkung des HbA1c-Wertes um 0,8 bis 1,1% erreicht werden. Sie sind damit stärker wirksam als DPP-4-Hemmer (Senkung des HbA1c-Wertes um 0,5 bis 0,8%) und führen zu einer Gewichtsreduktion.
Übelkeit als Nebenwirkung
GLP-1-Analoga wie Exenatid und Liraglutid (nicht aber die DPP-4-Hemmer) hemmen die Magenentleerung. Es kommt zu Völlegefühl sowie Übelkeit. Die Patienten sollten langsam und in kleinen Portionen essen. Im Verlauf der Therapie gehen die Beschwerden meistens spontan zurück. Bei anhaltender und schwerer Übelkeit begleitet von starken Oberbauchschmerzen sollten GLP-1-Analoga sofort abgesetzt werden, da der Verdacht auf eine akute Pankreatitis besteht. Das Pankreatitis-Risiko wird seit einiger Zeit diskutiert, aber, so Martin, jeder Diabetiker habe ein erhöhtes Risiko. Unter DPP-4-Hemmern konnte kein erhöhtes Risiko belegt werden, unter den GLP-1-Analoga wird das Risiko höher als unter Placebo geschätzt, es gibt aber keine statistisch gesicherte Aussage. Mit den neuen Antidiabetika ist eine gute HbA1c-Einstellung möglich. Dabei werden keine konkreten Zielwerte mehr angestrebt, sondern ein Zielkorridor. Da eine straffe Einstellung nicht lebensverlängernd wirkt, aber Risiken birgt, werden gerade bei älteren Patienten die Ziele eher locker gesetzt. In der Diabetes-Therapie sind nicht-medikamentöse Ansätze (Bewegung, Ernährung, Schulung, eine Änderung des Lebensstils) ein Muss. Es reiche nicht, ein paar Supplemente in der Apotheke zu erwerben und dann zu glauben, dass man Diabetes so in den Griff bekomme. Eigenverantwortliches Handeln lasse sich nicht mit „Phytos“ erkaufen, so Martin, der z. B. von Zimtkapseln abrät.
Keine routinemäßige Messung
Es wird zu viel gemessen, so Martin. Eine Messung sollte nur stattfinden, wenn eine konkrete Antwort auf eine konkrete Frage benötigt wird. Das ist zum Beispiel zum Anfang einer Therapie der Fall oder bei einer Therapieumstellung. Das routinemäßige Messen, das viele Diabetiker praktizieren, sei nicht sinnvoll und zielführend. Der Tipp von Martin: Stets anlassbezogen messen, mit den gleichen Geräten und den gleichen Streifen. Ein Wechsel der Streifen verschlechtert die Validität der Werte.
Unser Mikrobiom pflegen
Den Mensch besiedeln Bakterien, Viren, Pilze, Parasiten – alle gemeinsam bilden das Mikrobiom. Wahrscheinlich gibt es mehr als 10.000 Bakterienarten in unserem Darm – die meisten sind nicht auf Nährböden anzüchtbar. Daher ist auch keine Aussage möglich, was ein gesundes Mikrobiom ist, betonte Margit Schlenk, Neumarkt. Es mache daher keinen Sinn, in der Apotheke eine Stuhldiagnose anzubieten, da sie nicht aussagekräftig ist. Zwei Personen können beide völlig gesund sein, obwohl eine bestimmte Bakterienart beim einen zu 99% vorhanden ist, beim anderen nur zu 0,01%. Der Darm des Neugeborenen ist steril, erst bei der Geburt erfolgt die Besiedlung mit Bakterien aus dem Geburtskanal und aus der Blase der Mutter. Bei einem Kaiserschnitt fehlt dieser Weg der Besiedlung. Die Kinder haben oft eine Darmflora aus dem Hautmikrobiom der Mutter mit verringerter Zahl und Vielfalt der Gattung Bacteroides und Bifidobacterium. Der Tipp von Schlenk: Die Besiedlung mit Lactobacillus fermentatum unbedingt festigen! Das ist durch Stillen möglich, denn Lactobacillus ist auch in der Muttermilch enthalten, oder durch probiotische Produkte. Das Mikroökosystem im Darm kann durch Antibiotika negativ beeinflusst werden. Vor allem Breitspektrum-Antibiotika (Ciprofloxacin etc.) reduzieren Zahl und Vielfalt der Darmbakterien. Ihr Tipp: Zu Oxazin-Antibiotika immer Saccharomyces cerevisiae hinzugeben. Raucher besitzen Keime, die die Nahrung schlecht verwerten. Hören sie auf mit dem Rauchen, dann ändert sich auch die Darmflora – und ihr Gewicht steigt.
Ein Tipp: Kauft jemand z. B. Nicorette® und signalisiert, er will aufhören zu rauchen, dann könne man ihm Lactobaccillus-Präparate empfehlen, denn auch diese verstoffwechseln Nahrung sehr schlecht. |
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