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Alle Akteure in die Pflicht nehmen

Lieferengpässe: Echte Probleme sieht die AOK Baden-Württemberg lediglich im Krankenhausbereich

BERLIN (bro/ks) | Die AOK Baden-Württemberg sieht im Bereich der Offizinapotheken keine Lieferprobleme bei Arzneimitteln. Alarmierend seien jedoch die Engpässe in den Krankenhäusern. Grundsätzlich beklagt die Kasse eine Blackbox in der gesamten Lieferkette. Um gegenzusteuern fordert sie eine umfassende Meldepflicht bei Lieferproblemen. Alle Marktbeteiligten sollen ihre Lagerbestände künftig den Behörden melden müssen.

Wie Lieferengpässe entstehen und wie sie vermieden werden können – darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort. Die Beteiligten schieben sich immer wieder gegenseitig die Schuld in die Schuhe. Die Hersteller meinen, dass Apotheker und Großhändler Arzneimittel zunehmend und gewinnbringend exportieren. Die Großhändler hingegen vermuten, dass die Hersteller Arzneimittel mit Absicht zurückhalten, um sie direkt an die Apotheken auszuliefern und die Großhandelsmarge zu kassieren. Und die Apotheker machen auch die Rabattverträge der Krankenkassen verantwortlich.

Öffentliche Apotheken zu 99 Prozent lieferfähig

Um Licht ins Dunkel zu bringen, hat die AOK Baden-Württemberg bei Forsa eine Umfrage in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse sie am 8. März in Berlin vorstellte. Rund 2000 Menschen, die regelmäßig Rx-Arzneimittel benötigen, beteiligten sich. Ziel war, die Versorgung über Vor-Ort-Apotheken zu untersuchen. Das Resultat laut AOK: Die Arzneimittelversorgung über Apotheken sei „absolut gesichert“. 99 Prozent der Befragten erhielten ihr Medikament entweder an dem Tag, als sie das Rezept in der Apotheke einreichten oder einen Tag später. In acht von zehn Fällen musste der Apotheker das gewünschte Präparat oder das Rabattarzneimittel bestellen. Etwa vier von zehn Befragten wurde ein Austausch-Präparat angeboten, weil das gewünschte nicht verfügbar war. Dabei kritisiert die AOK, dass die Apotheker in 22 Prozent dieser Austausch-Fälle keine Extra-Beratung und Erklärungen zum Austausch angeboten hätten. 11 Prozent gaben sogar an, dass der Arzt ein neues Rezept ausstellen musste, weil das erste Rezept aufgrund eines Engpasses nicht erfüllt werden konnte. Die AOK kommt zu dem Schluss: Die Versorgung durch Offizin-Apotheken zeige nur ein „punktuelles Lieferversagen“ auf, wobei die Gründe nicht verifizierbar seien.

Diefenbach sammelt wieder

Der Offenbacher Apotheker Hans Rudolf Diefenbach dürfte die Einschätzung, Lieferengpässe seien kein Problem der öffentlichen Apotheke, nicht teilen. Er will auch nicht hinnehmen, dass das Thema „in der politischen Behandlung weichgespült wird“. Diefenbach sieht die Defektquoten steigen und moniert die „für uns Praktiker nicht nachvollziehbaren Kontingentierungen“ von Großhändlern und Herstellern.

Nun ruft er abermals Apotheken bundesweit auf, ihm Defektlisten zu senden, die er auswerten kann – nicht zuletzt für eine bessere Aufklärung über die Medien. Wer ihn unterstützen will, kann ihm seine Listen per Mail oder Fax in die Rosen Apotheke in Offenbach schicken. Mail: rosenapo.of@t-online.de, Fax: (0 69) 88 36 08

Das eigentliche Problem sieht die AOK im Klinikbereich. Rudolf Bernard, Chef des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) erklärte, dass derzeit Arzneimittel mit 280 verschiedenen Wirkstoffen in Kliniken fehlten. 30 davon würden von der jeweiligen Klinikapotheke als versorgungskritisch eingestuft, in nur acht Fällen hätten die Hersteller dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) den Engpass gemeldet.

Sanktionen für Hersteller?

AOK-Chef Hermann kritisierte, dass es nicht ausreiche, wenn Pharmaunternehmen nur auf freiwilliger Basis Engpässe an das BfArM melden können. Insgesamt müsse mehr Transparenz in die Lieferkette. Er habe das Gefühl, dass sich alle Marktbeteiligten in einem „Tal der Ahnungslosen“ befänden. Mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) erhalten die zuständigen Bundesoberbehörden zwar mehr Rechte, Informationen zur Vermeidung von Engpässen bei den Pharmaunternehmen einzufordern. Außerdem werden Unternehmen verpflichtet, Kliniken Engpässe mitzuteilen. Hermann reicht das aber nicht. Alle Akteure der Lieferkette – also auch Apotheker – sollten dazu verpflichtet werden, dem BfArM regelmäßig ihre Lagerbestände mitzuteilen, fordert er. Zudem müsse über Sanktionen für Pharmahersteller nachgedacht werden, sagte der AOK-Chef.

Lauterbach will über Meldepflicht für alle nachdenken

SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach erklärte, er wolle „darüber nachdenken“, eine solche Meldepflicht für alle Produkte und Marktbeteiligten ins Spiel zu bringen. Im AMVSG habe er dazu aber keine Notwendigkeit gesehen. Außerdem werde die Große Koalition etwas für die Transparenz in der Lieferkette tun, weil die von der Pharmaindustrie verlangte Preisvertraulichkeit für neue Arzneimittel in letzter Minute verhindert werden konnte, erklärte der SPD-Politiker. |

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