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Arzneimittel und Therapie
Mehr Proteine, weniger Kohlenhydrate
Experten fordern Anpassung der Nährwertrelationen
Die Qualität und die Quantität der täglich aufgenommenen Proteine in Abhängigkeit von Alter, Geschlecht und physiologischer Situation sowohl unter gesundheitsfördernden und ernährungstherapeutischen Aspekten gehörten in den letzten Jahren zu den zentralen Themen der Ernährungsforschung. Die Ergebnisse aus experimentellen und klinischen Studien sind teilweise widersprüchlich, so dass eine Neubewertung von Protein-Qualität und -Quantität als notwendig erachtet wird, siehe den Beitrag „Wie viel Eiweiß soll man essen?“ auf S. 39 in dieser DAZ.
Weg von starren Werten - hin zu mehr Flexibilität
Vor allem im Hinblick auf ältere, kranke Menschen sollten die derzeitigen Empfehlungen zur Protein-Zufuhr überarbeitet werden. Darauf weisen mit Daniela Kluthe-Neis und Birgit Blumenschein zwei Expertinnen der Ernährungstherapie in einem offenen Brief an die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hin. Sie fordern, die primärpräventiven Empfehlungen zur Nährwertrelation von 10 bis 15% Protein, 30% Fett und 55 bis 60% Kohlenhydrate auszuweiten. Die bisherigen DGE-Empfehlungen gelten für gesunde Normalgewichtige. Ein Großteil der Bevölkerung ist aber übergewichtig, leidet an Bluthochdruck oder hat zu hohe Blutfettwerte. Und damit gelten die DGE-Empfehlungen nicht mehr. Das Problem: Diätassistenten oder Ernährungswissenschaftler müssen ihre Ernährungskonzepte oder Ernährungstherapien zur Zertifizierung bei der „Zentralen Prüfstelle Prävention“ einreichen, damit sie als Leistung der GKV anerkannt werden. Dabei müssen die im Leitfaden „Prävention“ geforderten Inhalte für den Bereich der Ernährung erfüllt sein, zu denen auch die bisher starren DGE-Empfehlungen zur Nährstoffrelation von Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten gehören. Blumenschein und Kluthe-Neis fordern, dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse über den Vorteil einer eiweißbetonten Ernährung im Rahmen einer Gewichtsreduktion von der DGE umgesetzt und andere Nährstoffrelationen als Maßstab angelegt werden sollten. Dabei sollten auch im primärpräventiven Bereich Nährstoffe und Lebensmittel empfohlen werden, die Prävalenzen bzw. Ursachen für Stoffwechselerkrankungen mit berücksichtigen, so Blumenschein und Kluthe-Neis. Bei einer Reduktionskost kann es zum Beispiel angebracht sein, die pro kg Körpergewicht vorgegebene tägliche Protein-Menge zu erhöhen. Daher fordern Blumenschein und Kluthe-Neis, flexible Bereiche für die entsprechende Energiezufuhr zu definieren, so dass z. B. auch Nährstoffrelationen von etwa 20% Eiweiß, 40% Fett und nur 40% Kohlenhydrate als Ernährungstherapie anerkannt werden. Dass eine Neubewertung der Empfehlungen für die Protein-Zufuhr notwendig ist, haben auch die Gesellschaften für Ernährung in Deutschland, Österreich und der Schweiz erkannt und eine entsprechende Arbeitsgruppe eingerichtet. Nach Angaben einer Sprecherin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ist bald eine Neufassung der Protein-Referenzwerte zu erwarten. |
Mangel oder Überfluss?
Ein Protein-Mangel geht meist einher mit einem Mangel an Energie. Werden Protein-Reserven abgebaut, scheint vor allem der Herzmuskel gefährdet. Auch die Infektanfälligkeit kann erhöht sein.
Eine über längere Zeit andauernde zu hohe Protein-Zufuhr kann die Nieren negativ beeinflussen, denn die Menge an ausscheidungspflichtigen Produkten des Protein-Stoffwechsels steigt.
Als tolerierbare obere Grenze der täglichen Protein-Zufuhr, bei der keine unerwünschten Wirkungen zu erwarten sind, gilt derzeit für Erwachsene 2,0 g Protein/kg Körpergewicht und Tag. Dies entspricht einer durchschnittlichen täglichen Protein-Zufuhr von 120 g für Frauen und 140 g für Männer.
Literatur
Stehle P. Referenzwerte für die Proteinzufuhr – Zeit für eine Neubewertung? Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften (IEL), Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Kontroverse Ernährungsthesen auf dem Prüfstand. Tagungsband zur 14. Dreiländertagung der Deutschen (DGE), Österreichischen (OGE) und Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE), Proceedings of the German Nutrition Society 2016;(22):15
Protein. Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr 1. Ausgabe 2015
Gießelmann K, Lenzen-Schulte M. Ernährungsempfehlungen – Überarbeitung gefordert. Deutsches Ärzteblatt 2017;114(6):A252-A254
Kluthe-Neis D. Brief an das DGE-Präsidium. DGE-Nährwertrelation in der Diskussion – Bitte um Gesprächsaufnahme. Dezember 2016
Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in der Kritik. www.aerzteblatt.de/nachrichten/72608/Empfehlungen-der-Deutschen-Gesellschaft-fuer-Ernaehrung-in-der-Kritik)#comments
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